Baustelle reiht sich an Baustelle. Foto: Cools

Von lästigen Sperrungen, abgehängten Ortsteilen, Blechlawinen und verwirrten Autofahrern.

Kreis Rottweil - Kaum ein Thema sorgt derzeit für mehr Gesprächsstoff im Landkreis als die Baustellen-Inflation auf den überörtlichen Straßen. Wir haben uns im Kreis umgesehen, erheben aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Mancher Autofahrer fragt sich derzeit beim Morgenkaffee: "Welche Umleitung muss ich heute fahren oder nehm’ ich gleich den Schleichweg?" Es ist aber auch schwierig, den Überblick über wechselnde Bauabschnitte, Absperrbaken und Ab- und Umleitungsschilder zu bewahren.

Da suchen sich viele lieber einen Schleichweg und fahren dem Umleitungsmarathon einfach davon. Allerdings kann einem, wenn auf einem schmalen Gemeindeverbindungsweg hinter einer Kuppe ein tonnenschwerer SUV mit hohem Tempo auftaucht, schon der Schreck in die Glieder fahren. Und Vorsicht, einem Polizisten wird man auf einem landwirtschaftlichen Weg kaum glaubhaft vermitteln können, dass die eigene schnittige Limousine ein Mähdrescher ist.

Mancher macht sich gleich die eigenen Regeln, ignoriert Hinweis- und Verbotsschilder. Aber Eigenmächtigkeiten können sich rächen, wenn man plötzlich mitten in einer Baustelle steht, womöglich, wie vor einigen Wochen zwischen Schramberg und Dunningen, mit aufgerissener Ölwanne.

Leidtragende der grassierenden "Baustelleritis" sind die, die links und rechts der Bundes- und Landesstraßen wohnen. Durch manche Ortschaft bewegt sich, den Umleitungen folgend, zeitweise eine Karawane von 40-Tonnern, hinzu kommen Hunderte Pendler. So wird in diesem bauintensiven Sommer so manche Ortsdurchfahrt zu einem Nadelöhr. Und am Ende sind alle genervt – die Autofahrer, die doppelt so lange zum Arbeitsplatz brauchen, und die Anwohner, die fassungslos wahre Blechlawinen vor der Haustür registrieren.

Doch zurück zu jenen Fahrern, die sich brav den Umleitungen folgen. Ihnen wird viel abverlangt, denn in beinahe jeder Ecke des Landkreises gibt es den Bauarbeiten geschuldete Streckensperrungen. Hier ein paar Beispiele, die teilweise auch für Aufregung gesorgt haben.

Dunningen/Stetten

Besonders getroffen hat es in diesem Sommer die Dunninger. So frisst sich seit Anfang Mai eine Baustelle durch die Ortsmitte. Bei der Sanierung und Umgestaltung der "B  462 alt" ist nicht nur in diesem, sondern auch im nächsten Jahr Geduld gefragt. Der einheimische Verkehr fließt jetzt vermehrt durch die Nebenstraßen. Nach einigen Wochen zerrt die Situation an den Nerven der Anwohner, und das wird in diesem Jahr noch bis November so gehen.

Auch auf der Umfahrung ist kein Durchkommen. Statt geradeaus geht es seit gestern an der Ausfahrt Dunningen-Ost rechts ab erstmal wieder in Richtung Dunningen. Der Kreisverkehr am Röteweg leitet die Autofahrer nach Lackendorf. Der gesamte Ort wird durchquert und am Ende geht es links Richtung Hochwald und zur Bundesstraße.

Die meisten Autofahrer folgten gestern Morgen allerdings ihrer seit Wochen geübten Praxis und fuhren Richtung Stetten, das nicht mehr Teil der Umleitung ist.

Nicht alle Lackendorfer und Stettener nahmen in den vergangenen Wochen die Umleitung durchs Dorf ungerührt hin. So beklagte sich ein Stettener gegenüber unserer Zeitung über die "chaotischen Zustände" auf der Umleitungsstrecke. Der Verkehr "quäle" sich geradezu durch die engen Straßen des Ortes.

In Lackendorf hingegen beklagt man sich laut Ortsvorsteher Hermann Hirt bereits laut darüber, dass man aus seinem an der Ortsdurchfahrt gelegenen Grundstück kaum ausfahren könne, so dicht fließe der Verkehr.

