Ulrich Schwarz (rechts oben) leitet kommissarisch das Polizeipräsidium in Tuttlingen. Peter Mehler (rechts unten) ist zuständig für Öffentlichkeitsarbeit. Das Foto links unten zeigt die beiden in der künftigen Leitstelle. Foto: Fotos: Eich/Montage:Ulm

Holpriger Start der Polizeireform: Verwaltungsgericht Karlsruhe stoppt die Arbeit der Polizeichefs. Betroffen ist auch Ulrich Schwarz in Tuttlingen.

Schwarzwald-Baar-Kreis - "Jetzt haben wir 14 Tage hinter uns, das klappt", ist Ulrich Schwarz überzeugt. Der 59-Jährige leitet das Polizeipräsidium in Tuttlingen, das seit Januar für die Landkreise Rottweil, Tuttlingen, Schwarzwald-Baar, Freudenstadt und Zollernalb zuständig ist. "Eigentlich", so Schwarz im Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten, "war ich auch etwas überrascht, ich hatte eher mit Villingen-Schwenningen als Standort für das neue Präsidium gerechnet." Schwarz war leitender Polizeidirektor in Konstanz, als ihn beim Skifahren ein Anruf des Inspekteurs der Polizei erreicht. "Ich wurde gefragt, ob ich nicht das Präsidium in Tuttlingen aufbauen wolle", erzählt er und strahlt. "Das ist sehr schön und macht mir Spaß. Ich mag neue Herausforderungen."

Polizeipräsident ist er freilich noch nicht. Eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Karlsruhe in dieser Woche hat die Ernennung der zwölf neuen Polizeipräsidenten im Land und ihrer Stellvertreter vorläufig untersagt. Rechtsmittel können gegen das Urteil eingelegt werden. Wenn der Kläger endgültig Recht bekommt, müssen die Ernennungen überprüft werden. Auch die des Rektors der Polizeihochschule in Schwenningen, Alexander Pick. Das kann dauern. Der Vorwurf des Klägers lautete, das Land habe nicht eine Bestenauslese, sondern eine Belohnungsaktion betrieben.

Das Innenministerium erklärte gestern, "die Auswirkungen der einstweiligen Anordnung des Gerichts auf die Bewerberauswahl für die Polizeipräsidenten und -vizepräsidenten intensiv zu prüfen und erwägt, Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg einzulegen. Viele hätten gerne Roland Wössner, den leitenden Polizeidirektor von Villingen-Schwenningen als neuen Polizeipräsidenten gesehen. Wössner dementierte gegenüber dem Schwarzwälder Boten gestern Medienberichte, dass er sich bei einer Neuausschreibung bewerben wolle. "Natürlich hätte ich mich gefreut, wenn ich Polizeipräsident geworden wäre", sagte er. Wössner hatte eine Verlängerung seiner Dienstzeit über das 60. Lebensjahr beantragt und wird seine Stelle beim Führungs- und Einsatzstab des Polizeipräsidiums Konstanz am 27. Januar antreten.

"Wenn ich Polizeipräsident werde, dann könnte ich mich entscheiden, länger zu bleiben", stellt Ulrich Schwarz in Aussicht und blickt zufrieden durch die gläserne Fensterfront in seinem Hauptquartier in Tuttlingen. Letzteres reicht freilich nicht aus für die Kapazität des künftigen Präsidiums. Ein Anbau von 1100 Quadratmetern ist notwendig, 645 Quadratmeter benötige die neue Leitstelle. Im Führungs- und Lagezentrum sollen künftig alle Einsätze in den fünf Landkreisen koordiniert werden. "Dieses Vorhaben hat oberste Priorität im Land", informiert Schwarz. Und er fügt mit Blick auf die Standortdiskussion hinzu: "Ich habe nie gesagt, dass hier nicht gebaut werden muss."

Vier große Bildschirme nebeneinander ermöglichen den Polizeibeamten gleichzeitig den Blick auf Notruf, Unfallort, Einsatzverlauf und technische Details der IT-Programme. Betroffen sind diejenigen, die die Interims-Leitstelle betreuen. Gerade hat sich bei Balingen ein schwerer Unfall ereignet, bei dem Polizeibeamte verletzt wurden. "Ich habe gerade mit dem Innenministerium telefoniert", erzählt einer der Beamten seinem Chef. Einige Treppen höher im neuen Führungs- und Lagezentrum werden dann bei laufendem Betrieb noch Lämpchen aufleuchten, wenn ein Notruf eingeht.

Schwarz öffnet dort sein persönliches Schließfach mit der Nummer eins und zeigt den Behälter für seine Dienstwaffe. "Die habe ich heute nicht bei mir, weil ich in die Schweiz fahren werde", erzählt er.

Ein riesiger Kaktus verschönt das Treppenhaus des lichtdurchfluteten Präsidiums. Chef von 1436 Personen ist Schwarz hier. 14 Polizeireviere, 21 Polizeiposten und ein Autobahnstreifendienst befinden sich im Zuständigkeitsbereich des Präsidiums, das für eine Fläche von 4317 Quadratkilometern und 788 311 Einwohner zuständig ist.

