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An diesem Freitag trifft Deutschland bei der WM in Brasilien im Viertelfinale auf Frankreich. 60 Jahre nach dem Wunder von Bern. Auf den Tag genau. Ein gutes Omen für die Mannschat von Jogi Löw?

An diesem Freitag trifft Deutschland bei der WM in Brasilien im Viertelfinale auf Frankreich. 60 Jahre nach dem Wunder von Bern. Auf den Tag genau. Ein gutes Omen für die Mannschat von Jogi Löw?

Stuttgart - Daumen drücken und etwas in Erinnerung schwelgen: Für Hans Schäfer und Horst Eckel ist beim WM-Viertelfinale zwischen Deutschland und Frankreich an diesem Freitag beides möglich. Die Partie in Rio fällt mit dem 60. Jahrestag des Wunders von Bern zusammen. Am 4. Juli 1954, als Deutschland durch das 3:2 gegen Ungarn sensationell Fußball-Weltmeister wurde, standen Schäfer und Eckel gemeinsam auf dem Platz im Wankdorfstadion. Beide teilten sich beim WM-Turnier auch das Zimmer und sind die einzigen Spieler aus dem Aufgebot von Bundestrainer Sepp Herberger, die heute noch leben.

„Wir waren nicht nur elf, wir waren 22. Jeder war froh, dass er überhaupt dabei war“, betonte der 86 Jahre alte Schäfer in einem Interview mit dem DFB-Journal den Teamgedanken. Der „Geist von Spiez“ hat sich als Begriff ebenso wie der Satz aus Herbert Zimmermanns berühmter Radio-Reportage „Aus dem Hintergrund müsste Rahn schießen“ fest in das Fußball-Gedächtnis geprägt. Die elf Finalspieler kennt fast jeder sattelfeste Fan. Andere Weltmeister wie Heinz Kubsch, Karl-Heinz Metzner oder Ulrich Biesinger, die bei dem Turnier in der Schweiz nicht zum Einsatz kamen, sind dagegen nicht mehr so bekannt.

"Meine Frau erinnert mich daran"
„Das ist für mich ein Tag wie jeder andere, manchmal vergesse ich ihn sogar. Meine Frau erinnert mich dann daran. Ich mache kein Theater um Sachen, die früher mal waren“, berichtete Schäfer über die Bedeutung des 4. Juli. Er hat fast alle Einladungen zum 60. Jubiläum abgesagt.

Auch 2006, bei der Heim-WM in Deutschland, hielt sich der langjährige Linksaußen des 1. FC Köln im Hintergrund auf. Öffentliche Auftritte wie bei der Präsentation des Films „Das Wunder von Bern“ mied er. Dagegen wirkte der vier Jahre jüngere Eckel - 1954 mit 22 Jahren der

Youngster im DFB-Team - als Zeitzeuge und fachlicher Berater von Regisseur Sönke Wortmann an der Herstellung mit.

"Man ist kein Held, wenn man ein Fußballspiel gewinnt"

Von Begriffen wie „Wunder“ oder „Helden“ hält Schäfer nichts. „Man ist kein Held, wenn man ein Fußballspiel gewinnt“, sagte der Weltmeister von 1954. Der Titelgewinn neun Jahre nach dem Ende des 2. Weltkriegs bewegte gleichwohl das ganze Land. Für einige Historiker gilt der erste WM-Sieg sogar als Wiedergeburt einer Nation.

Doch der kollektive Jubel über das damalige „Wir sind wieder wer“ ist sechs Jahrzehnte später auch der kritischen Frage „Wie sind wir es geworden?“ gewichen. Die Studie „Doping in Deutschland von 1950 bis heute“ befeuerte im Vorjahr schwelende Doping-Gerüchte um das Herberger-Team. Fest steht, dass mehrere Spieler in der Schweiz gespritzt wurden. Möglicherweise mit dem Aufputschmittel Pervitin, doch bewiesen ist das nicht.

Erste Gerüchte waren bereits kurz nach dem Endspiel aufgetaucht. Ungarns Superstar Ferenc Puskas erhob gegen die viel gefeierten Weltmeister schwere Vorwürfe, die durch mehrere Gelbsucht-Erkrankungen bei deutschen Spielern Nahrung erhielten. WM-Ersatzmann Richard Herrmann starb 1962 an der Krankheit. Die Empörung in Deutschland über den ungarischen Major war groß, der DFB erklärte ihn kurzzeitig zur persona non grata.

"Jeder Spitzensportler nimmt Traubenzucker"

Die deutschen Spieler haben die Anschuldigungen stets zurückgewiesen. „Jeder Spitzensportler nimmt Traubenzucker. Bei uns regulierte der Arzt den Verbrauch. Der besseren Wirkung wegen nahmen einige das Dextrogen nicht als Präparat, sondern ließen es sich spritzen“, schrieb Schäfer bereits 1964 in seinem Buch „Die Schäfer-Ballade“ über die Hepatitis-Welle. „Das Pech aber wollte es, dass einer von uns das Virus zu einer infektiösen Gelbsucht in sich trug.“

TV-Mann Rudi Michel und Horst Eckel führten nicht ausreichend desinfizierte Spritzen als mögliche Ursachen an. „Wir haben Traubenzuckerspritzen bekommen, und da war für jeden Einzelnen ja keine Spritze da“, erklärte Eckel 2004 in der ARD-Sendung „Report“. Die Beziehungen zu den ungarischen Spielern haben sich längst normalisiert. Der Tod des legendären Torwarts Gyula Grosics vor drei Wochen löste große Betroffenheit aus. Auf Seiten der Ungarn lebt damit nur noch Jenö Buzansky (89) aus dem legendären Finale von 1954.