Die Zahl der Auerhähne im Schwarzwald ist auf etwas mehr als 200 zurückgegangen ist. Foto: Reichel

Skurriler Streit über Kraftwerk im Schwarzwald bringt Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt in Misskredit.

Freiburg/Ortenaukreis - Auerhühner und Windkraftfreunde haben eines gemeinsam: die Vorliebe für lichte Bergrücken, über die eine steife Brise weht. Dieser Umstand hat die Höhenlagen des Schwarzwalds zu einem Kampfplatz der Energiewende werden lassen. Auf der einen Seite stehen Investoren, die mit regenerativer Energie Geld verdienen wollen. Auf der anderer Seite Naturschützer oder schlichtweg Windkraftgegner, die das Symboltier des Schwarzwalds mit lauteren, bisweilen aber auch unlauteren Mitteln verteidigen.

Ausgestanden ist dieser Zielkonflikt zwischen Tier- und Klimaschutz noch lange nicht. Auf dem 940 Meter hohen Gschasikopf nördlich von Freiburg will zum Beispiel die Firma Enercon fünf Rotoren errichten – bisher vergeblich, denn noch brüten die Behörden darüber, ob hier Tetrao urogallus, wie der Vogel wissenschaftlich heißt, Vorrang hat. Im weiter südlich gelegenen Münstertal ging vor einiger Zeit sogar das Gerücht, Windkraftgegner hätten zahme Auerhühner ausgesetzt, um einen Windpark zu verhindern – was letztlich misslang, denn am "Hörnle" wird gebaut.

Nirgendwo ist die Auseinandersetzung aber härter als am Gütschkopf bei Oberwolfach (Ortenaukreis). Seit gut einem Jahr schaukelt sich hier ein skurriler Streit wegen Hennen, Küken, Federchen und Kotbällchen hoch. Fachanwälte sind eingeschaltet, Kriminaltechniker angefragt, Klagedrohungen stehen im Raum. Und alles gipfelt nun im Vorwurf, dass die renommierte Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) im Interesse des Auerhuhns lügt und betrügt.

"Wir können nicht akzeptieren, dass eine Behörde, die offensichtlich die Unwahrheit sagt, ein Projekt zu Fall bringt, in das wir fünf Jahre Arbeit und mehrere Hunderttausend Euro investiert haben", sagt Andreas Markowsky, Chef der Ökostrom Consulting. Das Unternehmen will gemeinsam mit dem Freiburger Energieversorger Badenova auf dem Gütschkopf drei Windräder bauen, sieht sich jedoch von heimtückischen Gegnern ausgebremst.

Alles fing damit an, dass Fachleute im Juni 2016 am Bauplatz zwei Kotstückchen und ein Federchen fanden. Da die FVA diese Hinterlassenschaft einem Huhn und seinem Küken zuordnete, waren die bis dahin guten Aussichten auf eine Genehmigung dahin. Der Gütschkopf gilt seither als "Aufzuchtgebiet". Da konnten die Ökostromer noch so lamentieren, dass sich hier jahrelang kein Auerhuhn blicken ließ – doch sehr wohl jetzt, nachdem die Protestszene verkündet hatte, die Kraftwerke verhindern zu wollen. "Das stinkt zum Himmel", polterte Markowsky und forderte die FVA dazu auf, den Vogelkot gentechnisch zu untersuchen – was die Forscher zusagten.

Was nun folgte, war ein Fingerhakeln um das Resultat. So erklärte die FVA im Juli 2016: "Die Feder- und Losungsfunde wurden gesichert." Im Oktober drängten die Investoren: "Bitte übermitteln Sie uns die Ergebnisse." Woraufhin man sie beschied: "Die gentechnischen Untersuchungen dauern noch an." Erst im April 2017, so klagt Markowsky, habe er erfahren, was es mit dem Auerhuhnkot wirklich auf sich hat. "Wir haben die Losung sehr wohl untersucht", hatte FVA-Chef Konstantin von Teuffel damals gesagt. Die sei aber so trocken gewesen, dass keine DNA mehr extrahierbar war.

