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Diskussion um Präsenz von Personal in Seniorenheimen. Beim nächtlichen Sturz muss jemand da sein.

Albstadt - In der Diskussion um das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen zum Pflegekraft-Schlüssel während der Nachtzeit in Pflegeheimen meldet sich Schwester Regina Birk zu Wort. Sie ist Krankenschwester und Koordinatorin der Hospizgruppe Albstadt.

Von "Bauchgefühl" hat Kaspar Pfister, Geschäftsführer der Benevit-Pflegegruppe, die auch das Haus Raichberg in Onstmettingen betreibt, im Zusammenhang mit dem Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen gesprochen. Es hatte Pfisters Klage für einen Nachtdienst mit einem Personalschlüssel von einer Pflegekraft für 56 Bewohner zurückgewiesen und bestätigt, dass pro Pflegekraft maximal 45 Bewohner erlaubt seien – ab dem 46. sei eine zweite Pflegekraft nachts erforderlich. Schwester Regina Birk, Krankenschwester und Koordinatorin der Hospizgruppe Albstadt, unterstreicht die Meinung des Gerichts: "Auch in Einrichtungen unter 30 Bewohnern darf keine Pflegekraft im Nachtdienst alleine gelassen werden", so Birk. "Das ist unverantwortlich – schon deshalb, weil es immer Situationen geben kann, die nur mit Unterstützung einer zweiten Kraft sicher gehandhabt werden können." Beim Heben eines Bewohners könne sich die einzige Pflegekraft einen Bandscheibenvorfall zuziehen oder aus anderen Gründen unfähig sein, Hilfe zu rufen, nennt Birk als Beispiel. "In solchen Fällen wären nicht nur die Bewohner für den Rest der Nacht schutzlos auf sich gestellt."

"95 Prozent sind heute auf Hilfe angewiesen"

Anders als zu den Anfängen der Altenheimpflege seien heutige Heimbewohner zu 95 Prozent auf Hilfe angewiesen, sagt die Fachfrau. "Sie sind überwiegend desorientiert und haben komplexe Krankheitsbilder – bis hin zur Intensivbehandlungsbedürftigkeit." Höhere Ansprüche an Pflege, mehr Bestimmungen, die zu erfüllen viel Zeit beanspruche, und die Erwartung, dass nachts alle Ereignisse und Maßnahmen dokumentiert werden müssten, kosteten Zeit. "Was nicht geschrieben steht, gilt als nicht gemacht", weiß Regina Birk. "Also wird alles abgezeichnet, was gemacht werden sollte – auch wenn es nicht gemacht werden konnte."

Bei Heimkontrollen habe ein nicht vorschriftsmäßig angebrachter Haltegriff oft größeres Gewicht, und wer sich wegen unerträglichen Personalmangels an die Heimaufsicht wende, erhalte oft den Hinweis auf Einhaltung der vorgegebenen Personalzahlen. Auch Beschwerden beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung liefen ins Leere: "Was will diese Kontrollinstanz auch gegen Einrichtungen unternehmen, denen zuvor Bestnoten ausgestellt wurden?", fragt Birk rhetorisch.

Bei Einlieferungen zwischen 5 und 7 Uhr morgens handle es sich zu 90 Prozent um Bewohner umliegender Altenheime, sei aus Kliniken zu hören. Hauptgrund: Stürze. Oft seien die Betroffenen unterkühlt und müssten erst aufgewärmt werden, ehe man sie untersuchen könne. Manche könnten noch schildern, wie lange sie vergeblich auf Hilfe gewartet hätten, berichtet Birk. Die Verletzungen reichten von leichten Schürfwunden bis hin zu Wirbelbrüchen und Beckenringfrakturen.

Medikamente stören die Aufmerksamkeit

Eine weitere Gefahr für Bewohner seien nächtliche Brände, betont Regina Birk. Seien tagsüber – neben Pflegekräften, sonstigen Mitarbeitern, Angehörigen und Ehrenamtlichen auch die Bewohner selbst aufmerksam, erhielten die meisten von ihnen nach dem Abendessen Medikamente, "damit sie ins Bett gebracht werden können und möglichst durchschlafen" – andernfalls sei der Nachtdienst "mit der üblichen (Unter-)Besetzung nicht zu bewerkstelligen", so Birk. Regina Birk fordert daher, dass hilfebedürftige Menschen nicht mehr durch Neuroleptika, Sedativa und andere Mittel "in eine noch hilflosere Lage hineintherapiert werden, weil menschliche Begleitung zu teuer erscheint" und dass Sterbende, vor allem nachts, nicht allein gelassen werden dürften. "Dass Heimbewohner von 19 bis 7 Uhr gezwungen sind, in ihren Betten zu bleiben, weil die Personalausstattung keine Zeit für menschliche Begleitung lässt", hält sie für ebenso untragbar wie die langen Wartezeiten auf Hilfe in der Nacht und die Gefahren, denen Heimbewohner ausgesetzt seien, "weil das Personal nicht reicht, um wichtige Sicherheitsvorschriften einhalten zu können".

"Nicht zu Lasten der Tagesdienstbesetzung"

Dass Pflegekräfte im Nachtdienst komplett auf sich alleine gestellt seien und Rettungsdienst respektive Polizei rufen müssten, wenn sie alleine nicht mehr klarkämen, lehnt die Krankenschwester ebenso ab die das Aufbürden einer zu hohen Verantwortung im Nachtdienst. Und schließlich betont Regina Birk, "die geforderte Erhöhung der Nachtdienstbesetzung darf nicht zu Lasten der Tagdienstbesetzung gehen".