Villingen-Schwenningen - Nicht jeder Gastronom knipste am Montag das Licht wieder an. Wer es wagte, tat es teils mit einem Kloß im Hals. Zu groß sind Unsicherheiten zu den Hygienevorschriften und die Angst davor; bei Verstößen saftige Strafen zahlen zu müssen. Doch die Stadt beschwichtigt: "Wir kommen sicher nicht mit der Keule."

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Das kurze Gespräch könnte auch im Mai 2019 mit dem Schwarzwälder Boten geführt worden sein. "Ich hab jetzt keine Zeit, bin mitten im Kochen", sagt der Küchenchef freundlich, aber bestimmt. "Rufen Sie bitte wieder nach 14 Uhr an."

Und doch markiert der 18. Mai für die örtlichen Gastronomiebetriebe eine Zäsur. Während der Koch wie gewohnt am Herd steht, Steaks brät oder Tagliatelle zubereitet, nimmt der erste Tag in der Woche doch nach ganz neuen Spielregeln seinen Lauf. Inhaber oder Servicepersonal kümmern sich nicht nur um das Wohl der Gäste, sondern müssen mit der Wiedereröffnung auch viele Vorgaben der Corona-Hygienevorschrift beachten. Für die ohnehin krisengebeutelte Branche kein Leichtes. Zum einen empfinden nicht wenige Gastronome die Vorschriften als viel zu "schwammig" (wir berichteten), zum anderen lassen manche auch nach reiflicher Überlegung ihr Lokal lieber zu: "Öffnen ist für uns teurer als weiterhin schließen."

Vorschriften viel zu vage?

Klaus Fehrenbach gehört zu den Gastronomen, der den Schritt wagt und sein Café Villa in Villingen nach acht Wochen wieder an den Start lässt, wenn auch mit gemischten Gefühlen. Die Vorschriften sind auch ihm viel zu vage, und die Gäste, ergänzt er, wüssten überhaupt nicht, unter welchen Voraussetzungen die Gastronome wieder öffnen durften. Was das Hygienekonzept beinhalte, sei allgemein viel zu wenig bekannt. Vorgabe ist nicht nur, dass Inhaber oder Servicepersonal jeden Gast zum Tisch führen müssen, da die Eineinhalb-Meter-Abstände akkurat einzuhalten sind.

Gastronome müssen auch die Personalien ihrer Gäste aufnehmen, falls ein Café-oder Restaurantbesucher krank werden sollte; zudem müssen diese auf einer Liste eintragen, wann sie das Lokal betreten haben. Die Daten sollen einen Monat aufbewahrt werden. Was, wenn Gäste nicht mitziehen und sich weigern, persönliche Daten preiszugeben? "Dann gibt es kein Getränk, kein Essen", heißt die klare Ansage aus der Branche. Gäste auf Desinfektionsmittel hinweisen, Personalien aufnehmen: Auch für Guiseppe Garofalo fing der Tag im Sudhaus in Villingen anders als gewohnt an. Eigentlich ist er ganz zufrieden: "Ich habe es mir schlimmer vorgestellt." Aufatmen kann er auch aus anderem Grund: Der Vermieter habe sich kulant gezeigt und ihm angeboten, die Miete deutlich zu reduzieren. Nicht jeder Gastronom hat diese Erfahrung gemacht.

Ein Drittel weniger Plätze

Die Szenerie in VS hat etwas Unrealistisches. Wo sich früher Gäste eng an eng und fast schon Nase an Nase den Außenbereich teilten und auch in den Innenräumen fast alle Tische eng belegt waren, fallen sofort die Lücken, Markierungslinien und Schilder ins Auge: Von Tischkante zu Tischkante müssen es eineinhalb Meter sein. Für Inhaber bedeutet dies im Schnitt ein Drittel weniger Plätze und damit deutlich weniger Einnahmen.

