Jonathan Faiß geht in der Rolle des frechen Tarzan auf – seine Betreuerin Tressa Schreiber macht vor der Show Quatsch mit ihm. Fotos: Müssigmann Foto: Schwarzwälder-Bote

Musical: Jonathan Faiß spielt Hauptrolle am Apollo-Theater

Von Lena Müssigmann

Seit drei Jahren läuft das Musical Tarzan in Stuttgart mit großem Erfolg – auf der Bühne steht ein Nachwuchs-Talent aus der Region: Der zehnährige Jonathan Faiß aus Wachendorf. Wir begleiten den kleinen Tarzan bei seiner Vorbereitung auf eine Abend-Vorstellung.

Stuttgart/Starzach-Wachendorf. "Uuaaaah" – Jonathan Faiß übt in seiner Garderobe kurz vor der Vorstellung noch mal den Tarzanschrei. Die Ader an seinem Hals, der schon mit brauner Dschungelschlammfarbe beschmiert ist, schwillt an, so laut schreit er. Draußen im Publikum warten seine Familie, die Großeltern und das halbe Dorf auf seinen Auftritt auf der Musicalbühne. Jonathan spürt Aufregung kommen. Das macht ihm nichts, irgendwie schätzt er sie sogar. "Man braucht Energie und die kommt auch durch die Aufregung", sagt er.

Seit März gehört der Zehnjährige zur Besetzung des Musicals Tarzan. Er spielt den jungen Tarzan im ersten Teil der Geschichte. Rund 15 Minuten dauert sein Auftritt, bei dem er über die Bühne tobt, tanzt, an einer Liane schwebt, singt und mit seinem Affen-Freund Quatsch macht. Die Rolle des Dschungelkinds passt ausgezeichnet zu ihm. "Tarzan ist ein aufgeweckter, froher Junge. Ich bin halt auch immer so wach. Ich bin so aufgedreht wie der kleine Tarzan", sagt Jonathan.

Seine Vorbereitung auf die Show dauert eineinhalb Stunden. Die erste Station hinter den Kulissen des Apollo-Theaters ist die Garderobe der Kinderschauspieler. Es gibt 16 Kinder, die den kleinen Tarzan abwechselnd spielen und sich hier umziehen – für den Tarzan heißt das vor allem ausziehen, bis auf eine kurze Hose. Jonathan wirft sich einen grünen Bademantel über. Jetzt beginnt seine Tour durch labyrinthartig angeordnete Flure, durch schwere Stahltüren, über enge Treppenhäuser hinter den Kulissen. Dabei begleitet ihn die Akrobatiklehrerin und erfahrene Musicaldarstellerin Tressa Schreiber – eine quirlige Frau mit langen rotgefärbten Locken, die ihn zunächst in die Maske bringt.

Jonathan nimmt wie beim Frisör vor einer hell erleuchteten Spiegelfront Platz. Zwei Maskenbilder machen sich sofort ans Werk, kringeln seine Haare auf, stecken sie fest und lassen alles unter einer Strumpfhaube verschwinden. Auf seinem Kopf wird das Mikrofonkästchen festgesteckt und unter einem zweiten Strumpf verborgen – zwei Mikro-Drähte schauen an seiner Stirn hervor und werden später seinen Tarzanschrei noch lauter machen.

Dann zum Aufwärmen: In einen großen Spiegelsaal dehnt sich Jonathan am Barren, biegt sich und übt seine Flikflaks, die er später auf der Bühne zeigen muss. Und schon kommt der Dirigent vorbei, der Jonathan einsingt. Fehlt noch der Stopp in der sogenannten Schmodderbox, wo Jonathan sein Body-Make-up erhält – in erster Linie braune Farbe. Zum Schluss muss Jonathan zurück zur Maske, wo ihm die Maskenbildner seine langhaarige Perücke aufsetzen.

Tadaa: Jonathan trommelt sich auf die Brust und reckt die Hände in die Höhe. Jetzt ist er Tarzan.

Dass Jonathan im Musical spielt, hat schon an seiner Schule, dem St. Meinrad-Gymnasium in Rottenburg, die Runde gemacht. "Meine Freunde finden das cool." Aber wie wird man eigentlich Kinderdarsteller? Bei Jonathan hat alles mit dem Hinweis seiner Grundschullehrerin angefangen, die eine Anzeige entdeckt hatte, wonach in Stuttgart Kinderdarsteller gesucht werden. "Tanzen ist doch dein Ding, hat sie zu mir gesagt", erinnert sich Jonathan. Er reichte eine Bewerbung ein, wurde nach Stuttgart eingeladen und überzeugte im Casting. Seine Betreuerin Tressa weiß noch: "Er war der einzige Rockstar. Ich hab gesagt: Ich will ihn!"

Für Jonathan kaum zu fassen, eine Zusage: "Da war ich sehr glücklich, ich bin richtig ausgeflippt." Aber das hieß vier Probetermine pro Woche in Stuttgart. Seine Mutter Gabi Faiß (51) erzählt, dass erst mal der Familienrat getagt hat. Die Entscheidung auch hier positiv: Jonathan sollte die Chance bekommen, entscheiden die Eltern und seine vier Geschwister.

Zurück ins Apollo-Theater: Die Show hat begonnen. Etwa in Minute zehn tritt der kleine Tarzan auf – durch ein Loch in der Bühne, plötzlich ist er da. Alles klappt: Er spielt mit Lust, tanzt voller Energie und hängt überzeugend in der Liane hoch über der Bühne, angeseilt natürlich. Das ist der Lieblingsmoment seines Auftritts.

Wenn sich Jonathan spät am Abend den Schlussapplaus des Publikums abgeholt hat, wird er in einen Jogginganzug steigen, mit dem er sich zuhause ins Bett legt. Die Farbe kommt am nächsten Morgen ab, bevor er zur zweiten Stunde zur Schule geht – wieder als Jonathan.

Der junge Musicaldarsteller Jonathan Faiß kommt aus Wachendorf, ist 10 Jahre alt und besucht die fünfte Klasse des St. Meinrad-Gymnasiums. Er ist musikalisch, spielt Flöte, Geige, Posaune und Klavier und war schon an der Grundschule in der Theater-AG aktiv. Seit seiner Premiere in Stuttgart am 9. März hatte er vier Vorstellungen als kleiner Tarzan. Ab Herbst wird er im Musical Mary Poppins zu sehen sein.