Referent Bernd Drücke. Foto: Leif Piechowski

Stuttgart-21-Gegner versuchen, basisdemokratisches Parlament zu organisieren. Ein eingeladener Anarchist liefert Denkanstöße.

Stuttgart-21-Gegner versuchen, basisdemokratisches Parlament zu organisieren. Ein eingeladener Anarchist liefert Denkanstöße.

Stuttgart - Im Mittleren Sitzungssaal des Stuttgarter Rathauses ist heiß diskutiert worden – und das, obwohl keine Gemeinderatssitzung stattfand. Etwa 50 Interessierte hatten sich zum dritten Bürger-Parlament getroffen. Sie wollen ein basisdemokratisches Forum schaffen, in dem die Interessen aller Bürger gehört werden.

Die Idee dazu ist zwar aus der Bewegung gegen Stuttgart 21 entstanden, als am 10. November 2012 eine Gruppe von S-21-Gegner das Stuttgarter Rathaus für besetzt erklärte und ein Bürger-Parlament installieren wollte. Die Initiatoren wollen sich jedoch bewusst vom Widerstand emanzipieren. „Das Parlament soll sich nicht auf S 21 beschränken“, sagt Mitorganisatorin Andrea Schmidt, „wir sehen dieses Projekt allerdings als ein Symptom für eine Politik, in der die Interessen vieler Menschen übergangen werden. Diese Politik ist, was uns stört.“

„Wenn Politiker an die Macht kommen, verändern sie sich, bis sie nicht mehr als Sprachrohr der Bevölkerung funktionieren“, verkündete Bernd Drücke zu Beginn des Treffens. Der Soziologe war aus Münster angereist, wo er als Redakteur an der anarchistischen Zeitung „Graswurzelrevolution“, die vom Verfassungsschutz als linksextremistisch eingestuft wird, mitarbeitet. Er hielt einen Vortrag über anarchistische Bewegungen und den Begriff der Anarchie. „Ursprünglich bedeutet das Wort nur, dass man nicht beherrscht wird, sich selbst organisiert.“ Er strebt nach eigener Aussage eine „herrschaftslose Gesellschaft“ an.

In der folgenden Diskussion ging es darum, wie man sich in einem basisdemokratischen Parlament organisieren könne, ohne zu sehr in hierarchische Strukturen zu verfallen. Dass das viele Schwierigkeiten birgt, wurde schon deutlich, als die Teilnehmer etwa 15 Minuten darüber diskutierten, welche Form der Diskussion am basisdemokratischsten sei. „Du übst gerade Macht aus“, machte einer der Anwesenden Andrea Schmidt aufmerksam. Sie hatte versucht durchzusetzen, dass die vom Organisationsteam vorbereitete Diskussionsform zumindest ausprobiert würde. „Das ist nicht als Vorwurf gemeint, aber auch damit fängt Basisdemokratie an.“