Das Aroma von Chips kann von Tieren stammen. Foto: Fotolia

In vegetarischen oder veganen Produkte können tierische Zutaten stecken. So entdeckt man sie.

Stuttgart - „Geeignet für die vegane Ernährung“, steht auf den Gemüsestäbchen im Tiefkühlfach. Vegetarierin Tine W. legt das Produkt in ihren Einkaufswagen. Doch beim Anbraten zu Hause vergeht ihr der Appetit: „Mir stieg unangenehmer Fischgeruch in die Nase. Und dann lese ich auf der Verpackung, dass das Produkt im selben Werk wie Fischstäbchen hergestellt wird und deshalb Fischeiweiß enthalten kann.“ Tine W. entsorgt ihr Abendessen im Müll.

Kein Einzelfall. Überzeugte Vegetarier oder Veganer haben es tatsächlich schwer, verarbeitete Lebensmittel zu finden, die wirklich frei von den Zutaten sind, auf die sie bewusst verzichten wollen. Beim Beschwerdeportal Lebensmittelklarheit und bei den Verbraucherzentralen gehen deshalb immer mehr Klagen wegen mangelhafter Kennzeichnung oder irreführender Werbung ein.

Woher kommen die Probleme bei der Kennzeichnung?

Woher kommen die Probleme bei der Kennzeichnung?
Anders als etwa für Bioprodukte gibt es kein gesetzlich definiertes Label für Produktkennzeichnungen wie „vegetarisch“, „vegan“ oder „rein pflanzlich“. „Das bedeutet, dass die Hersteller selbst festlegen, was sie unter diesen Begriffen verstehen. Und es wird auch nicht von einer neutralen Instanz überprüft“, sagt Christiane Manthey, Ernährungsexpertin bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg.

Was sind die häufigsten Fallen?

Was sind die häufigsten Fallen?
Ein Problem ist, dass Kunden bei manchen Produkten gar nicht auf die Idee kommen, dass sie für sie unerwünschte Zutaten enthalten könnten. „So kann in Gemüsebrühe beispielsweise Hühnereiweiß stecken“, sagt Ernährungsexpertin Manthey.
     Doch der Blick auf die Zutatenliste reicht nicht. „Bei Zusatzstoffen, Aromen, Vitaminzusätzen und Verarbeitungshilfen muss nicht angegeben werden, ob sie tierischer Herkunft sind“, sagt Manthey. So wird Schweinegelatine beispielsweise als Trägerstoff für Vitamine eingesetzt. Und das Mehlbehandlungsmittel L-Cystein wird aus Schweineborsten hergestellt und kann in Brot stecken. Solche Kennzeichnungslücken stellen auch für Muslime ein Problem dar, die Produkte vom Schwein aus religiösen Gründen ablehnen.

Worauf sollten Vegetarier und Veganer beim Einkauf achten?

Worauf sollten Vegetarier und Veganer beim Einkauf achten?
„In Prinzip muss man bei allen verarbeiteten Lebensmitteln erst einmal damit rechnen, dass sie Zutaten tierischen Ursprungs enthalten können“, sagt Christiane Manthey. Das bedeutet, sich weder von Bildern einer Gemüsepfanne auf der Vorderseite blenden zu lassen noch von Versprechen wie „rein pflanzlich“, sondern die Zutatenliste gründlich zu lesen.

Eine verlässliche Orientierung bietet das V-Label. Bevor der Vegetarierbund Deutschland diese Kennzeichnung vergibt, prüft er, ob die Produkte tatsächlich kein Fleisch, keine Gelatine, keine Knochen und Schlachtfette enthalten. Dabei werden sämtliche Zutaten und Verarbeitungshilfsstoffe berücksichtigt.

Sind sich Kunden bei Produkten ohne V-Label unsicher, ob sie tierfrei sind, lohnt eine Nachfrage beim Hersteller. „Er ist zwar nicht zu einer Antwort verpflichtet. Aber wenn keine kommt oder diese mich nicht überzeugt, würde ich künftig ein anderes Produkt kaufen“, sagt Silke Schwartau, Ernährungs-Expertin bei der Verbraucherzentrale Hamburg.

Wie gesund sind verarbeitete vegane Produkte?

Wie gesund sind verarbeitete vegane Produkte?
„Nachdem viele verunsicherte Verbraucher bei uns angefragt haben, wie gesund verarbeitete vegane Lebensmittel sind, haben wir 20 Produkte genauer unter die Lupe genommen“, sagt Verbraucherschützerin Schwartau. Bei vier der Lebensmittel wurde ein bis zu 60 Prozent höherer Fettanteil entdeckt als bei vergleichbaren nichtveganen Produkten – darunter eine Schlagsahne und ein Feta-Käse. „Fett ist nun mal Geschmacksträger, und wenn ich auf tierische Bestandteile verzichte, muss das Aroma woanders herkommen“, sagt Schwartau. Zwar würden die meisten Veganer insgesamt weniger Fett essen als Menschen, die gern mal in eine Bratwurst beißen. „Trotzdem sollten manche dieser Produkte nicht zu häufig auf einem gesunden Speiseplan stehen.“

Auch bei Aromen und Zusatzstoffen schnitten viele der untersuchten Produkte nicht besser ab als herkömmliche Lebensmittel. „Anders wäre ein annehmbarer Geschmack gerade bei Fleisch-, Wurst- und Käseimitaten gar nicht möglich.“

Was können Kunden tun, wenn sie ein falsch deklariertes Produkt entdecken?

Was können Kunden tun, wenn sie ein falsch deklariertes Produkt entdecken?
Wer sich durch die Aufmachung oder Kennzeichnung eines verarbeiteten Lebensmittels getäuscht sieht, kann das Produkt beim Portal www.lebensmittelklarheit.de des Verbraucherzentrale-Bundesverbands melden. Nach Prüfung wird der Hersteller um eine Stellungnahme gebeten. Beides wird auf dem Portal veröffentlicht.

Auch Tine W. hat sich mit ihren fischigen Gemüsestäbchen an das Portal Lebensmittelklarheit gewandt. Mit kleinem Erfolg: Der Hinweis „geeignet für die vegane Ernährung“ ist inzwischen von der Verpackung verschwunden. Der Hersteller schreibt in seiner Stellungnahme jedoch auch: „Da die Gemüsestäbchen weiterhin in derselben Fertigungslinie wie Fischstäbchen hergestellt werden, ist nie ganz auszuschließen, dass ganz geringe Mengen Fisch vorhanden sind.“ Tine W. kauft deshalb ein anderes Produkt.