Der Bürgerprotest vor dem Schramberger Rathaus ebbt auch bei der zweiten Montags-Demo nicht ab. Foto: Wegner

Bei zweiter Montags-Demo protestieren über 3000 Bürger gegen Krankenhaus-Schließung.

Schramberg - Die Bürgerinitiative "Pro Region Schramberg" zeigt keine Schwäche. Weit über 3000 Bürger protestieren auch bei der zweiten Montags-Demo gegen die Schließung des Krankenhauses und die "systematische Demontage der Raumschaft".

"Die mutwillige Zerstörung von Werten ist unglaublich": Mitinitiator Ulrich Bauknecht versprach, die Gemeinschaft setze den Kampf um die Infrastruktur der Region und das Krankenhaus fort. Dann werde nach dem Verursacherprinzip auch der Kreis zur Kasse gebeten, weil er alleine am verursachten Dilemma schuld sei. Bauknecht freute sich über die wachsende Solidarität in der Bevölkerung und begrüßte gestern auch etliche Hornberger Demonstranten in der großen Masse.

Hausärztemangel erschreckend

Jürgen Winter, der Sprecher der Ärzteschaft im Raum Schramberg, sagte, er unterstütze die Protestaktion auch als Stadtrat vorbehaltlos. Er sprach von Wut, Ohnmacht und Zorn gegenüber der alles verschlingenden Kreisstadt, die völlig emotionslos die Vernichtung von 350 Arbeitsplätze vorantreibe. Winter bezeichnete den absehbaren Hausärztemangel als erschreckend, ja dramatisch, sofern das Krankenhaus als einzige realistische Nachwuchs-Quelle geschlossen werde.

Seltsamerweise eröffne das Ortenau-Klinikum jetzt eine Notfallpraxis genau nach Schramberger Muster. Wohl dem, der im richtigen Kreis wohne, sagte Winter. Rottweil gefährde dagegen mit seiner ignoranten Gesundheitspolitik die Versorgung einer ganzen Region. Doch dürfe das System nicht vollends kaputt gespart werden, sonst gingen nicht nur im Krankenhaus, sondern auch im ambulanten Bereich die Lichter aus.

Frauenarzt Rudolf Halder erinnerte an die jüngsten neun Geburten innerhalb von 24 Stunden für Eltern aus einem weiten Umkreis. Sie legten großen Wert auf Geborgenheit, familiäre und menschliche Atmosphäre, wie sie Schramberg noch biete. Sollten die schlechten Prognosen für das Krankenhaus eintreffen, werde die Geburtshilfe nach Wolfach abziehen und möglichst viele Arbeitsplätze mitnehmen.

Christine Casar, seit 36 Jahren Hebamme, und seit zwölf Jahren am Schramberger Krankenhaus tätig, forderte, dass in der Gesundheitspolitik einiges zurecht gerückt werden müsse, und zwar zu Gunsten von Patienten, Pflegepersonal und Ärzteschaft. Es sei nicht egal, wie der Mensch geboren werde, doch Kinderkriegen habe sich längst zum Geschäft in den Kliniken entwickelt. In Schramberg sei dagegen die humane, liebevolle Geburtshilfe bis heute erhalten geblieben. Nicht die Masse der Geburten zähle, sondern das Wie. Familie brauche gesunde Wurzeln für eine gesunde Gesellschaft.

Wie, so fragte Casar, sollten andere Kliniken die 500 Geburten pro Jahr in Schramberg ordentlich auffangen, wenn man den Menschen nicht vollends als Ware vermarktet wolle. Kleine Krankenhäuser dürften nicht verschwinden. Deshalb gelte es gemeinsam Wege zu finden, damit es weiterhin "echte Schramberger" gebe.

Patriotismus von Rednern und Demonstranten

Michael Melvin, der Sprecher der Initiative, lobte den Mut, die Geschlossenheit und den Patriotismus von Rednern und Demonstranten. Wenn der Kreis die medizinische Nahversorgung gefährde, sei dies Rückschritt statt Fortschritt. Deshalb müsse sich die Region fragen, warum sie für alles zahlen solle, wenn sie sich um alles selbst zu kümmern habe. Wer Geld bringe, wolle Leistung sehen. Die Initiative werde nicht locker, lassen, beim Landrat, beim Regierungspräsidium und bei der Landesregierung so lange nachzufragen, bis die gewünschten Antworten vorlägen.

Von der Landesregierung werde zwingend Einsatz für das Krankenhaus eingefordert, schließlich sei sie noch zwei Monate im Amt. Dazu habe sich die Initiative auch der Unterstützung der 20 größten Betriebe der Region versichert. Die Initiative werde keine Ruhe geben, denn so lange der massive Protest anhalte, bestehe auch noch eine Chance, das Krankenhaus zu retten.

Das Ergebnis der Landtagswahl habe gezeigt, was passiere, wenn die Politik nicht mehr beim Bürger ankomme. Landrat und Kreistag seien aufgefordert, der Raumschaft die Hand zu reichen, sonst werde sie sich abwenden und nie mehr zurückschauen. Wenn es den Verantwortlichen im Kreis nicht mehr gelinge, ihre Solidarität mit der Region zu bekunden, bleibe ihnen nur noch der Rücktritt übrig.

Aber auch der Kommunalpolitik vor Ort schrieb Melvin ins Stammbuch, dass sie sich viel aggressiver mit dem Kreis hätten auseinander setzen sollen. Von der Stadt Schramberg und von den Stadträten forderte Melvin entschlossenes Handeln. Es sei an der Zeit, mit der Friede-Freude-Eierkuchen-Politik endlich aufzuhören. "Wir werden weiter demonstrieren, wenn es sein muss in Rottweil, Freiburg oder Stuttgart", verkündete Melvin unter tosendem Beifall.

Nächstes Ziel sei 10000-Mitglieder-Marke, denn gemeinsam werde man stark bleiben. Mit einer versöhnlichen Note klang die Kundgebung aus, als der von Hebamme Casar dirigierte Massenchor dem mit Blumen beschenkten Frauenarzt Halder ein verspätetes Geburtstags-Ständchen sang.