Der Dokumentarfilmer Johan von Mirbach aus Villingen-Schwenningen, der mit seiner Familie in Köln lebt, hat das Thema "Unbezahlbare Pillen" verarbeitet. Foto: von Mirbach Foto: Schwarzwälder-Bote

Dokumentation: Johan von Mirbach legt Finger in die Wunde

Villingen-Schwenningen. Der selbstständige Journalist Johan von Mirbach aus Villingen-Schwenningen hat sich mit seinen Reisereportagen längst einen Namen gemacht (wir berichteten). Jetzt hat er sich an ein heikles Gesundheits-Thema rangewagt. "Unbezahlbare Pillen" heißt der 45-minütige Dokumentarfilm, der am Donnerstag, 7. September, 20.15 Uhr, in 3sat ausgestrahlt wird.

Mit seinem Kollegen Stephan Arapovic beleuchtet er, welche medizinische Behandlung zu welchen Kosten vorgenommen werden kann. Neben Reisereportagen und politischen Berichten, seien Wissenschaftsdokumentationen, die aktuelle Entwicklungen erklären, zu seinem zweiten Standbein geworden, berichtet von Mirbach.

Das Thema "Unbezahlbare Pillen" sei längst zu einer gesellschaftlichen Debatte geworden. Der Film, an dem er und Stephan Arapovic fast ein Jahr lang gearbeitet haben, wolle die Hintergründe erklären. Auslöser für die Dreharbeiten sei ein Artikel über die teure medizinische Forschung gewesen, den er gelesen habe, so von Mirbach. Auffallend sei gewesen, dass alle seine Interviewpartner starke Kritik an der Pharmaindustrie geübt hätten. Gerade bei Krebsmedikamenten habe sie es nicht geschafft, sie günstiger herzustellen.

Eine Monatsration zur Bekämpfung von Leberkrebs beispielsweise koste 5000 Euro und bringt eine durchschnittliche Lebensverlängerung von knapp drei Monaten. Die Kostenfrage bei Krebsleiden werfe weitere Fragen auf: Was ist mit Lifestyle-Erkrankungen wie Adipositas oder Bluthochdruck? Muss die Gesellschaft deren Behandlung bezahlen? Und Risikosportler? Finanzieren wir das Verletzungsrisiko bei teuren Freizeithobbys mit? Ist das Leben eines 30-jährigen Familienvaters mehr wert als das eines 80-Jährigen, der sein Leben lang in das Gesundheitswesen einbezahlt hat?

In England hat die Regierung das Problem ganz pragmatisch gelöst, mit dem Quality Adjusted Life Year. Nach einem Punktesystem wird entschieden, wie hoch die gesundheitliche Lebensqualität und die Lebenserwartung des Patienten sind. Je höher desto besser. Ein gut verdienender Vater von zwei Kindern würde dann noch behandelt. Wer aber schon älter ist, vielleicht im teuren Heim lebt, Rente bezieht und eine Therapie nur wenig Besserung bringen würde, sähen die Ärzte von einer Behandlung ab.

Das Dilemma ist offensichtlich: Für den Patienten zählt die reine Statistik nicht, wenn es ums Überleben geht. Er hofft, dass er derjenige ist, bei dem das Mittel anschlägt, und sei die Chance noch so gering. Für die Allgemeinheit geht es um die Finanzierung aller medizinischen Leistungen. Für die Mediziner um sinnvolle Behandlungen. Individuelle, gesamtgesellschaftliche und medizinische Interessen prallen aufeinander.

In der Dokumentation werden auch Wege aufgezeigt, wie die Politik Weichen stellen könnte, die Kosten – ohne auf Kosten der Patienten – zu senken. Eine Möglichkeit sieht von Mirbach in der staatlichen Forschung, dass ein Teil der Einnahmen wieder an die Universitäten zurück gegeben werden. Außerdem müssten die Ärzte besser informiert werden, welche Stoffe wann helfen. Dies herauszufinden, interessiere die Pharmaindustrie aber wenig.