An der Bundesstraße grüßt der Weltmeister-Trainer von der Plakatwand. Foto: Maldacker

Kleines Städtchen, großer Sohn, großer Tag: Weltmeistertrainer bleibt Schönau treu. Er darf nicht mal kostenlos ins Freibad.

Schönau - Die Laune von Jogi Löw dürfte schon besser gewesen sein. Niederlage gegen Polen, Last-Minute-Punktverluste gegen die Iren. Da ist der morgige Termin das geeignete Wellness-Programm. Seit Monaten kaum erwarten können die Menschen im Dreiländereck den großen Tag, an dem der Fußball-Bundestrainer Ehrenbürger seines Geburtsortes Schönau (Kreis Lörrach) wird. Die Gemeinde hat einen "großen Bahnhof"angekündigt.

Etwa 3000 bis 4000 Menschen erwartet die Stadtverwaltung morgen auf dem Rathausplatz und hat sich entsprechend auf den Ansturm vorbereitet. "Aus ganz Deutschland gibt es Anfragen zu dieser Veranstaltung«, schildert der Schönauer Bürgermeister Peter Schelshorn (CDU), eine Anfrage sei sogar aus Kanada an ihn herangetragen worden. Darüber hinaus "kommen inzwischen sogar Autogrammwünsche an Jogi Löw zu uns ins Rathaus«, strahlt das Stadtoberhaupt.

Strahlen dürfen auch die wenigen Auserwählten, die morgen zu den 150 geladenen Gästen zählen. Sie werden in der Aula des Gymnasiums dabei sein, wenn ab 17 Uhr in einem Festakt dem Bundestrainer die Schönauer Ehrenbürgerschaft verliehen wird. Geladen sind außer Joachim Löws Verwandtschaft und Freunden auch lokale Politiker und örtliche Vereinsvorsitzende. Via Videoübertragung aus dem Gymnasium sollen Tausende Menschen auf dem Rathausplatz den Festakt mitverfolgen können.

Sie müssen draußen bleiben, sollen aber nicht außen vor sein. Denn die Fans sind der Stadt und dem Bundestrainer wichtig. Deshalb findet das Bürgerfest auf dem Rathausplatz bereits um 13 Uhr seinen Anfang. Die örtlichen Vereine werden für die Bewirtung sorgen, für die Besucher gibt es als Andenken exklusiv hergestellte Getränkebecher, die mit Schönau-Foto und Stadtwappen versehen sind und der Aufschrift "Weltmeister-Empfang von Jogi Löw – Ich war dabei«.

Ab 16 Uhr wird der Radiosender SWR4 das Geschehen aus Schönau übertragen. Weitere Radiosender wollen zwischendurch immer wieder die Atmosphäre vom Rathausplatz einfangen und senden, erzählt Bürgermeister Schelshorn. Außerdem hätten sich bislang schon fünf Fernsehsender für die Berichterstattung angemeldet.

Die Kosten für Organisation und Technik des Empfangs, die die Stadt tragen muss, kratzen am fünfstelligen Euro-Bereich, heißt es aus dem Rathaus. Sie könnten als Investition gelten. Denn dass sich die Strahlkraft des Bundestrainers für seine Heimat als klingende Münze auszahlen wird, ist sich der Bürgermeister sicher.

"Jogi Löw strahlt für Schönau eine sehr große Werbekraft aus«, sagt der 42-jährige Politiker, der von Schwarzwald-Touristen weiß, die sich eigens wegen Löw zu einem Kurzbesuch ins idyllisch gelegene Städtchen aufmachten. Sie lassen sich vor den Plakatwänden fotografieren, die die Stadtverwaltung bereits am Tag nach dem Finalsieg an zwei Ortsausgängen an die Bundesstraße stellen ließ. Darauf steht: "Schönauer Weltmeister! Wir sind stolz auf Dich! Jogi Löw!«

Der Gemeinderat hat deshalb nicht lange gezögert und bereits Ende Juli in nichtöffentlicher Sitzung Flagge gehisst: Zwölf von zwölf Ratsmitgliedern wollen Joachim Löw zum Schönauer Ehrenbürger haben, außerdem soll der Sportplatz den Namen "Jogi-Löw-Stadion"erhalten. Die Präsentation der Stadiontafel soll Löw morgen auf der Bühne vor johlendem Publikum vornehmen.
Im Städtchen gefallen Jogis Tugenden: Bescheidenheit, Zurückhaltung, Heimatliebe – und sein alemannischer Akzent

Joachim Löw ist zweifellos ein Aushängeschild für Schönau. Die offiziellen Gründe, weshalb der gebürtige Schönauer Joachim Löw die Ehrenbürgerschaft verdient, sind offenbar vielfältig. Dass er Aufmerksamkeit für das Städtchen auf sich zieht, ist das eine. Das andere, wie er sie auf sich zieht. Den Menschen hier im äußersten Südwesten gefallen die Tugenden, die man mit ihrem großen Sohn in der Öffentlichkeit verbindet: Bescheidenheit, Zurückhaltung, Heimatliebe – und sein alemannischer Akzent.

Der Bundestrainer und sein Schönau passen einfach zusammen, glaubt man hier. Und Löw selbst erwidert die Zuneigung zur Geburtsstadt, indem er die Ehrung annimmt. Im Gegensatz zum Ehrungswunsch des Landkreises Lörrach, in dem Schönau liegt, den der Nationaltrainer im vergangenen August ablehnte. Der Kreistag hätte ihm gerne die goldene Ehrennadel verliehen, doch "die Häufung an Auszeichnungen in der Region ist ihm wahrscheinlich zu viel geworden«, quittiert Martina Hinrichs, persönliche Referentin der Landrätin Marion Dammann, die höfliche Absage. Immerhin habe der Bundestrainer aber "einen sehr freundlichen Brief"geschrieben.

