Stuttgart - Seit fünf Jahren spielt Georg Niedermeier in Stuttgart, ruhige Zeiten hat er beim VfB aber selten erlebt. Vor dem Finale einer verkorksten Saison mahnt er eine schonungslose Analyse an.  „Ich hoffe, dass alle gewillt sind, die Fehler aufzuarbeiten“, sagt er – und hat auch zu anderen Fragen eine klare Meinung.


Zieht der VfB seine Lehren?


Seit der Klassenverbleib geschafft ist, hört man beim VfB Sätze, wie sie auch 2011 gesprochen wurden. Auch damals ist der Abstieg gerade so vermieden worden, gebessert hat sich seitdem nicht wirklich etwas. Klappt es diesmal mit der schonungslosen Analyse und den entsprechenden Veränderungen? Zuletzt forderte Stürmer Martin Harnik, die Verantwortlichen müssten das Ohr näher an der Mannschaft haben, um Fehlentwicklungen schneller zu erkennen.

Georg Niedermeier dazu: „Vor drei Jahren kam mir die Situation nicht derart brenzlig vor wie diesmal, wir sind mit zwei blauen Augen davongekommen. Ich hoffe einfach, dass alle Beteiligten noch einmal hellhörig geworden und nun gewillt sind, die Fehler aufzuarbeiten. Ob da jeder bereit dazu ist, weiß ich nicht. Ich bin jetzt seit fünf Jahren in Stuttgart, es war immer unruhig und wechselhaft. Wir brauchen einfach eine konstante Basis, an der wir dann feilen können. Der Verein muss eine Vision haben, wie ein Team aussehen soll, da braucht es Weitsicht und Konstanz.“

Der Abwehrspieler spricht in seiner Analyse viel über Konstanz und meint damit vor allem, dass die Mannschaft ein Gerüst von Führungsspielern braucht, die Vertrauen genießen und dadurch für Stabilität sorgen können. Die Rahmenbedingungen hält er in Stuttgart für top, interne Querelen hätten aber immer wieder dafür gesorgt, dass vermeintlich schwächer besetzte Teams am VfB vorbeigezogen sind. Zuletzt habe sich aber einiges in die richtige Richtung verändert.

Wie viel Jugendstil verträgt der VfB?


Mit dem Trainerwechsel von Bruno Labbadia zu Thomas Schneider war beim VfB Stuttgart der Jugendstil eingekehrt. Routinierteren Spielern wurde teils das Vertrauen entzogen. Die Verantwortlichen duldeten die Maßnahmen, da sie scheinbar perfekt zum wieder angestrebten Club-Image passten. Das Ende ist bekannt: Anfang März musste Schneider gehen, Nachfolger Huub Stevens ordnete das Team neu, verzichtete zwar nicht auf Nachwuchskräfte, baute aber auch auf die erfahrene Riege um Niedermeier und Martin Harnik.

Georg Niedermeier dazu: „Ich will nicht nachkarten, aber ich denke, in den vergangenen Spielen hat man gesehen, wie man in der Bundesliga mithalten kann. Wenn beim VfB solide und konstant gearbeitet wird, dann sollten wir unter den ersten zehn vertreten sein – und weil wir in Stuttgart immer über gute Jugendspieler verfügen, kann das Gerüst des Teams nach und nach ergänzt werden. Ich glaube, so etwas ist ein Prozess, da muss sich ein Verein entwickeln.“Daniel Didavi (24) und Carlos Gruezo (19) haben sich unter Trainer Huub Stevens zu Stammspielern entwickelt, Timo Werner (18) ist Edeljoker, Antonio Rüdiger (21) erstmals für die A-Nationalmannschaft nominiert worden. Viel mehr junge Spieler werden vorerst aber wohl nicht ins Bundesligateam eingebaut. Erster Neuzugang für die neue Saison ist der 27-jährige Florian Klein.

Welche Klasse steckt im Team?


Nach 2011 ist der VfB erneut in Abstiegsgefahr geraten, was die Frage nach der Qualität nach sich zieht. Außer Daniel Schwaab hat keiner der im Sommer geholten Spieler überzeugt. Mohammed Abdellaoue steht vor einer Rückkehr zu Hannover 96, auch der Verbleib von Konstantin Rausch und Vedad Ibisevic ist fraglich.

Georg Niedermeier dazu: „Ich denke nicht, dass diese Mannschaft einen radikalen Umbruch nötig hat. Wir haben gute Typen und Charaktere im Team. Man hat zuletzt immer gesehen, dass da eine Mannschaft auf dem Platz steht, in der jeder den anderen unterstützt. Hinter den Bayern und Borussia Dortmund sollten wir uns mit allen anderen messen können. Dafür müssen wir das perfektionieren, was wir zuletzt gezeigt haben.“ Arthur Boka, Cacau und Ibrahima Traoré gehen, Rechtsverteidiger Florian Klein kommt, am Schweizer Valentin Stocker besteht Interesse. Für die Sechserposition wird man sich nicht allein auf Carlos Gruezo verlassen wollen, auch im Sturm gibt es Bedarf.

Bleibt Stevens?


Die Trainerfrage wird beim VfB nach dem Saisonfinale geklärt. Generell schwebt Präsident Bernd Wahler eine Lösung à la Thomas Tuchel vor. Der Mainzer Coach ist aber wohl nicht zu bekommen. Zunächst schien es, als plane der VfB daher eine Übergangszeit mit Huub Stevens, zuletzt deuteten die Signale aber eher auf eine Trennung zum Saisonende. Die Mannschaft jedoch hat den autoritären Niederländer in den vergangenen Wochen schätzen gelernt.

Georg Niedermeier dazu
: „Huub Stevens hat nach seiner Amtsübernahme sofort erkannt, dass er die Defensive stabilisieren muss. Und er hat innerhalb von nicht einmal zwei Monaten wieder eine Hierarchie in die Mannschaft bekommen. Ich würde mich daher freuen, wenn es mit diesem Trainer weitergehen würde. Er ist eine Persönlichkeit, die es schaffen könnte, die nötige Konstanz herzustellen. Aber letztlich muss das natürlich der Verein klären.“ Zuletzt deutete vieles darauf hin, dass Meistertrainer Armin Veh zum VfB zurückkehrt.

Wie läuft das Saisonfinale?

Beim VfB sind sie heilfroh, dass im letzten Saisonspiel beim FC Bayern München keine Punkte für die Rettung mehr nötig sind. So geht es beim deutschen Meister, der nach der Partie die Schale überreicht bekommt, nur noch um einen einigermaßen versöhnlichen Abschluss. Für Georg Niedermeier ist es eine Reise in die Vergangenheit. München ist seine Heimatstadt, er wurde in der Jugend des FC Bayern ausgebildet.

Georg Niedermeier dazu: „Diesen Saisonabschluss zu haben ist mir persönlich sehr wichtig, nicht nur weil es ein Spiel in meiner Heimatstadt ist. Mit einem ordentlichen Auftritt könnten wir den Fans etwas zurückgeben. Außerdem ist es schon reizvoll, mal wieder ohne diesen enormen Druck spielen zu können. Die Aussichten sind natürlich nicht rosig, aber wir fahren hin, um die Bayern ein bisschen zu ärgern.“ Wegen einer Knieprellung konnte Georg Niedermeier diese Woche nur eingeschränkt trainieren. Das Abschlusstraining hat er aber mit der Mannschaft bestritten.