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Gift in Kinderspielzeug will keiner haben. Trotzdem lockert die EU die Grenzwerte für Schadstoffe.

Stuttgart Es wird heruntergeworfen, abgelutscht, gekuschelt: Spielzeug muss eine Menge aushalten, weswegen insbesondere für Schadstoffe strenge Regeln gelten. Die EU will diese jetzt aufweichen, die Bundesregierung klagt dagegen. Chemikerin Kristina Pötter erklärt, was der Streit für die Verbraucher bedeutet. -


Frau Pötter, wenn die Regeln für Schadstoffe bei Spielzeug bisher so gut waren, warum werden sie dann überhaupt geändert?
Die Spielzeug-Richtlinie besteht aus mehreren Teilen. In einem geht es um die technische Sicherheit, also wie spitz Spielzeuge sein dürfen oder wie fest sie zusammengeklebt sein müssen. Dieser Teil war schon immer gut geregelt und wurde auch nicht groß verändert. Das Ziel war eigentlich, den chemischen Teil zu verbessern, der bislang sehr unvollständig war. Die neue Richtlinie sollte dazu führen, dass der Schutz vor Schadstoffen für Kinder besser wird.

Stattdessen wurde er jetzt verschlechtert?
Nicht überall, aber zumindest in Teilen. Es gibt den Bereich der Chemikalien, die in Verdacht stehen, krebserregend zu sein, die Fortpflanzung zu gefährden oder das Erbgut zu verändern. Für diese gab es bisher noch überhaupt keine Regelung. Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) beispielsweise sind krebserregend und stecken in schwarz gefärbtem Gummi, etwa in den Reifen von Spielzeugautos. Der nun festgelegte Grenzwert für Spielzeug ist um 100-mal höher als der Wert für PAK in normalen Autoreifen. Und von anderen Schadstoffen darf künftig mehr abgegeben werden als bisher.

Bislang hatten die Hersteller auch kein Problem damit, die strengeren Grenzwerte einzuhalten, oder? Wie kommt die EU auf die neuen Berechnungen?
Die Untersuchungen bei uns im Labor zeigen tatsächlich, dass die Hersteller auch die strengeren alten Werte einhalten können. Die neuen Werte wurden von Toxikologen berechnet. Es geht darum, die Menge eines Stoffes festzulegen, durch die ein Kind nicht geschädigt wird. Das hängt unter anderem von den verschluckbaren Teilen an den Spielzeugen ab, vom Körpergewicht und von neuen Forschungsergebnissen über die Gefährlichkeit der Stoffe.

Woher weiß man überhaupt, wie viele Schadstoffe eines Spielzeugs ein Kind aufnimmt?
Man geht hier immer vom schlimmsten Fall aus: Das Kind verschluckt das Spielzeug, was passiert damit im Magen? Also wird aus Salzsäure eine künstliche Magensäure zusammengemischt und das Spielzeug darin eingelegt. So lässt sich berechnen, wie viele Schadstoffe abgegeben werden. Wir arbeiten ähnlich, wenn wir das Spielzeug prüfen.

In jedem Spielzeug stecken viele verschiedene Schadstoffe. In den Landesuntersuchungsämtern wie bei Ihnen in Rheinland-Pfalz werden Spielzeuge daraufhin geprüft. Können Sie überhaupt alle testen?
Nein, wir greifen uns normalerweise einen Punkt heraus, beispielsweise giftige Farbstoffe oder PAK, damit wird natürlich immer nur ein Bruchteil beleuchtet. Und wir können nur auf Stoffe testen, die wir kennen. Alle Inhalte aber kennt nur der Hersteller.

Nach wie vor werden etwa 80 Prozent der Spielwaren in China hergestellt. Ist das auch ein Teil des Problems?
Eigentlich muss jedes Spielzeug, dass in der EU verkauft wird auch nach der EU-Spielzeugrichtlinie gefertigt werden. Und einige Hersteller lassen ihre Spielwaren inzwischen auch bereits in China von Prüflaboren wie dem TÜV Rheinland untersuchen, bevor sie überhaupt nach Europa kommen. Andere haben aus den Skandalen vor einigen Jahren gelernt und produzieren wieder mehr in Europa. Allein von den Zahlen her stammen aber noch immer die meisten gefährlichen Spielzeuge aus China – was sich aber eben auch dadurch erklärt, dass China einfach unser größter Spielzeugproduzent ist.

Man hat das Gefühl, dass die letzten Jahre mehr über Schadstoffe in Spielzeug diskutiert wird, als früher. Stecken auch wirklich mehr darin oder wurde früher einfach weniger getestet?
In meinen alten Puppen würde ich garantiert Weichmacher finden, die heute verboten sind. Für viele Schadstoffe gab es früher tatsächlich keine Regelung. Es ist aber auch so, dass Spielzeug immer billiger geworden ist. Bei einer Puppe für einen Euro muss einem eben auch klar sein, dass der Preis nur zustande kommen kann, weil unter Umständen die Arbeitsbedingungen schlecht waren oder die rechtlichen Regelungen nicht eingehalten wurden. Der Preis für eine gewisse Qualität muss schon realistisch sein.

Hat Deutschlands Klage in der EU denn Aussicht auf Erfolg?
Die Spielzeugrichtlinie wird ja schon seit Jahren diskutiert. Und im Fall der Nitrosamine hat sich Deutschland auch schon einmal erfolgreich gewehrt. Diese krebserregenden Stoffe können in Babyspielzeug aus Kautschuk vorkommen. Weil Kleinkinder gern auf so etwas herumkauen, galten in Deutschland hierfür schärfere Werte als für Luftballons, in denen auch Nitrosamine sein können. Die aber hat man ja nur kurz zum Aufblasen im Mund. Die EU wollte die Werte von Babyspielzeug und Luftballonen vereinheitlichen, Deutschland konnte aber die strengeren nationalen Grenzwerte für Babyspielzeug behalten. Einen Versuch ist es also auf jeden Fall wert.