Der Kanadaring ist ein Positiv-Beispiel für die Sicherung von Wohnraum in Lahr. Die Gebäude dort sind saniert, das gesamte Quartier ist aufgewertet worden. Foto: Wohnbau

Für den Immobilienmarkt in der Stadt haben die 501 Umfrageteilnehmer die mit Abstand schlechteste Gesamtnote des Orts-Checks vergeben. Vor allem Wohnungen für den kleinen Geldbeutel fehlen. Bei der städtischen Wohnbaugesellschaft stehen knapp 1000 Mieter auf der Warteliste.

Vor wenigen Tagen war ein großer Bahnhof im 1960er-Jahre-Quartier Eichert, das seit einiger Zeit Gartenhöfe heißt: Stadt und Wohnbau hatten zum Spatenstich für das mit Abstand größte Neubauprojekt in Lahr eingeladen. Im Lahrer Westen werden in den kommenden Jahren in zwei Bauabschnitten gut 200 Wohnungen errichtet, die zuerst den Menschen angeboten werden, deren Häuser dort zuvor abgerissen werden. Ab 2027/28 entstehen in den Gartenhöfen zusätzliche 132 Wohnungen. Ein Anlass zur Freude, beim Spatenstich herrschte unter den 50 Besuchern gute Stimmung.

Das Projekt Gartenhöfe – der Name kommt daher, dass zwischen den neuen Wohngebäuden Innenhöfe mit viel Grün entstehen sollen – ist ein Lichtblick für den Lahrer Immobilienmarkt. Es braucht dieses Projekt aber auch. Denn die Stadt marschiert stramm auf die 50 000-Einwohner-Marke zu – und der Wohnungsmarkt kann damit momentan nicht Schritt halten. Vor allem für Mieter mit kleinem Geldbeutel fehlt es an Wohnungen.

Ein schwacher Trost ist es, dass die Lage auf dem Immobilienmarkt in allen teilnehmenden Kommunen des Orts-Checks trüb ist. Die rund 1400 Umfrageteilnehmer vergaben für diesen Bereich die Gesamtnote 4,83 – die mit Abstand schlechteste Bewertung aller 14 abgefragten Kategorien. Wohnungen sind eben überall rar, besonders aber in Lahr. Die 501 Umfrageteilnehmer aus der Stadt bewerteten die Situation auf dem Lahrer Immobilienmarkt mit der Note 3,99 – und somit noch mal schlechter als der Gesamtschnitt.

Eine steigende Nachfrage trifft auf ein Angebot, das nicht Schritt halten kann.

Das Problem bekommen Menschen zu spüren, die sich auf die wenigen Mietangebote in Lahr bewerben und sich Absage auf Absage abholen. Die Konkurrenz ist einfach zu groß. Deshalb kommt es immer wieder vor, dass Menschen nach einem Schicksalsschlag sogar auf der Straße landen. Unsere Redaktion hat in den vergangenen Monaten über zwei dieser Fälle berichtet: Männer in den besten Jahren, die plötzlich ohne Dach über dem Kopf dastanden. Weil in Lahr einfach keine neue, bezahlbare Bleibe für sie verfügbar ist.

Bei der Wohnbau stehen knapp 1000 Interessenten auf der Liste

Größter Vermieter der Stadt ist die städtische Wohnbaugesellschaft, die 1345 Wohnungen besitzt. Knapp 1000 Interessenten stehen bei der Wohnbau auf der Warteliste, die eine Art Datenbank ist und ständig aktualisiert wird. „Karteileichen“ sind somit ausgeschlossen. Wer sich als Interessent auf einem Online-Formular registriert, gibt neben seinen Kontaktdaten auch Vorlieben, etwa zur Wohnungsgröße, an. Außerdem teilt jeder Antragsteller mit, was er sich leisten kann und für wie viele Personen er etwas sucht. Sobald etwas frei wird, werden die Interessenten aus dem Datenbestand ermittelt, deren Präferenzen zu der Wohnung passen. Dabei werden auch Härtefälle berücksichtigt. Trotzdem müssen die meisten Antragsteller mangels Angebot enttäuscht werden.

