Über die Feiertage ist der Keimboden für häusliche Gewalt besonders fruchtbar. Foto: John Gomez/Fotolia.com

Gerade beim Fest der Liebe ist das Frauenhaus eine gefragte Adresse.

Villingen-Schwenningen - Seit 13 Jahren gibt es das Frauenhaus im Schwarzwald-Baar-Kreis. Ein Weihnachten ohne Notruf haben die Ehrenamtlichen aus Villingen-Schwenningen aber noch nie erlebt. In vielen Fällen wird ausgerechnet das Fest der Liebe zur Zeit der Hiebe.

Feiertage und Ferien, immer dann, wenn die Familien und Partner besonders eng zusammenrücken, ist der Keimboden für häusliche Gewalt besonders fruchtbar. Es gibt Stress, Ausraster, Verbalattacken, und in vielen Fällen auch Schläge. Häufig sind es Frauen, die dann Reißaus nehmen oder nehmen müssen. Ihre Anlaufstelle: der Verein "Frauen helfen Frauen". Er hat seinen Sitz in Villingen-Schwenningen und betreibt, irgendwo im Landkreis, ein Frauenhaus – genauer: ein Frauen- und Kinderschutzhaus, denn viele Frauen bringen ihre Kinder mit.

Wohin genau, das ist streng geheim, um die Gewalttäter, vor welchen die Frauen flüchten, nicht auf deren Spur zu setzen. Denn die sind oft erfinderisch und lassen nichts unversucht, ihrer Partnerin auf die Schliche zu kommen – die Sozialarbeiterinnen bekamen schon Hinweise von der Polizei, dass ein gewalttätiger Mann sich in einem Fachgeschäft mit einer blonden Perücke ausgestattet habe, um unerkannt auf die Suche nach seiner Frau zu gehen.

In einem anderen Fall stiftete ein Familienclan eine andere Frau an, sich in das Frauenhaus einweisen zu lassen, um dann dem verschmähten Gatten den Ort zu verraten. Die Sache flog im Vorfeld auf, die Frauen von "Frauen helfen Frauen" haben ein feines Gespür und viel Fingerspitzengefühl – dort, wo die Würde einer Frau allzu grob angetastet wird.

"Der Papa schlägt die Mama wieder!"

Im Frauenhaus, einer Wohnung im Schwarzwald-Baar-Kreis, wohnen aktuell vier Frauen und sechs Kinder. Es ist damit voll belegt. Wie eigentlich immer, schildert Birgitta Schäfer aus dem Vorstand des Vereins. Jede Frau hat ein Zimmer mit Nasszelle und kleiner Kochgelegenheit, es gibt einen großen Gemeinschaftsraum, wo sich die Frauen begegnen können. Kein Luxus, aber ein sicheres Dach über dem Kopf. Dass Sicherheit mit Sicherheit nicht selbstverständlich ist, haben die Frauen hier am eigenen Leib erfahren müssen.

Durchschnittlich sechs Monate lang leben sie dann im Frauenhaus – die eine schafft den Bogen nicht und kehrt nach zwei Nächten schon wieder zurück zu ihrem Mann, der anderen gelingt der Absprung und sie baut sich, behütet von den Helferinnen im Frauenhaus, eine neue Existenz auf. Frust, wenn die Frau zurück zum schlagenden Mann geht?

Die Sozialarbeiterin, die ebenfalls aus Sicherheitsgründen nicht namentlich genannt werden darf, schüttelt den Kopf. Sie weiß, dass es häufig mehrerer Anläufe bedarf und versichert: "Unsere Tür steht immer offen." Tag und Nacht. 24 Stunden lang sind die Mitarbeiterinnen erreichbar. Häusliche Gewalt kennt keine Uhrzeit – und übrigens auch kein Milieu. So etwas kommt "überall und immer" vor, es sich einzugestehen aber falle Frauen der "gut situierten Spitze der Gesellschaft" unter Umständen sogar schwerer, sagt Birgitta Schäfer.

Und manchmal sind es offenbar nicht einmal die Frauen selbst, die auf ihr Unglück aufmerksam machen: "Uns haben auch schon Kinder angerufen." "Der Papa schlägt die Mama wieder", hieß es dann. In einem Fall, erinnern sich die Frauen, habe ein Vater die Mutter umbringen wollen – die Kinder hätten ihn davon gerade noch abgehalten. Solche Fälle gehen besonders nahe.

