Wohnhaus in Stuttgart-Hallschlag Foto: Hörner

Sozialdatenatlas: Schwierige soziale Lage hat sich in Stuttgarts Brennpunkten verfestigt.

Stuttgart - Wie leben Kinder und Jugendliche in Stuttgart? Alle zwei Jahre gibt der Sozialdatenatlas darüber Auskunft. An diesem Montag wird der jüngste Bericht im Sozialausschuss beraten, doch schon jetzt zeichnet sich ab, dass die Fraktionen vieles in der Datensammlung vermissen, vor allem Fortschritte.

Allen Unkenrufen zum Trotz leben in Stuttgart 271 Kleinkinder mehr als noch im Vorjahr. Der prognostizierte Rückgang ist nicht gekommen, der Rückbau von Kindertagesstätten muss warten. Sobald aber die Kinder schulpflichtig werden, ziehen viele Eltern weg aus Stuttgart und schulen die Söhne und Töchter im Umland ein - 447 Wegzügler waren es im Jahr 2009.

Wichtiger Indikator für bessere Bildungschancen

Sozialbürgermeisterin Isabel Fezer (FDP) ist mit den Daten, die der sechste Sozialdatenatlas für die Bevölkerung zwischen null und unter 21 Jahren bietet, im Großen und Ganzen zufrieden. "Wir können damit Entwicklungen nachvollziehen und Verläufe aufzeigen, die für die Sozialplanung von Nutzen sind." Dass die Daten aus dem Jahr 2009 stammen, schmerze etwas, "aber aktueller geht es im Moment leider nicht".

Am Montag wollen sich die Stadträte im Sozialausschuss darüber austauschen. Dabei zeichnet sich jedoch Kritik ab, unter anderem vonseiten der CDU-Fraktion. Iris Ripsam ließ anklingen, dass der Atlas zu wenig darüber aussagt, wo es eine Verbesserung oder - im schlechtesten Fall - einen Rückschritt der Lebens- und Bildungsvoraussetzungen der jungen Bevölkerung gab.

Ein wichtiger Indikator für bessere Bildungschancen beispielsweise sind die Übergangsquoten von Grundschülern aufs Gymnasium. Im Stuttgarter Stadtteil Mühlhausen wechseln nur 34,3 Prozent der Viertklässler aufs Gymnasium, in Degerloch sind es 73,3 Prozent. Überdurchschnittlich viele Neu-Gymnasiasten gab es in Botnang, Nord und Sillenbuch, die Schulbereiche Bad Cannstatt, Münster, Zuffenhausen, Ost und Mitte hinken weit hinterher. Der Atlas zeigt für jeden Schulbereich zwar die Abweichungen vom städtischen Mittel, aber nicht, wie sich die Übertrittsquoten über die Jahre entwickelt haben.

"Da muss man halt Geld in die Hand nehmen"

Wollte man nachvollziehen, ob die zahlreichen Fördermaßnahmen der Stadt Wirkung gezeigt haben, müssten diese für jeden Schulbereich aufgelistet sein - von "Mama lernt Deutsch" über Förderklassen, Frühförderung und außerschulische Betreuungsangebote bis hin zur Zahl der Ganztagsschulen im Bezirk. Das ist im Atlas bisher nicht der Fall. Isabel Fezer ist diese Lücke bewusst, "allerdings ist eine Zuordnung auch eine Frage des Aufwands".

Bis jetzt gibt es die Auswertung von Bildungsmaßnahmen und deren Wirkung nur am Beispiel von zwei Schulen, die vor fünf Jahren zu Ganztagsschulen umgewandelt wurden: der Carl-Benz-Schule im Hallschlag und der Heusteigschule im Stuttgarter Süden. Dort hat jeweils ein ganzer Schülerjahrgang nun die Grundschule im Ganztagsbetrieb durchlaufen, und das "mit einer deutlichen Steigerung der Übertrittsquote in Realschulen und Gymnasien", sagt Karin Korn, die Leiterin des Schulverwaltungsamts. Dies sei ein Indiz dafür, dass zusätzliche Lehrerstunden mehr Chancengerechtigkeit und damit einen größeren Schulerfolg schafften.

"Da muss man halt Geld in die Hand nehmen"

Was Karin Korn nicht erwähnt, das sind die deutlichen Unterschiede zwischen den Schulen, die es trotz Ganztagsunterricht gibt: Im Hallschlag stieg die Zahl der Schüler, die ins Gymnasium wechselten, lediglich von 19 auf 23 Prozent, im Stuttgarter Süden wechseln nun 53 statt 26,5 Prozent aufs Gymnasium. Diese Differenz legt die Vermutung nahe, dass neben den schulischen Angeboten auch Wohnumfeld, soziale Lage und weitere Parameter für Schulerfolg ausschlaggebend sind.

Insofern sind Kinder schlecht dran, die in Gebieten aufwachsen, die als besonders problematisch eingestuft sind. Zu diesen sozialen Brennpunkten gehören kinderreiche Wohngebiete mit großer nationaler Vielfalt, hohem Armutspotenzial, schlechter Wohnqualität und einem hohen Anteil Alleinerziehender.

Was SPD-Stadträtin Marita Gröger schon öfter moniert hat, ist deshalb auch in diesem Jahr Grund für ihre Kritik: "Diese Gebiete sind nun schon seit Jahren unverändert als problematisch eingestuft. Es stellt sich also die Frage, was zu tun ist." Die SPD-Frau moniert zu geringe städtebauliche Veränderungen in den Quartieren, die das soziale Gefüge zum Positiven verändern könnten, und gleichbleibende Gruppengrößen in Kitas, die sich nicht nach dem tatsächlichen Bedarf richten. Gröger: "Da muss man halt Geld in die Hand nehmen."