Björn Höcke und Mario Voigt beim TV-Duell. Foto: dpa/Michael Kappeler

Es war ein umstrittener Termin: Am Donnerstagabend lieferten sich die Thüringer Spitzenkandidaten von CDU und AfD einen Schlagabtausch, der live übertragen wurde. Dabei kam es zu einigen skurrilen Momenten.

Es dauert eine halbe Stunde, bis Mario Voigt mit dem Grundgesetz wedelt. Der CDU-Politiker hat es sich mitgebracht, nun streckt er es Björn Höcke entgegen. „Ich glaube daran, dass jeder etwas kann“, sagt Voigt mit dem kleinen Buch in der Hand. „Die Würde des Menschen ist unantastbar, hier im Grundgesetz steht das drin!“ Höcke wirkt gelassen. Das Grundgesetz scheint ihn nicht besonders zu beeindrucken.

Am Donnerstagabend sind der Thüringer CDU-Fraktionsvorsitzende Mario Voigt und der AfD-Fraktionsvorsitzende Björn Höcke zum TV-Duell zusammengekommen. Beide treten bei den Landtagswahlen im September als Spitzenkandidaten ihrer Parteien an. Besonders war das Duell aber nicht nur, weil es fünf Monate vor der Abstimmung stattfand. Ungewöhnlich war es vor allem, weil mit Björn Höcke ein Rechtsextremist daran teilnahm. Angesichts seiner radikalen Ansichten halten Kritiker es für gefährlich, Höcke mit dem TV-Duell eine Bühne zu bieten. Der Sender „Welt TV“ entschied sich, das Duell trotzdem zu übertragen. Er schloss sich damit denjenigen an, die argumentieren, dass man der Debatte mit der AfD nicht ausweichen dürfe – auch nicht mit Politikern wie Höcke, die eine rechtsextremistische Weltsicht vertreten.

Klare Regeln

Moderiert wurde der Abend von Tatjana Ohm, der Chefmoderatorin des Senders, sowie von dessen Chefredakteur Jan Philipp Burgard. Sie leiteten den Abend ein, indem sie besonders klar auf die Regeln hinwiesen und erklärten, dass gemessen werde, wer wie lange rede, um auf Ausgewogenheit zu achten. Es war ein Hinweis, der im Laufe des Abends immer wieder von Bedeutung sein würde. Mehrmals mussten die Moderatoren Höcke darauf hinweisen, dass er mehr sprach als sein Kontrahent, obwohl er zwischendurch darüber klagte, nicht genug zu Wort zu kommen. Gegen eine zeitliche Regelung verstießen die Moderatoren aber selbst: Statt der geplanten 55 Minuten zog sich der Schlagabtausch über mehr als 70 Minuten.

Los ging es mit einer Frage, die auf einen Satz abzielte, den Höcke im Sommer auf der AfD-Europawahlversammlung in Magdeburg gesagt hatte: „Diese EU muss sterben, damit das wahre Europa leben kann.“ Nun wollten die Moderatoren von den Kandidaten wissen, ob die EU verzichtbar sei. Höcke war der erste, der antworten durfte und er nutzte das für einen Abgesang auf die EU, die er als „Globalisierungsagentur“ bezeichnete. Was er stattdessen forderte, war ein „neuer Bund europäischer Staaten mit einem bewussten Grenzschutz, einem freien Markt und einem Schutz unserer Identität“. Voigt hielt entgegen, dass die EU seit 70 Jahren für Stabilität in Europa sorge, auch wenn sie nicht perfekt sei, wie er einräumte: „Aber nur weil mal eine Lampe kaputt ist oder die Tür quietscht, reißt man doch nicht gleich das ganze Haus ab“, so Voigt.

