Foto: Röseler

Ein Übungsschwerpunkt des Rescue-Camps liegt dieses Jahr in Rottweil. Erdbeben in Italien vor Augen.

Kreis Rottweil - Aus der Ferne höre ich das hektische Bellen eines Hundes. Jemand ruft laut "such". Ich liege in einer dunklen, schmutzigen Röhre. Sie ist so niedrig, dass ich mir beim Versuch, mich aufzurichten, sofort den Kopf stoße. Durch das Ende der Röhre fällt nur schwaches Tageslicht.

Von meiner Umgebung sehe ich nicht viel, nur ein paar Blätter und Äste liegen vor mir auf dem Boden. Ich bleibe liegen und merke, wie mir der Hund immer näher kommt. Er rennt jetzt direkt über mir hinweg, die Decke über meinem Kopf vibriert leicht.

Das Bellen des Hundes wird immer lauter, angespannt warte ich darauf, dass er mich findet. Doch meine Hoffnung zerschlägt sich, als sich das aufgeregte Bellen des Hundes plötzlich wieder von mir entfernt. Aus der Ferne ruft eine Frauenstimme erneut "such".

Ein paar Wimpernschläge später kommt ein schwarzer Hund wie aus dem Nichts direkt auf mich zugeschossen. Er rennt zu mir in die Röhre und springt aufgeregt vor mir auf und ab. Von seinem lauten Bellen bin ich ein wenig erschrocken, noch habe ich nicht ganz realisiert, dass ich gerettet bin.

Doch dann beugt sich eine Frau vor der Röhre mir und dem Hund entgegen, sie trägt ein T-Shirt mit dem Logo des Roten Kreuzes. Sie heißt Tanja Trempeck und ihre Hündin heißt Nyscha. Die beiden sind Teil einer großen Katastrophenübung, des sogenannten "Rescue-Camps" von dem ich heute ein Teil bin.

Retter begeben sich in akute Lebensgefahr

Rückblickend hätte mir klar sein müssen, was auf mich zukommt. Schon beim Heranfahren an das Übungsgelände haben die Schilder am Fuße des Thyssen-Testturms ein mulmiges Gefühl in mir ausgelöst. "Achtung Lebensgefahr" steht da.

Auch wenn ich heute nicht in Lebensgefahr war und glücklicherweise unverletzt bin, so habe ich doch einen Eindruck davon bekommen, wie es sich anfühlen muss, verschüttet zu sein.

Und nicht nur verschüttete Menschen sind in Katastrophenfällen in akuter Lebensgefahr, auch die Rettungsteams, die heute am Berner Feld für den Ernstfall proben, riskieren ihr oft ihr Leben, um andere Menschen zu retten. Einmal im Jahr findet das Rescue-Camp statt, in diesem Jahr zum ersten Mal im Südwesten, genauer gesagt im Schwarzwald-Baar-Kreis. Ein Übungsschwerpunkt liegt in Rottweil.

In dem heute geprobten Szenario hat es einen heftigen Sturm gegeben. Die Gegend ist überschwemmt, die Infrastruktur ist zusammengebrochen. Die Rettungsdienste aus Rottweil haben Unterstützung aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis angefordert.

Ein Team des Technischen Hilfswerks fährt heran. Kurz darauf läuft ein Rettungstrupp, bestehend aus einem Gruppenführer sowie drei Hundeführern und ihren Tieren auf den Einsatzleiter, Peter Schüler, zu.

Schüler erklärt der Gruppe die Situation. "Das hier waren mal Geschäfte", sagt er und deutet auf das Trümmerfeld. Dort stapeln sich Steinplatten und Mauerteile. Fensterläden und Ziegelsteine liegen kreuz und quer übereinander.

In dem Areal, das in zwei Sektoren unterteilt ist, war auch eine Zoohandlung. Ob sich giftige Tiere auf dem Gelände befinden, ist unklar. Geschäftsführer und Besitzer sind nicht auffindbar.

