Sieht aus wie steinerne Simse und Fenstergewänder, ist aber nichts als Farbe: eine Hausecke, an der noch einige Schattierungen und Weißhöhungen fehlen oder eine Wand, an der jahrhundertealter Putz und Farbe freigelegt wurden. Foto: Kistner

Bei der Fassadenrestaurierung im Margrethausener Klosterhof kommt auch die Baugeschichte zu ihrem Recht.

Albstadt-Margrethausen - Jahrzehntelang waren die illusionistischen barocken Fenstergewänder eine Spezialität des kirchlichen Klosterflügels in Margrethausen – jetzt hat der Restaurator sie auch auf den städtischen Hoffassaden wieder hergestellt.

Jürgen Schulz-Lorch führt den Sigmaringer Restauratorenbetrieb Ernst Lorch in der vierten Generation – die dritte war sein Schwiegervater, und womöglich hat dieser vor vier Jahrzehnten die gemalten Fenstergewänder am Ostflügel restauriert, welcher der katholischen Kirchengemeinde gehört. Schulz-Lorch kann es nicht mit Sicherheit sagen, aber irgendwie kommt ihm der "Duktus" der Arbeit bekannt vor: "Der sieht schon nach dem Atelier Lorch aus".

Die Arbeit wird damals wie heute einem bestimmten Muster gefolgt sein: Den Anfang macht die Putzritzung mit dem Kratzhaken, die als Orientierung für die Malerei dient. Im zweiten Schritt wird gleichmäßig graue Farbe aufgebracht – noch sieht man ihr nicht an, dass sie einen Sandstein imitieren soll. Das ändert sich mit dem dritten Schritt: Jetzt wird lasiert, und die Schattierungen werden aufgemalt, die hier eine Steinkehle, dort einen Simsvorsprung vortäuschen. Das muss relativ zügig gehen, denn die Farbe trocknet schnell, und ein ungleichmäßiger Auftrag ist unbedingt zu vermeiden. Indes schadet auch peinliche Genauigkeit dem Ergebnis – steril darf die Arbeit des Illusionisten nicht wirken. Zusätzliche Plastizität gewinnt sie durch den vierten Schritt, die Weißhöhung, die sich optisch "nach vorne drängt" und so Tiefe suggeriert. Eine Bühnenkulisse, wenn man so will – das Barock war ein theatralisches Zeitalter, dem es fern lag, sich ein schlechtes Gewissen wegen Effekthascherei zu machen.

Wer meint, das sei alles gewesen und der Restaurator ein reiner Kulissenmaler, der irrt. Der Arbeit mit dem Pinsel ist die mit Meißel, Skalpell und Stirnlupe vorausgegangen; vor dem Künstler war der Archäologe am Werk. Jürgen Schulz-Lorch und seine Mitarbeiter haben an der Westfassade des Klosterhofs in minutiöser Kleinarbeit mehrere Putzschichten abgetragen, die dort im Lauf von mehr als drei Jahrhunderten aufgebracht wurden, und eine sogenannte "Befundtreppe" geschaffen, die Aufschluss über die Bau- und Sanierungsgeschichte dieses Teils des Klosters gibt. Auf dem großflächigen Mauerstück erkennt man eine historische Putzschicht mit gleichmäßig verteilten Pickelspuren – die sogenannten Picklöcher hat ein längst verblichener Handwerker bei dem Versuch hinterlassen, der nächsten Putzschicht mehr Halt zu geben. Schulz-Lorch hat außerdem Spuren eines früheren Farbauftrags entdeckt, die allerdings stark ramponiert und für den Laien kaum zu identifizieren sind.

Was geschieht mit dieser Wand? Auch sie wird restauriert, allerdings etwas anders als die Nordfassade. Der Restaurator von heute sieht es nicht als seine Aufgabe an, einen Urzustand zu rekonstruieren, minutiös wiederherzustellen und dafür alles, was später kam, zu entsorgen. Ihm geht es nicht nur um den Anfang, sondern um die ganze Baugeschichte – sie soll ein Stück weit sicht- und erfahrbar werden. Das bedeutet: Wenn diese Westwand fertig ist, wird sie, ähnlich wie der "Uhrenabschnitt" der kirchlichen Wand, nicht wie neu aussehen, sondern offenbaren, dass sie eine Wand mit Vergangenheit ist. Umgekehrt wird auch die Restauration kein Hehl daraus machen, dass sie Restauration ist – sie soll im Zweifelsfall revidierbar sein; schließlich endet die Geschichte nicht mit ihr.

Bleibt die Frage, wann alles fertig ist? Die Klostersanierer sind nach den Überraschungen, die sie im und am Haus erlebt haben, vorsichtig mit Terminansagen geworden – wenn alles nach Plan läuft, dann könnte zumindest das Ortsamt im Januar fertig sein. Die Margrethausener haben so lange auf die Klostersanierung gewartet – sie werden sich gedulden können.