Mehr Gefahren, weniger Personal: Ist die Polizei in Deutschland überfordert? Foto: dpa

Sind die deutschen Sicherheitsbehörden den Ansprüchen angesichts der wachsenden Terrorgefahr gewappnet. Kann die Polizei für ausreichenden Schutz sorgen? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Berlin - In Deutschland geht Angst vor möglichen Terroranschlägen um. Es vergeht kaum ein Tag ohne neue Zugriffe in der Islamisten-Szene. Die Sicherheitsbehörden sind im Dauereinsatz - und fühlen sich mancherorts bereits überfordert mit der Lage. Dresden untersagte am Montag alle Versammlungen unter freiem Himmel, weil sich die Polizei wegen einer Terrordrohung nicht imstande sah, die Demonstrationen ausreichend abzusichern.

Wie steht es um die Situation bei der Polizei angesichts der gewachsenen Terrorgefahr in Deutschland - wir beantworten die wichtigsten Fragen:

Wie ist die Personalsituation bei der Polizei?

Bund und Länder haben in den vergangenen 15 Jahren rund 16 000 Stellen bei der Polizei abgebaut. Allein in Berlin fielen in diesem Zeitraum mehr als 5000 Stellen weg, in Sachsen-Anhalt rund 3500. In den nächsten Jahren gehen Tausende Beamte in den Ruhestand. „Die Polizei wird auf Verschleiß gefahren“, klagt der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt. Dabei werde die Zahl der Aufgaben immer größer. „Das kann nicht mehr lange gut gehen.“

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) spricht von einer unangemessenen und unverhältnismäßigen Sparpolitik. „Es ist nur noch eine Frage der Zeit, wann der Bogen bricht und die Gewährleistung der inneren Sicherheit in unserem Land von immer mehr Zufällen abhängig wird“, meint Gewerkschaftschef Oliver Malchow.

Wie geht es weiter?

Die Anschläge von Paris haben eine Debatte über die innere Sicherheit in Deutschland ausgelöst. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte vor wenigen Tagen, die Behörden müssten die nötige personelle und finanzielle Ausstattung bekommen, um die Sicherheit bestmöglich zu gewährleisten. Details nannte sie aber nicht. Die Bundespolizei bekommt in diesem Jahr ein kleines Plus von etwa 400 Stellen.

Auch ein paar Länder haben angesichts der Terrorbedrohung angekündigt, etwas aufzustocken bei den Sicherheitsbehörden - zum Beispiel Baden-Württemberg. Nach Angaben der Polizeigewerkschaften ist in den meisten Ländern aber weiterer Personalabbau geplant, allen voran in Ostdeutschland. GdP und DPolG fordern bundesweit mindestens 10.000 neue Stellen, möglichst aber 16.000. Sie betonen, selbst wenn sofort ein dickes Personalplus beschlossen würde, müssten die Leute noch ausgebildet werden. Deshalb sei es höchste Zeit zu handeln.

Kann man die Polizei auch von bestimmten Aufgaben entlasten?

Wendt fordert, der Polizei an einigen Stellen Arbeit abzunehmen. Künftig sollten sich zum Beispiel nicht mehr Beamte um die Begleitung von Schwertransporten kümmern, sondern Spezialfirmen. Auch Bluttests bei Alkoholsündern im Verkehr seien verzichtbar. Beides binde viel Personal. Aus den Reihen der Länderinnenminister kommt Zustimmung dazu. Die meisten Aufgaben kann die Polizei nach Experteneinschätzung aber nicht abgeben. Bei den Kontrollen an Flughäfen, wo seit Jahren private Dienstleister im Einsatz sind, hat man schlechte Erfahrungen gemacht: Zuletzt taten sich hier schwere Sicherheitsmängel auf.

Warum ist die Polizei überlastet?

Kriminalitätsbekämpfung, Verkehrsüberwachung, Schutz von staatlichen Stellen und Behörden, Absicherung von Demonstrationen und Großereignissen - die Polizei hat eine Vielzahl an Aufgaben. Die aktuelle Lage verschärft die Belastung: Die Vielzahl an Aufmärschen der islamkritischen Pegida-Bewegung in Dresden und anderen Städten - verbunden mit Gegendemonstrationen - bindet viele Kräfte. Allein in Dresden waren zuletzt 1600 Beamte aus mehreren Bundesländern im Einsatz. In Leipzig sollen es an diesem Mittwoch 4000 sein.

Seit den Anschlägen in Paris steht auch die Islamisten-Szene unter verstärkter Beobachtung. Doch hier stoßen die Behörden bereits an Grenzen. Die Zahl der sogenannten Gefährder, also Menschen, denen die Polizei zutraut, dass sie einen Terrorakt begehen könnten, ist mit 260 höher als je zuvor. Um einen von ihnen rund um die Uhr zu überwachen, wären laut Experten im Schnitt rund 40 Beamte nötig - hochgerechnet auf die gesamte Gruppe also rund 10.000. „Das ist utopisch“, sagt Wendt.

Würden mehr Polizisten auch automatisch mehr Sicherheit bringen?

Die Sicherheitsbehörden räumen ein, absoluten Schutz vor Anschlägen gebe es nicht. So etwas sei auch in Deutschland nicht auszuschließen. Vor allem vor Einzeltätern, die aus dem Nichts auftauchen, haben die Behörden Angst. Ziel sei aber, größtmöglichen Schutz zu garantieren, sagt Wendt. „Und da ist mehr möglich als bisher.“