Doch wo anderen die Sprache fehlt, finden sie die richtigen Worte. Die Helferinnen rund um das Frauenhaus nennen die Dinge beim Namen, ohne aber den Vater als "den Bösen" zu stigmatisieren – denn im Idealfall finden am Ende alle Beteiligten zu einem friedvollen, respektvollen Auskommen miteinander. Aber manchmal, das wird in den Erzählungen der Frauen deutlich, gibt es auch kein Zurück mehr. Besagter Vater, der seine Frau habe umbringen wollen, habe später das Umgangsrecht mit seinen Kindern gefordert – "das haben wir jetzt erfolgreich verhindert", erzählt Schäfer. Erleichterung schwingt in ihrer Stimme mit.

Manchmal hilft nur die neue Identität weiter

Auch im Akutfall sind die Familien von einem respektvollen Umgang miteinander erst einmal meilenweit entfernt. Und nicht immer führt ihr Weg ins Frauenhaus. Zunächst, weiß Schäfer, finden Frauen in solchen Notsituationen auch erst einmal in ihrem Umfeld Hilfe – sie gehen zu Nachbarn, Freunden, Familie. Egal wie, "raus aus der Gewalt und in Sicherheit zu sein, das ist erst einmal das Wichtigste", betont auch Magdalene Schreiber von "Frauen helfen Frauen". Deshalb ist es häufig erst der zweite Weg, der von der Übergangsbleibe bei Freunden oder dem Klinikaufenthalt nach dem klischeehaften "Sturz" die Treppe hinunter, schließlich ins Frauenhaus führt.

"Das ist jetzt eine ganz andere Frau"

Wer hier lebt, kommt jedoch selten aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis. Organisationen wie "Frauen helfen Frauen" stehen bundesweit miteinander in Kontakt – je nach Gefährdungslage werden die Opfer von Gewalt auch einmal am anderen Ende der Republik in einem Frauenhaus untergebracht – in ganz harten Fällen inklusive neuer Identität. Vor einigen Jahren, als beispielsweise Razzien und Ermittlungen im Umfeld des zwischenzeitlich in Bosnien untergetauchten Villinger Rotlichtbosses Boki stattgefunden haben, war auch der Verein in Villingen-Schwenningen extrem gefordert. Frauen aus dem Rotlichtmilieu wurden zu ihnen gebracht – und noch am gleichen Tag, inklusive neuer Identität weitervermittelt in eine andere Region, weit entfernt. Dort begann ihr neues Leben.

Wenn das gelingt, ist das die wohl beste Motivation weiterzumachen. So wie im Fall einer jungen Frau aus der Sowjetunion. Sie hatte einen Mann im Internet kennengelernt. Man traf sich. Er schwängerte sie. Sie folgte ihm nach Deutschland. Doch schon in der Schwangerschaft begann der Teufelskreis: Der Mann misshandelte die junge Frau wieder und wieder und wieder. "Sie wollte gleich zurück, als das Kind kam. Er sagte zu ihr: ›Du kannst gehen, aber das Kind bleibt hier.‹" Also blieb auch die junge Mutter, landete zweimal im Frauenhaus, ging zweimal zurück zu dem reumütigen Mann mit Armen voll roter Rosen.

Aber irgendwann hat sie den Absprung doch noch geschafft. Und heute? "Das ist jetzt eine ganz andere Frau, sie hat ein ganz neues Selbstwertgefühl", erzählt die Sozialarbeiterin strahlend und schildert, wie sie es anfangs kaum glauben konnte, dass die vor ihr stehende Frau dieselbe war, wie jene von der Gewalt gebeugte damals.

Weitere Informationen: Die Beratungen des Vereins sind kostenlos. Hilfe finden Betroffene unter 07721/54400 rund um die Uhr. Weitere Details unter www.fhf-sbk.de

Info: Heckenrose

Im November 2015 startete der Verein "Frauen helfen Frauen" das Projekt "Heckenrose". Das Ziel: Mütter den Kindern wieder näher zu bringen. Gerade in der Krise nach häuslicher Gewalt und einem Aufbruch in eine ungewisse, verwirrende Zukunft, dreht sich das Bewusstsein der Betroffenen sehr häufig fast ausschließlich um ihre Situation.

In dem Projekt bereiten Sozialarbeiter Nachmittage für Mütter und Kinder im Frauenhaus, aber auch aus der Nachsorge. Gemeinsam wird gespielt, gebastelte, Schönes erlebt. "Es geht viel um Achtsamkeit, man muss kleine Schritte tun", weiß die Sozialarbeiterin des Vereins und auch, wie wichtig es ist, einmal etwas anderes zu tun, "als sich vor Gewalt zu schützen".