Filmemacher-Trio überrascht mit großer Filmkunst für kleines Geld. Premiere am Sonntag.

Albstadt-Ebingen - Filmfans aus Albstadt haben allen Grund zu euphorischer Vorfreude: Gut möglich, dass sie am Sonntagabend Zeugen des Frühwerks dreier aufgehender Sterne am Filmemacher-Himmel waren: Matthias Wissmann, Kevin Hartfiel und Claudio Demel.

Die Frage, was der Junge mal werden würde, habe sich eigentlich nie gestellt, sagt Dagmar Braun und schmunzelt. Schon in frühester Jugend war ihr Sohn Matthias Wissmann ständig mit der Kamera unterwegs. Inzwischen ist er in den letzten Zügen seines Filmstudiums an der Hochschule Offenburg und plant bereits seinen Abschlussfilm, der "im selben Universum" spielen wird wie ein 90-Minüter. Beide teilen sich eine der Hauptfiguren. Und beide spielen in Albstadt.

Bis sie fertig sind, dürfen sich Filmfans auf "The Seam" – Arbeitstitel war "Yellow Passenger" – freuen, den Wissmann und seine Freunde Kevin Hartfiel und Claudio Demel im vergangenen Jahr in Tailfingen gedreht haben. Den jedoch gibt’s an diesem Sonntag im "Capitol Filmpalast" in Ebingen ebenfalls nicht zu sehen – Wissmanns Vater soll dabei sein, weil seine Wohnung Set für den Horrorstreifen war. Und der kann heute nicht.

Kein Problem, denn die Filmemacher waren fleißig genug in den vergangenen Jahren, um locker einen Kinoabend füllen zu können mit drei (Nicht-Ganz-So-)Kurz-Filmen, die es in sich haben.

Knarren, lange Messer und literweise spritzendes Blut: Doris Fuß, die Oma des Jung-Regisseurs, kann das nicht schrecken. Noch gut erinnert sie sich an "den ersten richtigen Film" ihres Enkels, "Zombie-Virus" aus dem Jahr 2003. Außerdem weiß sie, dass Matthias Wissmann alles andere als ein durchgeknallter Typ ist. Den Horror in seinen Streifen verpackt er in Stil und Humor.

In "Who is Hu?" liegt das noch nicht ganz auf der Hand: Wer ist Hu? Der Mann ist ein gedächtnisloser verdeckter Ermittler, wie es anfangs scheint. Doch der Streifen hat trotz seiner Kürze nicht weniger Wendungen als die berühmte Lombard Street in San Francisco Haarnadelkurven. Die Überraschung am Ende ist freilich nicht nur in der Handlung begraben – auch ein ganz bekanntes Gesicht taucht auf, das durch "Das Leben der Anderen" und die ZDF-Krimiserie "Marie Brand" populär wurde: Hinnerk Schönemann, den die Filmemacher einfach mal gefragt haben, hat ohne Gage mitgemacht. "Weil er Lust hatte, mal einen Bösewicht zu spielen", wie Wissmann verrät. Sonst wäre es kaum bei 1000 Euro Produktionskosten geblieben.

Sehr viel mehr – insgesamt 6500 Euro – haben die Drei auch für "Dunkelkammer" nicht verbraten, der mit "Who is Hu?" einiges gemein hat: fantastische Bilder. Geschickt spielen die Macher mit Tiefenunschärfe, dem Wechsel aus Totalen und Großaufnahmen, rasanten Schnitten, die im ersten Fall an Liam Neesons Kampfszenen aus "96 Hours" erinnern, im zweiten Fall an die skurrile Bettszene aus Katja von Garniers "Abgeschminkt!", der ebenfalls als Studentenfilm startete und der Kinohit des Jahres 1993 war.

Die legitime Nachfolgerin von Hannibal Lecter

Rotes Licht in der Dunkelkammer, dazu dramatische Musik, die geheimnisvolle Marie, die heimlich Männer im Park am kleinen See fotografiert und dann zum Essen in ihr Loft in einer ehemaligen Textilfabrik – eine Anspielung auf Albstadt? – einlädt, ihnen aber nicht verrät, dass sie es sind, die auf den Tisch kommen. Mit gedünstetem Gemüse und scharfer Soße. "Fun-Fact: Das Catering beim Dreh war vegan", verrät Wissmann und kann sich das Grinsen nicht verkneifen. Denn auch die Hauptdarstellerin ist Vegetarierin. Was wie das Abendessen der legitimen Nachfolgerin von Hannibal Lecter aussieht, war Tofu.

Geht’s noch besser? Geht! Mit "Rattenkönig" ist dem Trio ein Gangster-Streifen gelungen, der richtig Spaß macht und einem sympathischen, zu groß geratenen Gartenzwerg eine unerwartet wichtige Nebenrolle verschafft. Schwäbische Bodensee-Idylle und fiese Typen, ein Streichelzoo und Romantiker Rudi als Campingplatz-Sheriff, eine geheimnisvolle Schuhschachtel und Ratten-René, den Adrian Dittus großartig spielt, sind Elemente des kurzweiligen, komischen Films.

Dazwischen gibt’s nicht weniger komische Trailer zu sehen: für "Raging Bill", "Der Todespanther von Brooklyn" und den skurrilsten von allen, "Ein Experimentalfilm", in dem Albstädter auch bekannte Gesichter entdecken können. Doch egal ob Trailer oder Film: Nichts davon sieht so aus, als seien hier Studenten mit kleinem Budget am Werk gewesen. Jeder einzelne Take sprüht vor Fantasie, intelligentem, hintergründigem Humor und handwerklicher Exzellenz. Und mit "Ofura Konzeptfilm" hat Wissmann sogar schon seine eigene Filmfirma.

"Die Filme gehören auf die große Leinwand"

Kai Erfurt, der Kino-Besitzer aus dem bayerischen Türkheim und Festival-Veranstalter, der zusammen mit Wissmann, Hartfiel und Demel den Abend moderiert und das dazugehörige Quiz organisiert, hat schon vor langem gesagt: "Diese Filme gehören auf die große Leinwand." Capitol-Besitzer Ralf Merkel hat am Sonntagabend eine solche zur Verfügung gestellt, und alle, die dabei waren, dürften zurecht vermuten: Schon sehr bald werden die Leinwände noch viel, viel größer sein.