Seiner Geburtsstadt aber gab er keinen Korb. Der Bundestrainer schätzt den Ort als persönlichen Rückzugsraum, und die Bevölkerung erweist "ihrem Jogi"diesen Gefallen gerne. Über Löws Privatleben spricht hier niemand laut, schon gar nicht mit Auswärtigen. Man freut sich einfach über seine Anwesenheit, wenn Löw in der Wiesentalgemeinde vorbeischaut, und bleibt gelassen. "Das verleiht den Besuchen eine gewisse Ruhe, die ich genieße«, verriet der Nationalcoach jüngst.

Ruhe, die Jogi Löw morgen aber nicht haben wird. Denn nach dem Festakt steht um 18 Uhr sein Auftritt auf dem Rathausplatz auf der Tagesordnung. Wenn die Stadiontafel enthüllt ist, möchte der Weltmeistertrainer zu seinen Fans sprechen und sich feiern lassen. Während Löw dann noch Autogramme gibt, werden einheimische Musikanten die Menge bis in den späten Abend unterhalten.

Joachim Löw stammt aus Schönau im Schwarzwald. Hier ist er geboren und aufgewachsen, verließ den Ort erst als Volljähriger, um als Profifußballer sein Glück im 30 Kilometer entfernten Freiburg im Breisgau zu suchen. Seither hat er nie wieder in Schönau gelebt, zahlreiche persönliche Kontakte aber sind geblieben.

Der Ort, in dem Löw mit drei jüngeren Brüdern in einer Ofensetzer-Familie aufwuchs, liegt im oberen Wiesental, flankiert von den höchsten Bergen des Landes, Feldberg und Belchen. Der Landstrich ist dünn besiedelt, aber dank mittelständischer Industrie und der Bereitschaft des Berufspendelns kennt man hier keine Arbeitslosigkeit. Trotz seiner nur 2300 Einwohner beherbergt Schönau als Verwaltungshauptstadt ein Amtsgericht, ein Notariat, einen Polizeiposten und ein Gymnasium. Man wählt schwarz und glaubt katholisch. Bürgermeister Peter Schelshorn ist auch Kommandant der örtlichen Feuerwehr.

Sorgen macht man sich in Schönau derzeit über die Sanierung des maroden Freibads, sie ist für die Gemeinde kaum zu finanzieren. Denn auch an der Mehrzweckhalle muss dringend nachgebessert werden. Die Landwirtschaft spielt in Schönau keine Rolle mehr, und doch ist das Städtchen für seinen Zuchtviehmarkt für Rasse-Rinder berühmt. Die Versteigerung des Hinterwälder-Viehs findet zweimal jährlich statt und gibt es landesweit nur hier.

Die Erfolgsgeschichte des talentierten Jungfußballers Joachim Löw begann in Schönau. Doch der Beginn seiner Karriere war das Ende seiner Schönauer Zeit. Mit 18 verließ der Schwarzwaldbub seine dörfliche Heimat. An den Moment des Abschieds kann sich der 84-jährige Hans Schönwald noch gut erinnern. "Das war sehr hart für uns«, blickt Löws damaliger Jugendtrainer des FC Schönau auf den Tag zurück, als Jogi in Freiburg zunächst beim SV Eintracht anheuerte. Seit diesem Sommer ist Jogi Löw in den sportlichen Olymp aufgestiegen.

Zur Elite einer anderen Art gehört der Bundestrainer jetzt ebenfalls. Bislang listet die Stadt Schönau fünf Ehrenbürger. Fünf Männer und keine Frau hatte man vor Joachim Löw mit dieser höchsten kommunalen Auszeichnung für ihre Verdienste belohnt. Die beiden noch lebenden Ehrenbürger sind über 80 Jahre alt und wichtige mittelständische Unternehmer am Ort. Durch großzügige Spenden unterstützen sie das soziale und kulturelle Leben, ob Mensa des Gymnasiums, Freilichtbühne oder die kommunale Jugendarbeit.

Dass Joachim Löw, der erst 54 ist, nicht nur die Ausstrahlung nach Schönau trug, sondern der Stadt auch materielle Dienste geleistet hat, lässt Bürgermeister Schelshorn in diesen Tagen nicht unerwähnt. So habe Löw schon vor vielen Jahren "mit einem größeren Betrag"den damals neuen Kunstrasen des Schönauer Sportplatzes mitfinanziert und dem Belchenstädtchen außerdem eines von bundesweit 1019 Mini-Spielfeldern des Deutschen Fußballbundes beschert, das Schönau aufgrund seiner geringen Bevölkerungszahl eigentlich nicht zugestanden hätte. Morgen sagt Schönau im Schwarzwald seinem großen Sohn nun "Danke«.

Auf mehr Vorzüge als die Ehre wird der neue Ehrenbürger nach der Ernennung freilich nicht zählen können. Nicht einmal der Eintritt ins Freibad ist für die Ehrenbürger offiziell kostenlos. "Das Ehrenbürgerrecht ist eine reine Ehrenbezeichnung und weder mit besonderen Rechten noch mit besonderen Pflichten verbunden«, erläutert Bürgermeister Peter Schelshorn.

Außer dem Umstand, dass der Bundestrainer in Schönau künftig ein Stadion besuchen kann, das seinen Namen trägt. "Das gefällt ihm natürlich schon«, kommentiert einer, der ihn aus Kindheitstagen kennt. Dietmar Krumm, auf dem Schönauer Rathaus der Hauptamtsleiter, schnürte seinerzeit mit Joachim Löw die Fußballschuhe. Auf eben jenem Sportplatz, der jetzt "Jogi-Löw-Stadion"heißt.