Zuerst soll das Team den Sektor eins absuchen. Erst wenn sicher ist, dass dort alle Personen gefunden wurden, darf in Sektor zwei vorgerückt werden. Die Hundeführer müssen dabei Abstand zu ihren Tieren halten und dürfen sich nur entlang einer festgelegten Markierung bewegen. Der Rettungstrupp ist gut vorbereitet: Man trägt Schutzkleidung und Helme. "Es gibt keine Rettungsmittel" sagt Schüler streng und verschärft dadurch die Bedingungen.

"Ist es für den Hund ungefährlich", fragt ihn eine Hundeführerin. "Das kann man im Moment noch nicht klar sagen", wird ihr geantwortet.

Der Teamführer überlegt kurz, dann beschließt er, zwei Hunde in das Gelände hineinzuschicken. Außerdem will er den Ort, wo die Tierhandlung stand, genau checken, um sicherzugehen, dass man die Fläche darum herum zum Absuchen freigeben kann. "Da hat sich bis jetzt noch niemand hineingetraut", sagt Schüler.

Über 200 ehrenamtliche Helfer sind im Einsatz

"Such" ruft die Hundeführerin ihrem Hund unbeirrt zu, der daraufhin quer über das Gelände rennt. Oft kommt er dem verbotenen Sektor gefährlich nahe und muss zurückgepfiffen werden.

In der Nähe eines Containers bleibt er plötzlich abrupt stehen und schnüffelt angestrengt mit der Nase auf dem Boden herum.

Plötzlich springt er aufgeregt nach oben, immer und immer wieder. Er bellt laut und wedelt mit dem Schwanz – bis seine Besitzerin zu ihm gelaufen kommt und ihn beruhigt.

Dann klopft sie schnell an die Tür des Containers. "Hallo, ist da jemand", ruft sie und reißt die Tür auf. Im Inneren des Containers, der nicht höher ist als ein Tisch, liegt ein Mann. Er ist kaum bei Bewusstsein, seine Augen sind fast geschlossen. "Je parle francais", sagt er schwach.

"Wir brauchen einen Rettungswagen und einen Dolmetscher", ruft die Hundeführerin laut. Ihre Kollegen eilen herbei, um erste Hilfe zu leisten und den Mann zu bergen. Genau wie ich, ist er heute nur ein Schauspieler, in einer beängstigend realistischen Übung.

Über 200 ehrenamtliche Helfer sind seit Donnerstag bis heute Nachmittag im Einsatz, um die Bedingungen für 60 Retter und ihre 40 Hunde so authentisch wie möglich darzustellen. Das Rescue-Camp, das vom Kreisverband Villingen-Schwenningen des Deutschen Roten Kreuzes veranstaltet wird, ist in der Planung und Durchführung eine wahre Herkulesaufgabe.

Seit über einem Jahr sind die Veranstalter damit beschäftigt gewesen, Genehmigungen einzuholen, und die 36-stündige Katastrophenübung vorzubereiten. Die heutige Übung am Berner Feld war nur eine der vielen Schadenstellen, an denen 14 Teams aus ganz Deutschland ihr Können beweisen müssen.

Doch aufgrund der tragischen Ereignisse in Italien geht den Rettungstrupps das Trümmerfeld unterhalb des Testturms besonders nahe. "Wir haben alle noch die Bilder im Kopf", sagt Tanja Tremepck bewegt.

Die Hundeführerin weiß, worauf es in Ausnahmefällen ankommt. "Das Zusammenspiel zwischen Hund und Hundeführer ist ganz wichtig, damit ein Einsatz erfolgreich abgeschlossen werden kann", sagt sie und streichelt Hündin Nyscha über den Kopf.

n Online Fotostrecke Weitere Bilder zum Rescue-Camp in Rottweil unter www.schwarzwaelder-bote.de