Viele Zahlen

Dass die Kandidaten sich vorbereitet hatten, war beiden anzusehen. Die Themenkomplexe, um die es ging, waren ihn am Freitag vor der Sendung mitgeteilt worden. Bei Voigt führte das dazu, dass er gerade zu Anfang manchmal wie ein Schüler wirkte, der sich etwas zu gut auf ein Referat vorbereitet hatte. Höcke hingegen warf mit verschiedenen Zahlen um sich – manche davon aus dem Zusammenhang gerissen und verzerrt, andere hingegen grundlegend falsch. „Ab 2015 sind in den Folgejahren 10 Millionen Menschen zu uns gekommen“, sagte Höcke zum Beispiel.

Gekommen sind aber deutlich weniger Asylbewerber: richtig ist nämlich, dass 3,9 Millionen Asylerstanträge gestellt wurden – und zwar im Gesamtzeitraum seit 1995. Darauf wies Voigt während des Duells auch hin. Fraglich ist aber, ob die Zuschauer immer beurteilen konnten, wer nun die richtige und wer die falsche Zahl nannte.

Höcke ging die CDU immer wieder hart an, bezeichnete sie als „Wohlstandsvernichter“ und machte sie für eine angebliche „Deindustrialisierung“ in Deutschland verantwortlich. Voigt hingegen warnte davor, welche wirtschaftlichen Auswirkungen die vorgeschlagene Politik der AfD hätte. „Was Herr Höcke möchte, bedeutet nicht weniger, als dass die Thüringer Tausende Euro weniger im Portemonnaie haben pro Jahr“, sagte der CDU-Politiker.

Mett oder Gehacktes?

Zu einem besonders skurrilen Moment kam es, als sich die Kandidaten in einem Streit über die Frage verloren, ob Höcke, der anders als Voigt nicht aus Thüringen stammt, denn wisse, wie man mit Hackfleisch belegte Brötchen im Freistaat nenne – „Gehacktes-Brötchen“ oder „Mett-Brötchen“? Es dauerte einige Zeit, bis es den Moderatoren gelang, durchzugreifen, um mit der nächsten Frage weiterzumachen.

Immer wieder ging es um Aussagen, die Höcke mal getroffen hatte. Dabei zeigte sich, dass er manches, was er geschrieben oder auf Parteiveranstaltungen gesagt hatte, nicht so klar wiederholen wollte. Mit einem Zitat aus einem Buch von Höcke brachten die Moderatoren den AfD-Politiker etwas ins Straucheln. Darin hatte er geschrieben, dass die SPD-Politikerin und heutige Bundestagsvizepräsidentin Aydan Özoguz nichts in Deutschland verloren habe, weil sie „jenseits der Sprache „keine spezifisch deutsche Kultur erkennen“ wolle. „Das Buch ist mittlerweile jetzt schon sechs Jahre alt“, sagt Höcke und behauptete, gar nicht mehr genau zu wissen, um wen es sich bei „der Dame“ handelte.

Generell äußerte sich Höcke bei einigen Themen mehr als zurückhaltend. Zum Thema Remigration sagte er gar, es gehe ihm vor allem darum, dass ausgewanderte Deutsche in die Heimat zurückkehren sollten – was bemerkenswert war, hatte die AfD doch noch im Januar Papiere verschickt, die erklärten, es ginge dabei um Abschiebungen. In neurechten Kreisen wird der Begriff auch verwendet, um von der Vertreibung Deutscher mit Migrationshintergrund zu sprechen. Auch Voigt warf Höcke vor: „Sie reden hier anders als auf dem Parteitag.“ Und er sagte: „Ich hätte erwartet, dass Sie den Mumm haben, zu Ihren Thesen zu stehen.“

Insgesamt war der Tonfall in weiten Teilen laut und aufgeregt, immer wieder schaffte es Höcke, das Wort an sich zu reißen, unterbrach auch die Moderatoren. Voigt holte in seinen Antworten oft weit aus, wurde wenig konkret und konnte sich allein rhetorisch nicht immer gegen seinen Kontrahenten durchsetzen. Wer an diesem Abend der Gewinner war, bleibt wohl offen – falls es denn überhaupt einen gab.