Preise für Neubauten steigen immer weiter an

Eine immer größere Nachfrage trifft auf ein Angebot, das mit dieser Entwicklung nicht Schritt halten kann. So könnte man die Lage auf dem Lahrer Wohnungsmarkt beschreiben. Das liegt vor allem auch daran, dass immer weniger Menschen bauen wollen, und zwar aus Gründen, die nicht in der Lahrer Lokalpolitik zu suchen sind. Denn das Bauen ist allgemein immer teurer geworden. So rechnet das Statistische Bundesamt vor, dass die Preise für Neubauten in Deutschland allein von 2020 auf 2021 um etwa 3,1 Prozent gestiegen sind.

Vor allem die Kosten für Holz, Beton sowie Maurerarbeiten sind nach oben gegangen. Aber auch Sanitäranlagen und Fachkräfte wie Elektriker und Tischler verursachten heute höhere Ausgaben, heißt es. Branchenkenner nennen auch die vielen Vorschriften, die Regierung und Behörden erlassen, als Gründe, weshalb heutzutage weniger gebaut wird.

Stadt will Menschen vor Obdachlosigkeit schützen

Dieses Argument war auch zu hören, als es in der TV-Talkshow „Hart, aber fair“ kürzlich um die Wohnungsnot ging. Gerhard Matzig, Architektur-Journalist bei der Süddeutschen Zeitung, sagte als Studiogast, dass beim Bau 3700 Normen zu beachten seien, mit dem Ergebnis, „dass wir den besten Schallschutz der Welt haben“. Was die Wohnungsnot allerdings kaum lindern dürfte.

Eine ganz praktische Hilfe bietet dagegen die Fachstelle Wohnraumsicherung der Stadtverwaltung, an die sich seit Februar 2022 Menschen in Lahr wenden können, die von Wohnungsverlust und Obdachlosigkeit bedroht sind. Sozialarbeiter Martin Zimmermann leitet nicht nur die Stelle – er ist auch ihr einziger Mitarbeiter. Den Kontakt zu ihm suchen die meisten betroffenen Mieter selbst – man sei zunehmend bekannter geworden, so Zimmermann. Ansonsten läuft die Kontaktaufnahme nach Hinweisen durch andere Stellen und Kooperationspartner wie dem Lahrer Amtsgericht. Dieses informiert die Fachstelle über neue Räumungsklagen.

Eine Fachstelle bei der Stadtverwaltung liefert ganz praktische Hilfe

Die Zahlen, die Zimmermann vorstellte, konnten sich sehen lassen: Insgesamt vermochte er bei 60 Fällen den Wohnraum durch Vermittlung mit Vermietern zu sichern, bei 27 unterstützte er die erfolgreiche Suche nach einer Alternativwohnung. Laut Zimmermann sei die erste Priorität, „zu schauen, was die Problemlagen sind und ob man den Wohnraum sichern kann“. Dafür werde auch zwischen Vermietern und Mietern vermittelt und geprüft, ob Mietschulden übernommen werden können.

Bei der Stadt wird also einiges getan, um die Folgen des engen Immobilienmarkts für die Betroffenen abzumildern. Dabei schätzt die Stadtverwaltung die Lage auf dem Lahrer Wohnungsmarkt, vor allem auf längere Sicht, offenbar als nicht so dramatisch ein wie die Umfrageteilnehmer des Orts-Checks. Äußere Entwicklungen wie die hohen Flüchtlingszahlen mit ihren Auswirkungen auf den Lahrer Wohnungsmarkt ließen sich kaum vorhersehen, heißt es auf Nachfrage aus dem Rathaus. Aber allein die große Anzahl an Wohnbauprojekten, die 2023 und 2024 fertiggestellt werden, würden eine Entspannung erwarten lassen. Altenberg, Quartier am Stadtpark, Roth-Händle, Lotzbeckstraße, Bädleweg und im Eigenheimbau Hosenmatten II würden in der Summe einen kurzfristigen Zuwachs von 600 bis 700 neuen Wohnungen in unterschiedlichen Größen bedeuten. Dazu würden noch kleinere Vorhaben kommen. Insgesamt würden damit auch rund 100 neue geförderte Wohnungen mit moderaten Kaltmieten um die sieben Euro pro Quadratmeter auf den Mark kommen. 

Für die Folgejahre stehen laut Stadt weitere größere Wohnbauprojekte an, zum Beispiel eben die Gartenhöfe durch die Wohnbau Stadt Lahr.