Thomas Jarzina, einmal dicker, einmal dünner. Fotos: Kammerer/privat Foto: Schwarzwälder-Bote

Thomas Jarzina erzählt vom Kampf mit den Kilos / Heute leitet er die Adipositas-Selbsthilfe

Von Kathrin Kammerer

Kreis Rottweil. Als sein Gewicht vor sechs Jahren den Höchststand erreicht hatte, war Thomas Jarzina psychisch am Tiefpunkt angelangt. Die 180 Kilogramm lasteten schwer auf ihm. Vor allem auf seiner Seele.

Nachts konnte Jarzina vor Schmerzen in den Knien kaum schlafen. Sein Wunsch war es, einmal unbeschwert mit seinem Kind herumzutollen oder das Schwimmbad zu besuchen. Doch der massige Körper erlaubte es nicht. "Ich hatte einen Punkt erreicht, an dem mir klar wurde: Du musst etwas unternehmen", erinnert er sich heute. Und das tat er auch.

Doch der Weg aus einem extremen Übergewicht ist beschwerlich, und längst nicht bei allen von Erfolg geprägt. Adipositas heißt die Krankheit, die Jarzina jahrelang so schwer zu schaffen gemacht hat. Ab einem BMI (Körpermasseindex) von 30 gelten Betroffene laut Weltgesundheitsorganisation als fettleibig. Das Übergewicht belastet den Knochenbau sowie das Herz- und Kreislaufsystem.

Das Ganze kann viele Auslöser haben, wie Thomas Jarzina betont, und doch ähneln sich die Fälle. Essen dient als Ersatzbefriedigung bei Unzufriedenheit, kompensiert angestauten Frust und hilft scheinbar dabei, Probleme zu vergessen. Jarzina kennt den Weg in den Teufelskreis. In der Schule wurde er zum Opfer von Hänseleien, weil er schon früher fülliger war, als die anderen Kinder. Und dann habe er aus Frust und Trauer eben "einfach gegessen und gegessen", erinnert er sich.

Mit 14 Jahren war er bei 80, mit 16 Jahren bei 100 Kilogramm angelangt – und das Gewicht stieg und stieg. Mit der Scheidung von seiner ersten Frau folgte dann ein großer Schicksalsschlag, den er wie gewohnt versuchte, mit Essen abzudämpfen. Knieprobleme, Rückenprobleme, sinkendes Selbstwertgefühl – Jarzina litt immer mehr unter seinem hohen Gewicht.

Bis schließlich 180 Kilogramm – das entspricht einem BMI von 56 – erreicht waren, und er mit einer Magenband-OP den Neustart wagte. 40 Kilogramm purzelten durch die so erzielte Verkleinerung des Magens. Dann stieg er auf einen Magenbypass um und verlor noch einmal dasselbe Gewicht. Rund 100 Kilogramm wiegt der 1,80 Meter große Mann heute, und man sieht ihm die wiedergewonnene Lebensqualität deutlich an. "Das Selbstbewusstsein steigt, man blüht auf, man ist wieder jemand", meint er.

Im März dieses Jahres hat der wieder erschlankte Mann gemeinsam mit seiner Frau Michaela die Rottweiler Selbsthilfegruppe für Adipositas ins Leben gerufen. "Übergewichtige igeln sich oft ein, verlieren ihre sozialen Kontakte. In unserer Gruppe können sie sich mit Gleichgesinnten austauschen und ihrer Isolation ein Stück weit entfliehen", erklärt er.

Die Betroffenen unterstützen sich gegenseitig, finden Halt in der Gruppe. Man tauscht Erfahrungen über Operationen aus und auch über die Ernährung und die Bewegung nach einer solchen. Denn Jarzina betont: "Die OP ist nur eine Krücke." Danach muss der Betroffene mit viel Willenskraft und Motivation das erreichte Gewicht weiterhin halten, darf nicht in alte Verhaltensmuster zurück fallen. Und dass der beschwerliche Weg mit einer Gewichtsabnahme noch lange nicht zu Ende ist, weiß Jarzina aus eigener Erfahrung. "Mein Körper gibt mir jetzt die Quittung für das Übergewicht", sagt er. Knieprobleme, Rückenprobleme – die Schmerzen sind heute noch groß. "Es ist ein ewiger Kampf", sagt er. Doch die wiedergewonnene Lebensqualität sieht man ihm deutlich an. Nicht nur der Körper, auch die Seele hat an Balast verloren. u Bei Problemen, Krankheiten oder psychischen Belastungen sind sie ein Ort, wo man Unterstützung, Motivation und Zuspruch erfährt: die Selbsthilfegruppen. Wir stellen einige, die im Kreis tätig sind, in einer Serie vor.

Die Selbsthilfegruppe für Adipositas trifft sich immer am zweiten Mittwoch eines Monats um 19 Uhr in der Körnerstraße 23 in Rottweil. Betroffene können sich bei Thomas Jarzina, mobil unter 0151/ 22 36 28 06, oder Michaela Jarzina, 0151/18 44 24 80, melden. Weitere Infos unter www.shg-rottweil.de.