Stau, Gedränge – und eine zugeparkte Feuerwehrausfahrt: Mit den sogenannten Elterntaxis, so wie hier vor der Schwenninger Gartenschule, haben Schulen in ganz VS ein Problem. Foto: Bienger

"Elterntaxis" für Rektoren verschiedener Schulen in VS unverständlich: "Chauffiererei" gefährdet andere. Mit Kommentar.

Villingen-Schwenningen - Mit dem "Elterntaxi" zur Schule und zurück: Aus Bequemlichkeit und Angst werden Kinder oft direkt vor dem Haupteingang abgesetzt. Für viele Rektoren in VS untragbar – denn das Verkehrschaos gefährdet die anderen.

Es ist Nachmittag, 16 Uhr, Schulschluss in der Schwenninger Gartenschule. Zwischen wuselnden Kindern und Eltern quetscht sich alle paar Sekunden ein Auto durch die ohnehin schon enge Bildackerstraße. Das absolute Halteverbot vor der Feuerwehrwache nebenan wird ignoriert. Sollte die Feuerwehr gerade jetzt ausrücken müssen, sie hätte ein echtes Problem.

Ein echtes Problem mit den sogenannten Elterntaxis haben vor allem die Schulen, und zwar so ziemlich alle, sagt Hans-Joachim Bürner, Rektor der Villinger Bickebergschule. Er selbst kann, ähnlich wie seine Kollegen Wolfgang Zöphel von der Gartenschule und Rainer Beha (Karl-Brachat-Realschule Villingen), ein Lied davon singen. "Manche Eltern würden ihre Kinder am liebsten im Klassenzimmer mit dem Auto abholen", ärgert sich der Schulleiter, der schon häufig versucht hat, an die Vernunft der Eltern zu appellieren – bislang ohne Erfolg: "Viele sind da beratungsresistent", fasst Bürner zusammen, was seine Kollegen denken, und fügt hinzu: "Das ist eine völlig falsch verstandene Form der Hilfe."

Denn vielen Eltern sei nicht bewusst, dass der Schulweg gerade durch ihr rücksichtsloses Verhalten noch gefährlicher wird. Das sagt zumindest das Ergebnis einer ADAC-Studie aus dem Jahr 2012. Demnach werden Kinder häufig durch riskante Wendemanöver oder regelwidriges Anhalten vor den Schulgebäuden Opfer von Verkehrsunfällen. Ein Wunder also, dass es bisher, sagt Bürner, "nur" zu Beinahe-Unfällen gekommen ist.

Bürner und seine Kollegen sind sich einig: Vor allem Bequemlichkeit spiele eine Rolle. "Wenn man ein bisschen weiter vorne halten würde, wäre die Situation entschärft; man müsste nur zwei Minuten laufen", sagt Rainer Beha, der häufig beobachtet, dass Eltern das absolute Halteverbot vor dem Gebäude ignorieren. Sein Kollege Zöphel vermutet zudem "eine Art Angst", die die Mütter und Väter umtreibt – dies sei zwar verständlich, doch "das Überbehütetsein tut den Kindern nicht gut."

In der Tat scheint diese Angst in den vergangenen Jahren zugenommen zu haben. Viele Eltern geben an, ihre Kinder nicht alleine zur Schule und zurück laufen lassen zu wollen: "Der Weg ist zu weit" und "Der Verkehr ist zu gefährlich" sind die Antworten, wenn man die Eltern selbst fragt. Eine Mutter, die ihre neunjährige Tochter gerade mit dem Auto abgeholt hat, sagt: "Ich würde sie nie alleine laufen lassen. Der Bus ist auch keine Option. Es gibt zu viele pädophile Menschen auf der Welt, immer wieder verschwinden Kinder. Das ist mir einfach zu gefährlich."

Auch der Gesamtelternbeirat hat sich schon mit dem Thema beschäftigt, ist jedoch angesichts der Wirkungslosigkeit bisheriger Maßnahmen – etwa wenn Eltern Abmahnungen von Ordnungsamt-Mitarbeitern ignorieren – ratlos. Vorsitzende Karin Kohnle-Özdag sagt jedoch auch: "Die Infrastruktur zwingt viele dazu, ihre Kinder mit dem Auto abzuholen, gerade diejenigen, die auf den Ringzug angewiesen sind." So mancher Fußweg zur Schule entlang einer vielbefahrenen Straße sei zudem unzumutbar: "Auch die Stadt muss lernen, dass nicht nur Autofahrer, sondern auch Fußgänger zu den Verkehrsteilnehmern gehören."

Kommentar: Rücksichtslos

Von Alicja Bienger

Gehupe, Gedränge, Stau: Vor vielen Schulen geht’s zu wie kurz vor dem Weltuntergang. Weil Eltern ihre Kinder vor den Gefahren des Straßenverkehrs schützen wollen, gefährden sie rücksichtslos diejenigen, die Schul- und Nachhauseweg ohne Motorkraft antreten. Und weil der Weg zum nächsten Parkplatz vielen zu weit ist, wird eben flugs im Halteverbot geparkt. Appelle, Schilder und Knöllchen zeigen offenbar keine Wirkung. Angesichts der Tragweite des Problems fordert der ADAC die Einrichtung sogenannter »Elterntaxi-Haltestellen«, die mindestens 250 Meter von der Schule entfernt sind. Ob das was nützt, ist fraglich – schließlich ist die Versuchung groß, gegen die Regeln zu verstoßen, wenn gerade keiner hinguckt. Vielleicht sollte manch einer an die eigene Schulzeit zurückdenken – als das Wort »Elterntaxi« noch so fremd war wie Smartphone.