Die Polizeireform ist umstritten. Nicht nur wegen der Wahl des Standortes Tuttlingen in einer Randlage und der Ernennung der Präsidenten. Sondern auch wegen der Entfernungen, die die Polizeibeamten zu ihren neuen Einsatzorten zurücklegen müssen.

"Einem Polizeikommissar, der nach A 9 besoldet wird, ist zuzumuten, 60 Minuten bis zur Arbeitsstelle zu fahren. Ich bin täglich 35 Minuten von Radolfzell nach Tuttlingen unterwegs", berichtet Schwarz. Das sind fünf Minuten mehr, als er den Polizeibeamten im Präsidium sonst zumutet. "Niemand muss länger als 30 Minuten fahren", betont der Polizeichef. Die Balinger hätten beispielsweise Arbeit in Rottweil gefunden. Peter Mehler, Chef der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit, nimmt sogar gerne den weiten Weg von Balingen nach Tuttlingen auf sich. Momentan gibt es 50 Polizeibeamte im Land, bei denen die Personalräte der Versetzung noch nicht zugestimmt haben, nur einen davon im Bereich des Polizeipräsidiums Tuttlingen.

Zirka 40 Kriminalbeamte und Kriminaltechniker sind momentan noch in Villingen tätig. Dort befindet sich ein Kriminalkommissariat, ebenso wie in Balingen, Freudenstadt und Tuttlingen. Bürokräfte sind abgezogen worden und arbeiten nun beispielsweise an der Hochschule für Polizei. Polizeireviere in Villingen-Schwenningen und Rottweil seien jetzt personell besser besetzt, meint Schwarz.

Neben der Kriminalpolizei befindet sich auch eine Abteilung der Verkehrsüberwachung noch in Villingen, ebenso wie in Horb und in Freudenstadt. Streifendienst, Verkehrsunfallaufnahme und Verkehrspolizei sind in Zimmern ob Rottweil konzentriert. 20 Polizeibeamte sind in VS im Bereich der Verkehrsüberwachung tätig. Sie soll in der Waldstraße untergebracht werden. Das Gebäude in der Bahnhofstraße und ein weiteres werden aufgegeben. Zur Bekämpfung organisierter Kriminalität sind momentan noch einige Beamte sowohl in Villingen als auch in Balingen tätig. Personell verstärkt wurden die Bereiche Prävention in allen Landkreisen.

Erfolgreiche Präventionsprojekte werden beibehalten

"Im Grundsatz werden erfolgreiche Projekte fortgeführt", meint Ulrich Schwarz. Thomas Gerth, bisher Leiter der Kriminalpolizei in Villingen-Schwenningen, ist im Präsidium jetzt für diese Stabsstelle zuständig. Seine Ernennung ist allerdings vorläufig wie die der anderen Führungskräfte, denn die Personalräte müssen noch zustimmen.

"In jedem Landkreis gibt es Präventionsprojekte, die sich seit Jahren bewährt haben, die werden wir fortführen", berichtet er. Im Schwarzwald-Baar-Kreis beispielsweise "Respect Yourself". Dazu hat in dieser Woche schon ein Vorgespräch stattgefunden. Die Aktion "Tu was", bei der die Polizeidirektion zusammen mit dem Landratsamt Bürger für ihren beherzten Einsatz ehrt, möchte Gerth ebenfalls beibehalten.

"Die subjektive Sicherheit des Bürgers ist jetzt nach der Reform besser geworden", ist Schwarz überzeugt. In Bezug auf Kriminalitätsbelastung sieht er sein Präsidium landesweit eher am unteren Ende der Skala. In großen Städten wie Mannheim, Heidelberg, Stuttgart und Freiburg ereigneten sich wesentlich mehr Verbrechen. "Wir sind eine der sichersten Ecken im Land." In diesem Jahr gilt Wohnungseinbrüchen, die derzeit meist von Tätern aus Südosteuropa verübt würden, ein Schwerpunkt der präventiven Polizeiarbeit. Außerdem hat das Präsidium die steigende Cyberkriminalität im Visier.

Manchmal kommt Ulrich Schwarz persönlich in den Schwarzwald-Baar-Kreis. Allerdings nicht als Leiter des Polizeipräsidiums. Sondern zum Verwandtenbesuch. "Aber ich bin nicht so häufig dort", erzählt der gebürtige Hüfinger, der in Radolfzell wohnt. Am Bodensee gefällt es ihm.

Info: Organisation

Das künftige Präsidium ist unterteilt in einen Führungs- und Einsatzstab, dem die Direktion der Polizeireviere, die Verwaltung, die Kriminalpolizeidirektion und die Verkehrspolizeidirektion unterstehen. Als Führungskräfte sind unterr anderem die beiden vorherigen Leiter der Polizeidirektionen Rottweil und Tuttlingen vorläufig ernannt. Als weitere Stabsstellen gibt es Prävention sowie Öffentlichkeitsarbeit, Controlling und Qualitätsmanagement.