Angeklagter wirkt desinteressiert. Emotionale Aussagen von einer Freundin des Opfers. Über 15.000 Euro Schulden.

Tübingen/Rottenburg - Das Opfer des brutalen Verbrechens sei eine herzensgute, gastfreundliche und fröhliche Frau gewesen, sagten gestern Zeugen vor Gericht aus. Die Frau wurde im Mai 2013 mit 145-Messerstichen ermordet. Der Angeklagte im Mössinger Mordprozess bleibt dabei: Er sei nicht der Täter.

Der 27-jährige Rottenburger hat schon zum Prozessauftakt die Tat geleugnet. Gestern ließ er von seiner Verteidigerin eine Erklärung verlesen. Darin erklärt er, warum am Tatort Blutspuren gefunden wurden, in denen seine DNA festgestellt wurde.

Er sei am Morgen friedlich beim späteren Opfer in Mössingen zu Besuch gewesen, um Geld von ihr auszuleihen. Er hatte bereits 15.000 Euro Schulden bei der Frau und ihrem Ehemann. Sie habe ihm weitere 500 Euro geliehen. Bei seinem Besuch hätten sie Kaffee getrunken, deshalb seien seine Fingerabdrücke auf Tassen in der Küche gefunden worden. Außerdem sei in der Wohnung eine alte Wunde an der Hand wieder aufgegangen und er habe geblutet.

Verblutet: Täter sticht 145-mal auf die Frau ein

Zunächst habe er die Wunde in der Küche abgespült, woraufhin ihn das spätere Opfer ins Bad geschickt habe. Auch dort habe er noch geblutet. Mit Papiertüchern habe er das Waschbecken wieder sauber gemacht und sei zurück nach Rottenburg gefahren – so lautet seine Version.

Am selben Vormittag muss aber auch der Täter in die Wohnung gekommen sein. Er hat 145-mal mit einem Messer auf die Frau eingestochen. Sie verblutete an ihren schweren Verletzungen am Oberkörper, Armen, Hals und Gesicht. Die zweijährige Tochter saß bei der Entdeckung der Toten am Nachmittag neben der Mutter.

Eine Zeugin, die zufällig bei der Schwägerin der Toten im Nachbarhaus zu Besuch war, berichtete vom Strudel der Ereignisse nach Entdeckung der Tat. Die Schwägerin habe geschrieen und sei durcheinander gewesen. Dann habe man das Kind aus der Wohnung geholt. Das Mädchen habe getrocknetes Blut im Gesicht und an der Kleidung gehabt. Sie habe geholfen, es zu waschen und frisch anzuziehen.

Immer mehr Bekannte und Verwandte seien ins Haus der Schwägerin gekommen. "Das ist die russische Mentalität: Wenn etwas passiert, sind alle um einen herum", sagt eine 42-jährige Verwandte des Ehemannes im Zeugenstand. Sie sei es gewesen, die noch am Abend das kleine Mädchen auf russisch befragt hat, was passiert sei. "Ein Onkel hat Mama weh getan", habe das Kind mehrmals wiederholt. Der russische Begriff werde für unbekannte Personen verwendet. Wirkliche Verwandte hätte das Kind mit Namen genannt, sagte die Frau.

Angeklagter zeigt sich an der Verhandlung wenig interessiert

Während des gestrigen Verhandlungstags wirkte der Angeklagte desinteressiert. Er schrieb oder malte etwas auf, jedenfalls hob er nur selten den Blick vom Papier.

Unter den Zeugen war die Stimmung emotional. Am Rande des Prozesses ist zu hören, das Opfer sei "eine bildhübsche Frau" gewesen. Eine enge Freundin (29) des Opfers beschrieb die Frau. Sie stammte aus der Ukraine und lebte eine Zeit lang in Russland. In einem Moskauer Manikürestudio habe sie als Kunden ihren späteren Mann kennengelernt, der Freunde in Moskau besucht habe. 2010 habe er sie nach Mössingen geholt.

Dort hat die 29-Jährige ihre Freundin kennengelernt – und drei Jahre später für immer verloren. Als die Zeugin vom Tattag erzählte, begann sie zu weinen. Wie es zur Tat gekommen sei, könne sie sich nicht erklären. Das Opfer sei keine aufbrausende Person gewesen. Von Geldübergaben an fremde Personen, die womöglich Privatkredite beim Ehemann genommen hätten, wie es der Angeklagte geschildert hatte, wisse sie nichts. Das Verhältnis ihrer Freundin zum Ehemann sei gut gewesen, abgesehen von kleinen Streitereien, die sich zum Beispiel an der Kinderbetreuung entzündet hätten.

Der Prozess wird am Freitag, 21. März, am Landgericht Tübingen fortgesetzt.