Montags in Rottweil: Die Demonstranten machen lautstark auf sich aufmerksam – zum Leid der Anwohner. Foto: Weisser

Montag, 18 Uhr in der Rottweiler Innenstadt: Immer noch ziehen die Demonstranten mit Trommeln und Pfeifen durch Rottweils gute Stube. Eine Zumutung – finden die Anwohner und wenden sich jetzt mit einem Protestbrief an Stadtverwaltung, Polizei und Presse.

Rottweil - Es ist jeden Montag das selbe. Kurz vor 18 Uhr zieht es Demonstranten in die Rottweiler Innenstadt. Durch den Stadtgraben steuert eine Gruppe "Pestvögel" die obere Hauptstraße an. Die Demo, so scheint es, hat sich bei einigen Hardlinern mittlerweile zu einem festen Termin im Kalender etabliert.

Die Gründe, warum demonstriert wird, sind mittlerweile vielfältig. Sie sind mit "Rottweil steht auf" überschrieben. Die Schlagworte sind stark: Impfzwang, Machtmissbrauch, für Frieden, Freiheit und Selbstbestimmung. Dagegen kann man kaum argumentieren. Wer ist schon für Machtmissbrauch. Die Krux allerdings ist: Wo Montag für Montag für Freiheit demonstriert wird, wird die der Anwohner beschnitten. Und die haben jetzt gehörig die Nase voll.

In einem Protestschreiben prangern sie die Lärmbelästigung an, die von den Trommlern und Pfeifern unter den Demonstranten ausgeht.

Nicht das Recht auf freie Meinungsäußerung oder jenes, sich versammeln zu dürfen, wird kritisiert, nicht die Gründe, weshalb demonstriert wird, sondern der "bewusste Lärmterror", wie es in dem Schreiben heißt, das unserer Redaktion vorliegt. 143 Innenstadtbewohner haben den Brief unterzeichnet, der sich an die Stadtverwaltung, die Gemeinderäte, die Polizei und die Presse richtet. Und es werden mehr.

Kein Ende in Sicht

"In einem Rechtsstaat sind die Grundrechte das höchste Gut, sie sind die Säulen unserer Demokratie", heißt es in dem Brief. "Wir Innenstadtbewohner protestieren allerdings gegen den bewussten Lärmterror mit Trommeln und Pfeifen, der seit Monaten jeden Montag von 18 bis 19.30 Uhr uns und unsere schöne Innenstadt beschallt und der laut Veranstalter auf unsehbare Zeit auch noch weitere Fortsetzung haben wird."

Die Unterzeichner fragen sich, was sie mit den Protestanliegen zu tun haben, warum sie derart malträtiert werden. "Auch die zahlreichen Touristen im Städtle sind irritiert ob dieser eineinhalbstündigen Lärmbeschallung und suchen nicht die Gastronomie und die Läden auf, sondern das Weite."

Die Anwohner fragen sich, welche Lärmbelästigung im Sinne des Demonstrationsrechts über einen so langen Zeitraum zumutbar ist und ob nicht auch Lärmschutzgesetzte in solch einem Fall zur Anwendung kommen können. Außerdem: "Muss jeder Wege- und Kundgebungswunsch eines Demonstrationsanmelders bewilligt werden?" und "könnten auch Alternativen vorgeschrieben werden?" – nach dem Grundsatz: Demo ja, aber nicht hier und nicht zu dieser Zeit.

Die Stadt will Antworten liefern

Wir haben die Fragen der Betroffenen an die Stadt weitergereicht, die die Anmeldung zur Montagsdemonstration nun Woche für Woche auf dem Tisch hat – anders noch als im Corona-Winter. Damals gingen die Demos unangemeldet vonstatten. Weil einige gegen die zu diesem Zeitpunkt geltenden Hygienevorschriften verstießen, gab es schließlich Aufruhr und die Polizei musste eingreifen. Einer der Demonstranten wurde erst kürzlich vom Amtsgericht Rottweil zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er bei einer der damals unangemeldeten Demos, die da noch Montagsspaziergänge hießen, die Leitung übernommen hatte. Wie Pressesprecher Tobias Hermann betont, wolle man den Anwohnern auf Ihre Fragen zeitnah antworten.

Auf der Hand liegt jedenfalls: Das Demonstrationsrecht hängt recht hoch. Geschützt wird es, wie alle wichtigen Rechte, im Grundgesetz, und zwar in den Artikeln 5 (Recht auf freie Meinungsäußerung) und 8 (Versammlungsfreiheit). Das Demonstrationsrecht ist laut Bundesverfassungsgericht ein "unentbehrliches Funktionselement des demokratischen Gemeinwesens". Einschränkungen sind kaum zulässig. Deshalb waren Demonstrationen selbst während Corona grundsätzlich möglich und werden es auch sein, sollte sich ein solcher Corona-Winter wiederholen.