Auch aus der anderen Richtung hatte es Ärger gegeben. Obwohl die Kreisstraße zwischen Stetten und Zimmern nur in Richtung Zimmern befahren werden durfte, schnitzte sich mancher Autofahrer die eigenen Regeln. Die Fahrer umkurvten frohgemut die Absperrung am Verkehrskreisel am Interkommunalen Gewerbegebiet und nahmen das "Durchfahrt-verboten"-Schild wohl nur als Anregung.

Wer aus Richtung Schramberg nach Villingendorf möchte, muss dennoch über die Ausfahrt Rottweil-Nord fahren oder von der anderen Seite über Herrenzimmern.

Zimmern

Und so geht es weiter: Die nächste Baustelle wartet bereits wenige Kilometer weiter. Heute beginnen an der Bundesstraße 14 bei Zimmern die Arbeiten zur Verlängerung einer Lärmschutzwand zum Baugebiet Ost. Während der rund sechswöchigen Bauzeit muss die Bundesstraße halbseitig gesperrt werden. Der Verkehr wird per Ampel wechselseitig an der Baustelle vorbeigeführt. Zudem wird die Auffahrt an der Anschlussstelle Rottweil-Mitte gesperrt, so dass eine Auffahrt in Richtung Schramberg/Villingendorf nicht möglich ist. Die Umleitung führt durch Zimmern.

Neufra

Das nächste Hindernis wartet ebenfalls auf der B14 zwischen Neufra und Aixheim. Die Straße wird voll gesperrt, da der Belag seit gestern verstärkt wird. Die Straße, in den 60er-Jahren gebaut, weist inzwischen Bodenwellen, Risse und Absenkungen auf, weil sie schlicht dem heutigen Verkehr nicht mehr gewachsen ist. Die Straße muss für rund 3,5 Millionen Euro neu gebaut werden. Der Verkehr wird voraussichtlich bis Dezember über Wellendingen und Frittlingen umgeleitet.

Wer jedoch glaubt, das allgemeine Hindernisrennen finde nur im südlichen Kreisgebiet statt, der irrt.

Lauterbach

Mit gleich drei Brückensanierungen über den Lauterbach und den Trombach zwischen Schramberg und Lauterbach und in der Ortsdurchfahrt schlagen sich die Lauterbacher bereits seit Anfang Mai herum. Die Brücken werden mit einem Kostenaufwand von 700 000 Euro parallel saniert. Die Arbeiten sind allerdings schon weit fortgeschritten, im Oktober soll es dann geschafft sein.

Unmut gab es allerdings in der Lauterbacher Gastronomie bis hinauf auf den Fohrenbühl, die sich durch fehlende Beschilderung von ihren Gästen abgeschnitten fühlte. Einige Autofahrer scheinen das Bauende nicht mehr erwarten zu können. Diese lösen gelegentlich Kopfschütteln aus, wenn sie bei roter Ampel, oder mit überhöhter Geschwindigkeit durch die Baustellen preschen.

Oberndorf

Der Kreisel auf dem Lindenhof ist das Drehkreuz für den Verkehr zwischen Oberndorf, Schramberg und Freudenstadt. Wegen Sanierungsarbeiten ist der Kreisverkehr am Gewerbegbiet seit Montag für drei Wochen gesperrt. In dieser Zeit werden die Fahrbahndecke verstärkt und Randsteine ausgetauscht.

Wenn am 11. September die Schulbusse wieder unterwegs sind, muss alles fertig sein – soweit die Maßgabe. Der Verkehr wird großräumig über andere Strecken umgeleitet – zum Teil über die ehemalige B 14 in Richtungs Sulz bis zum Abzweig nach Weiden oder von Epfendorf aus über Bösingen. Bei der Planung war zu beachten, dass einige Strecken rund um Oberndorf nicht für Lastwagen zugelassen sind.

Viele Autofahrer nehmen inzwischen den Weg über den Real-Markt und fädeln in die alte Fluorner Straße ein. Dort hat die Polizei allerdings bereits Radarkontrollen durchgeführt. Eine Sonderregelung gibt es für die Mitarbeiter und Anlieferer der angrenzenden Firmen Heckler & Koch, Mafell und Exeron.

