Die Einwohner der Region Stuttgart verfügen über eine Kaufkraft, die deutlich über dem bundesweiten Schnitt liegt. Foto: Peter Petsch

Wirtschaftsförderung und City-Initiative Stuttgart sehen den Einzelhandel gut aufgestellt. Doch um dem Konkurrenzkampf durch Einkaufszentren und Internethandel zu begegnen, müssen die Einzelhändler zusammenhalten.

Stuttgart - Im Stuttgarter Einzelhandel geben die Kunden in der Region mit Abstand das meiste Geld aus. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Analyse der Industrie- und Handelskammer (IHK). Knapp ein Drittel des gesamten Umsatzes der Region wird in der Landeshauptstadt gemacht, gefolgt von den Landkreisen Ludwigsburg und Esslingen. Die Einwohner aller Landkreise der Region und der Landeshauptstadt verfügen laut Analyse über eine Kaufkraft, die deutlich über dem bundesweiten Durchschnitt liegt.

Bei der Anziehungskraft liegt Stuttgart im Deutschlandvergleich auf Rang vier, hinter Hannover, Nürnberg und Köln. Im Jahr 2011 war es noch der dritte Platz. Die Rubrik bedeutet, dass in der Landeshauptstadt mehr Geld ausgegeben wird, als den Einwohnern zur Verfügung steht.

City-Managerin Bettina Fuchs von der City-Initiative Stuttgart (Cis) überrascht das nicht: „Der sehr gute vierte Platz ist das Ergebnis der starken Wirtschaftskraft der Region Stuttgart.“ Doch nicht nur die großen Städte sind für die Kunden attraktiv. Auch Backnang, Ludwigsburg, Geislingen/Steige, Sindelfingen und Fellbach sind Kundenmagneten. Hier erzielen die Einzelhändler etwa anderthalbmal mehr Umsatz, als nach der Kaufkraft zu erwarten wäre.

Einwohner des Landkreises Böblingen die wohlhabendsten der Region

Doch die Analyse der Kammer zeigt bei all den positiven Ergebnissen auch einen Trend, der der IHK Sorge bereitet. Denn die Kaufkraft sagt noch nichts darüber aus, wie viel auch tatsächlich im örtlichen Einzelhandel ausgegeben wird. Der gesamten Kaufkraft in der Region mit 16,36 Milliarden Euro stehen die Umsätze im stationären Einzelhandel mit rund 13,95 Milliarden Euro gegenüber. Demnach gehen der Region Stuttgart 2,4 Milliarden Euro verloren, weil die Bewohner dieses Geld in anderen Regionen, im Internet oder im Versandhandel ausgeben. Nur Stuttgart und die Landkreise Göppingen und Böblingen weisen Pro-Kopf-Umsätze über dem Bundesdurchschnitt auf. Dabei liegt Stuttgart mit 6845 Euro deutlich über den Umsätzen der Landkreise. Als Metropole zieht Stuttgart auch Kunden aus den Räumen Heilbronn, Ulm, Tübingen, Reutlingen und Pforzheim an.

Statistisch gesehen sind die Einwohner des Landkreises Böblingen die wohlhabendsten der Region, gefolgt von den Bewohnern der Kreise Esslingen, Stuttgart und Ludwigsburg. Pro Kopf geben die Böblinger 6210 Euro pro Jahr im Einzelhandel aus – und damit 700 Euro mehr als der durchschnittliche Bundesbürger. Doch in den Böblinger Geschäften landen nur 5105 Euro pro Kopf. Stuttgart und der Landkreis Göppingen liegen daher vor dem Landkreis Böblingen, wenn man vom Einzelhandelsumsatz pro Einwohner ausgeht.

Wenn im Herbst 2014 die neuen Einkaufszentren Milaneo und Gerber eröffnen, wird der Konkurrenzdruck für den innerstädtischen Handel noch größer. „Die Kaufkraft lässt sich nicht unendlich vermehren“, sagt Martin Eisenmann, der bei der IHK für die Analyse zuständig ist. Das Gerber schätzt er nicht als problematisch für die Innenstadt-Geschäfte ein, wohl aber das Milaneo. Denn während das Gerber zwischen der Marien-, Sophien-, Tübinger und Paulinenstraße in integrierter Lage entsteht, ist das Milaneo am Mailänderplatz seiner Meinung nach zu weit entfernt von der Königstraße. „Das Milaneo ist überdimensioniert. Der Kunde kann dort parken und alles erledigen und wird dadurch aus der Innenstadt herausgelenkt“, sagt Eisenmann. „Wir können das Milaneo nicht mehr ändern, daher müssen die Einzelhändler das Beste daraus machen.“ Er rät den Einzelhändlern rund um die Königstraße, sich für die Kunden attraktiv zu halten und nach außen hin geschlossen aufzutreten.

Luxussegmente sollen Kunden binden

„Wir sind überzeugt, dass die schon heute sehr hohe Attraktivität der Stuttgarter City sich gegenüber dem Milaneo behaupten wird“, sagt Bettina Fuchs. Das Gerber werde sich wegen seiner Lage sehr gut integrieren und das Quartier Gerberviertel beleben und stärken. Sie rät den Unternehmen in der Innenstadt ebenfalls, sich gemeinsam aufzustellen, verbesserte Service-Angebote sowie spannende Einkaufserlebnisse für die Kunden anzubieten. „Dies kann durch gemeinschaftliche Öffnungszeiten, aber auch durch besondere Aufenthaltsqualitäten geschehen“, so die City-Managerin. Ein Teil der Kaufkraft sei sicherlich wegen der noch fehlenden Luxussegmente abgewandert, die jedoch mit dem Dorotheenquartier am Karlsplatz, das Breuninger derzeit plant, in Zukunft für Kundenbindung sorgen sollen.

„Voraussetzung dafür, dass Stuttgart attraktiv bleibt, ist eine hohe Qualität der Geschäfte wie auch der öffentlichen Aufenthaltsbereiche, so dass der Kunde Lust zum Einkaufen in der Stadt hat“, sagt Ines Aufrecht, Leiterin der Abteilung Wirtschaftsförderung im Stuttgarter Rathaus. Damit werde ein Gegengewicht zum Einkauf im Internet oder im Versandhandel gesetzt. Hinzu kommt, dass Quartiersentwicklungen als Verlängerung der Fußgängerzonen – wie es beim Gerber der Fall sein wird – Nebenlagen aus dem Nischendasein befreien und mit den etablierten Einkaufsadressen verbinden werden. Die Stuttgarter Einzelhändler sind ihrer Meinung nach hervorragend organisiert und müssten auch zukünftige Konkurrenz nicht fürchten.