Auch für Klaus Fehrenbach sieht die Rechnung eher ernüchternd aus: Draußen können nur zehn Plätze belegt werden, früher waren es an die 30 Plätze, und im Innern verteilen sich auf den großzügig bemessenen Café-Raum gerade mal knapp 20 Gäste, statt der üblichen 60, um eine Latte Macchiato zu trinken oder einen Toast zu essen. Kann man so auf Dauer überleben? Nicht nur Klaus Fehrenbach wird ernst und gibt zu: "Es wird hart."

Michael Steiger, Kreisvorsitzender des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes im Kreisgebiet, malte erst unlängst düstere Prognosen: Ein gutes Drittel der Betriebe werde die Krise wohl nicht überleben.

Was, wenn ein Gast die Regeln nicht einhält?

Weniger Gäste, weniger Umsatz. Neben existenziellen Sorgen plagt die Gastronomie noch eine andere Angst. Was passiert, wenn ein Gast sich nicht an die Vorgaben hält? Denn immerhin, so heißt es generell, sind die Betriebsinhaber ja verantwortlich, dass Regeln und Hausordnungen eingehalten werden.

Doch was käme auf Café- oder Restaurantbesitzer zu, wenn in ihrem Betrieb gegen Hygienevorschriften verstoßen würde? Ein spezieller Bußgeldkatalog für die Gastronomie gibt es noch nicht. Die Strafen bei Verstößen gegen das Infektionsschutzgesetz können jedoch saftig werden. Zwar spielt sich das Ahnden von Verstößen (zum Beispiel das Nichteinhalten von Abständen) im niederen vierstelligen Bereich ab, doch im Wiederholungsfall können Beträge in Höhe von bis zu 25 000 Euro fällig werden.

Ein Damoklesschwert, das da über den Wirten schwebt? Wie handhabt die Stadt, das Bürgeramt um genau zu sein, etwaige Verstöße, gerade in der Startphase? Sicherlich seien die Mitarbeiter des Kommunalen Ordnungsdienstes wie in den vergangenen Wochen wieder in den Innenstädten unterwegs und schauen nun auch auf die Gastronomiebetriebe, erläuterte Oxana Brunner, Pressesprecherin der Stadt VS.

Es hagelt keine Knöllchen

Gibt es gleich beim ersten Verstoß die Quittung? Pauschal, so Brunner, ließe sich diese Frage nicht beantworten. Man werde versuchen, im Gespräch gemeinsam eine Lösung zu finden. Am Tag eins hagle es noch keine Knöllchen. "Mit der Keule kommen wir sicherlich nicht." Aber "als Bürgeramt sind wir nun mal verantwortlich dafür, dass die Regeln eingehalten werden". Die Stadt werde alles tun, um offene Punkte zu klären und die örtlichen Gastro-Betriebe generell unterstützen. Wenn Heico Plazek (Wagnerei Schwenningen) das Wort Unterstützung hört, dann fällt ihm eigentlich nur eines ein. "Wir Gastronome freuen uns auf die Gäste und hoffen darauf, dass sie auch kommen. Denn kein Rettungsschirm der Welt hilft uns, wenn die Gäste ausbleiben."

Kommentar: Ran an die Buletten

Kurzes Gespräch an der Tankstelle: "Wie freue ich mich darauf, endlich wieder in einem Biergarten zu sitzen." So wie dem Mittvierziger geht es uns doch allen. Mit jeder Woche Lockdown sehnten wir uns mehr die Zeiten herbei, in denen es Alltag war, ein Pils und ein Schnitzel zu bestellen und sich einfach an einen gedeckten Tisch zu setzen. Nun wagen einige Gastronome den Wieder-Start, unter erschwerten Bedingungen. Was können wir Gäste tun, um die Betriebe zu unterstützen? Wir kommen, halten uns an die Vorgaben ohne Murren und bleiben nicht zuhause. Wir sollten uns auf Neuerungen einlassen, wenn Gastronome ihre Essenszeiten ausdehnen, um Umsatzeinbußen durch automatisch sinkende Gästezahlen aufzufangen. Wir Gäste können zwar nicht an der Pachtschraube drehen, aber wir können Start-Hilfe geben. Also ran an die Buletten.