Fluorn-Winzeln

Nur wenige Kilometer weiter ist eine weitere große Baustelle im Gange. In Fluorn entsteht ein neuer Kreisverkehr, zudem wird die Rötenberger Straße saniert. Seit Ende Juni ist deshalb die Ortsdurchfahrt gesperrt. Die Vollsperrung sorgte schon für Ärger. Da die überörtliche Umleitung nicht von allen Autofahrern beachtet wurde, gingen viele Beschwerden und Anregungen von Anliegern der betroffenen Wohngebiete in Fluorn bei der Gemeindeverwaltung ein. Es gab Geschwindigkeits-Messungen des Landratsamts sowie Messungen und Kontrollen durch die Polizei im Wohngebiet. Zudem wurden mehrere Schilder "Ortsdurchfahrt Fluorn gesperrt" in Waldmössingen, Winzeln sowie am Kreisverkehr nördlich von Peterzell und am Wiesochkreisel aufgestellt.

Die Straßenbauarbeiter in Fluorn gehören übrigens zu den am besten versorgten im Kreis Rottweil. Anwohner und anliegende Betriebe bringen den Männern regelmäßig Vesper, damit die Maßnahme möglichst schnell abgeschlossen werden kann. Denn für die Läden bedeutet die Baustelle Umsatzeinbußen. Bis zum Jahresende soll alles fertig sein. Das Ende der Arbeiten am Kreisverkehr soll Ende Oktober – womöglich schon früher – erreicht sein.

Glattal

Drei Bauabschnitte, drei Jahre, blanke Nerven – von der Baustellenkrise können auch die Bewohner des Glatttals ein Lied singen. Wer dort die K 5508 erwähnt, der erntet böse Blicke oder darf sich gegen Beschwerden wappnen.

Der Ärger begann mit der Sperrung der Glatttalbrücke zwischen dem Sulzer Stadtteil Glatt und Neckarhausen (Horb) im September 2016. Sie ist Teil des Mammutprojekts "Sanierung der Kreisstraße 5508". Bis Mai war die Brücke bei der Glatter Kläranlage gesperrt – für Gastronomen und Gewerbetreibende im Glatttal damals eine "Katastrophe", denn Ortsunkundige kämen mit den Umleitungen nicht zurecht. Autofahrer wurden nämlich teilweise über Hopfau, Dürrenmettstetten und Dettingen geführt.

Die Sperrung sei für manche sogar existenzbedrohend gewesen, hieß es. So habe es Umsatzeinbußen von bis zu 40 Prozent gegeben, etwa im Glatter Schlosscafé.

Ulrike Pape, Inhaberin des Glatter Tante-Emma-Ladens hat mit Umsatzeinbußen von etwa 30 Prozent zu kämpfen, da ihr der Durchgangsverkehr fehlt. Seit Juni dieses Jahres wird nämlich der 3,3 Kilometer lange Straßenabschnitt zwischen Hopfau und Glatt saniert. Betroffen sind weitere Unternehmer in Glatt und Hopfau, denen die Kundschaft des jeweils anderen Ortes fehlt.

Und ein Ende ist kaum in Sicht. Bis Dezember sollen die Arbeiten noch dauern. Doch auch dann gibt es nur ein kurzzeitiges Aufatmen, denn der letzte Bauabschnitt zwischen Glatt und Neckarhausen wartet noch.

Die Situation ist angespannt, die Glatter und Hopfauer genervt. "Die Straße ist zu, und es passiert nichts", hat Pape den Eindruck, auch wenn Ortsvorsteher Pfister die Baustelle regelmäßig kontrolliert und Gegenteiliges weiß. Trotzdem ist die Ladeninhaberin nur schwer zu besänftigen, denn sie weiß: Lebensmittel gibt es überall.

Kommentar

Winterfreuden

von Peter Schönfelder

Der nächste Winter kommt bestimmt – einst ein Werbespruch des Kohlebergbaus, könnte dies heute ein hoffnungsvoller Stoßseufzer der Autofahrer und der Anwohner auf und an den zahlreichen Umleitungen im Landkreis sein. Denn der Winter bringt nicht nur Kälte und Schnee, sondern auch das Ende vieler Baustellen. Das Regierungspräsidium steckt in einem Dilemma.

Zwar wollen alle gute Straßen, aber wenn es an die Bauarbeiten geht, sind Autofahrer und Anwohner schnell genervt. Die Verantwortlichen sind bemüht, Sperrungen und Umleitungen und damit die lästigen Unbequemlichkeiten in Grenzen zu halten. Das klappt nicht immer und um die Fakten der Infrastruktur kommen auch sie nicht herum. Jetzt heißt es, sich noch eine Weile in Geduld zu üben und vorausschauend zu fahren. Dann ist der Spuk bald vorbei.