Nun erhält die Geschichte eine neue Wendung, denn Ende April 2017 teilte die FVA den Investoren in einem Nebensatz mit, dass sie die Losungsproben im vergangenen Sommer gar "nicht mitgenommen" hätten. Gentechnisch untersucht habe man nur das Federchen, und das stammt von einem Huhn. Bei Markowsky ist das Maß nun voll. Ein Dreivierteljahr lang habe man ihn vertröstet. Auch seine Bitte um Herausgabe der Kotbällchen, um sie von Kriminaltechnikern auf menschliche Genspuren untersuchen zu lassen, habe man abgeschlagen. "Und nun kommt heraus, dass sie die Losung gar nicht haben!" Der Manager sieht sich in seiner These bestätigt, dass die Bällchen nachträglich ausgelegt wurden: "Die FVA will aber nicht, dass wir das beweisen können, und das ist ein Skandal."

Ist es das wirklich? Die ganze Geschichte sieht eher nach einer gewaltigen Kommunikationspanne aus – ein Missverständnis, da beide Seiten mit unterschiedlicher Sprache sprechen. "Wir haben die Losung nicht mitgenommen", bestätigt FVA-Chef Konstantin von Teuffel, "denn die lag da schon länger herum, und die DNA bleibt ja nicht in alle Ewigkeit erhalten." Aber hieß es nicht, man habe sie "gesichert"? "Ja", sagt der Wissenschaftler, "das bedeutet, wir haben sie bewertet und fotografiert." Die Fotos dienten damit als Nachweis für ein Aufzuchtgebiet.

Forstminister Peter Hauk meint, noch gebe es keinen Gesprächsbedarf

"Offensichtlich sind da in der Kommunikation Dinge falsch gelaufen", meint auch Rudi Suchant, Spezialist für Auerhühner bei der FVA, und spricht von einem "unglücklichen Schriftwechsel". Dabei habe die Anstalt doch maßgeblich am sogenannten "Aktionsplan Auerhuhn" mitgewirkt – eine Art Strategie, wie im Schwarzwald die streng geschützte Art, die Wirtschaft und der Tourismus zusammen existieren können. Der Gütschkopf sei aber schon immer problematisch gewesen, sagt Suchant, wenn auch kein Ausschlussgebiet für Windkraft. Das zeigten jetzt auch zwei weitere Losungsfunde. Die stammen allerdings von erwachsenen Tieren, nicht von Küken. "Deshalb ist das für uns bedeutungslos", sagt Markowsky. Seine Behörde sei kein Windkraftverhinderer, beteuert wiederum von Teuffel, aber die Faktenlage lasse kein anderes Urteil zu.

Forstminister Peter Hauk (CDU) will sich einstweilen nicht einmischen: "Wir haben keinen Anlass, an der Entscheidung der FVA zu zweifeln", sagt eine Sprecherin. Noch gebe es keinen Gesprächsbedarf. Möglicherweise ist der ganze Streit ja einer um des Kaisers Bart, denn vielleicht lassen sich Huhn und Hahn bei ihrem Fortpflanzungsgeschäft gar nicht so sehr von Windrädern stören, wie man das annimmt. "Wir untersuchen gerade in Mittelschweden diesen Zusammenhang", sagt Suchant mit Blick auf ein internationales Forschungsvorhaben, an dem auch FVA-Wissenschaftler und Landesgelder beteiligt sind. Gut möglich, dass in Skandinavien, wo es viele Auerhühner und viele Windräder gibt, beide friedlich koexistieren. Ob das auf den Gütschkopf übertragbar ist, erscheint aber unwahrscheinlich.

Info

Das Auerhuhn

Das Auerhuhn (Tetrao urogallus) ist der größte Hühnervogel Europas. In Deutschland ist es vom Aussterben bedroht. Zu finden sind die Vögel hierzulande vor allem in den Alpen, im Bayerischen Wald und im Schwarzwald. Auerhühner fressen Knospen und Triebe, Ameisen und Insekten sowie Heidelbeeren.