Städtische Behindertenbeauftragte: Ursula Marx. Foto: Leif Piechowski

Seit November 2012 tritt Ursula Marx als Beauftragte der Stadt für die Belange von Menschen mit Behinderung ein. Ihre erste Bilanz zeigt: Ihre Hilfe ist gefragt.

Seit November 2012 tritt Ursula Marx als Beauftragte der Stadt für die Belange von Menschen mit Behinderung ein. Ihre erste Bilanz zeigt: Ihre Hilfe ist gefragt.

Stuttgart - Ursula Marx (69) arbeitet am Anschlag. Oder wie sie es formuliert, „an der Oberkante“ des Ehrenamtes. Vor 15 Monaten hätte sie sich vermutlich nicht träumen lassen, dass sie so sehr gebraucht wird. Seit November 2012 tritt sie als Beauftragte der Stadt für die Belange von Menschen mit Behinderung ein. Zuvor gab es diese Stelle praktisch nicht. Theoretisch kümmerte sich zuvor das Gesundheitsamt unter der Regie von Leiter Hans-Otto Tropp darum.

Allerdings gibt es zwischen der Arbeit von damals und heute gewaltige Unterschiede. Behinderte Menschen haben in Ursula Marx nicht nur eine Stimme in Stuttgart, sondern auch eine Anlaufstelle. An zwei Vormittagen in der Woche können Behinderte mit ihren Klagen, Sorgen oder Anregungen zu ihr kommen. Kritiker könnten sagen, durch das neue Angebot sei erst eine Nachfrage geschaffen worden. Die Stadträte im Gesundheits- und Sozialausschuss inklusive der Sozialbürgermeisterin Isabel Fezer sehen das allerdings anders. Nachdem Ursula Marx am Montagvormittag im Rathaus von ihrer Arbeit berichtet hatte, gab es über die Fraktionsgrenzen hinweg große Anerkennung.

„Frau Marx ist eine bemerkenswerte Person, die in ihrer Rolle in der Öffentlichkeit bemerkt wird“, lobte Isabel Fezer (FDP). Der Grüne Jochen Stopper ergänzte: „Die Politik profitiert von ihrer Arbeit.“ Und Marita Gröger (SPD) meinte: „Ihr Bericht zeigt, wie notwendig es war, diese Stelle zu schaffen.“

Damit nahm die Stadträtin Bezug auf die Beratungsstatistik: Alleine im ersten Jahr hatte Marx 210 persönliche Beratungen, gab 260 telefonische Auskünfte und beantwortete 1003 Briefe oder E-Mails. „All die beratenden Gespräche, die ich am Rande von Veranstaltungen geführt habe, oder die Anfragen, die mich auf meinem privaten PC erreichten, sind in dieser Statistik gar nicht aufgeführt“, sagt sie. Immer wieder hatten die Bürger ähnliche Anliegen. Allerdings jeweils mit persönlichen Noten. Marx: „Als Schwerpunkte haben sich die Bereiche Wohnen, Schule, Ausbildung/Beruf, Mobilität, Pflege, Betreuung, Leistungen und Barrierefreiheit herauskristallisiert.“ Bei diesen Themen übernahm Ursula Marx eine Lotsenfunktion. Sie navigiert die Bürger sozusagen durch den Behördendschungel und übersetzt das Bürokraten-Deutsch der Formulare in verständliche Sprache. Oft leerten die Menschen mit Behinderung auch einfach ihren Kropf. „Die meisten Beschwerden betreffen den ÖPNV“, sagt Marx, „die Zugänglichkeit, besonders zur S-Bahn, ist durch defekte Aufzüge und Rolltreppen sehr unzuverlässig.“

Mindestens genauso wie die konkreten Hilfen der langjährigen Stadträtin schätzen Behinderte jedoch ihren Einsatz für einen Bewusstseinswandel in der Gesellschaft. „Bei den meisten Menschen ist der natürliche Umgang mit Menschen mit Behinderung nicht selbstverständlich“, sagt Marx, „gesellschaftliches Ziel muss es sein, Verschiedenheit, Anderssein als positiven Bestandteil von Normalität zu betrachten. Daran will ich weiter mitarbeiten.“ Wenn’s sein muss, bis zur Belastungsgrenze.