Philippinische Studenten erinnern in Makati mit einem Straßenbild an das verschollene Flugzeug. Foto: dpa

Die Stuttgarter Nachrichten haben im Interview mit Geheimdienst- und Terrorexperte Erich Schmidt-Eenboom über Spekulationen und Fakten zum Verbleib der vermissten Passagiermaschine aus Malaysia gesprochen.

Kuala Lumpur - Die Stuttgarter Nachrichten haben im Interview mit Geheimdienst- und Terrorexperte Erich Schmidt-Eenboom über Spekulationen und Fakten zum Verbleib der vermissten Passagiermaschine aus Malaysia gesprochen.

Wo wird nach Flug MH370 gesucht?
Elf Tage nach dem Verschwinden des Flugzeugs ist das Suchgebiet inzwischen so groß wie die Fläche Australiens. Malaysias Verkehrsminister Hishamuddin Hussein nannte am Dienstag eine Fläche von 7,68 Millionen Quadratkilometern.
Was glauben die Ermittler?
Die Boeing ist seit dem 8. März verschollen. Die Maschine mit der Flugnummer MH370 war auf dem Weg von Kuala Lumpur nach Peking. Die Ermittlungen konzentrieren sich auf mehrere Möglichkeiten: Sabotage, Entführung, Terrorakt oder Suizid eines der Piloten. Eine Entführung hält auch der deutsche Geheimdienst- und Terrorexperte, Erich Schmidt-Eenboom, für denkbar, an einen Terroranschlag glaubt er hingegen nicht. „Dafür gibt es keine Indizien“, sagte Schmidt-Eenboom unserer Zeitung, „weder die politische Orientierung der Piloten noch der Umstand, dass zwei Iraner an Bord waren. Zumal es ein Suizid-Anschlag wäre, was bei Schiiten eher unüblich ist.“ Er würde aber für keine der Hypothesen seine Hand in Feuer legen, betonte er. „Dafür ist die Nachrichtenlage zu dünn.“
Wer veranlasste die Kursänderung?
Die erste Kursänderung der Maschine mit 239 Menschen an Bord soll nach einem Bericht der „New York Times“ in ein Computersystem des Flugzeugs eingegeben worden sein. Die Drehung habe mit hoher Wahrscheinlichkeit jemand im Cockpit programmiert, der sich mit Flugzeugsystemen auskannte, berichtete die Zeitung am Dienstag und berief sich dabei auf ranghohe US-Regierungsvertreter. Anstatt die Maschine manuell zu steuern, sei die Flugrichtung über sieben oder acht Tastenanschläge in einen Computer zwischen dem Kapitän und dem Ersten Offizier eingestellt worden.
Welche Routen sind denkbar?
Nach Ansicht der Ermittler dürfte die Boeing der Malaysia Airlines eine von zwei Routen geflogen sein: Der Nordkorridor reicht von Malaysia Richtung Nordwesten über das indisch-pakistanische Grenzgebiet bis nach Kasachstan, der südliche an Indonesien und Australien vorbei in den Indischen Ozean. Kasachstan und Kirgistan haben keine Hinweise, dass das Flugzeug in ihren Luftraum eingedrungen sein könnte, berichtete die staatliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua. Auch Pakistan und Indien wüssten nichts.
Wo wurde das Flugzeug gesichtet?
Bewohner einer Malediven-Insel wollen nach Informationen einer Lokalzeitung einen tief fliegenden Passagier-Jet gesehen haben. Das Flugzeug sei den Augenzeugen zufolge weiß mit roten Streifen gewesen – so sähen häufig auch die Flugzeuge der Malaysia Airlines aus, berichtete die Zeitung „Haveeru“ am Dienstag online. Den übereinstimmenden Berichten zufolge hat das Flugzeug um 6.15 Uhr Ortszeit die Insel überquert und dabei einen ohrenbetäubendem Lärm gemacht. „Ich habe noch nie ein Flugzeug so niedrig über unsere Insel fliegen sehen. Wir haben Wasserflugzeuge gesehen, aber ich bin sicher, dass das keines war“, sagte ein Augenzeuge.
Wann wurde der Transponder abgeschaltet?
Malaysia widerrief am Dienstag in einem zentralen Punkt frühere Angaben. Wann genau das Kommunikationssystem der Boeing abgeschaltet wurde, ist demnach doch unklar. Der exakte Zeitpunkt könne nicht ermittelt werden, sagte der Verkehrsminister am Dienstag. Der Minister widersprach damit früheren Aussagen, denen zufolge das Kommunikationssystem ACARS vor der letzten wörtlichen Rückmeldung aus dem Cockpit ausgeschaltet worden war. Dass unklar sei, ob die Kommunikation vor oder nach dem letzten Funkspruch um 1.19 Uhr abgeschaltet wurde, hat laut Hussein keinerlei Einfluss auf die Suche.
Werden Passagiere verdächtigt?
Die Überprüfung des persönlichen Hintergrunds der chinesischen Staatsbürger an Bord habe keine Hinweise auf eine Verwicklung in eine Entführung oder einen Terrorakt ergeben, erklärte der chinesische Botschafter in Kuala Lumpur. Mehr als 150 chinesische Staatsangehörige waren in der Maschine.
Was machen die Angehörigen?
Wütende Angehörige chinesischer Passagiere drohten am Dienstag mit Hungerstreik, falls sie nicht mehr Informationen bekommen. Die Familien fühlen sich von den Behörden in Malaysia schlecht informiert. Auch Schmidt-Eenboom kann sich die Informationspolitik Malaysias nicht erklären: „Wahrscheinlich hatte man die Hoffnung, dass die Maschine noch gefunden wird, und wollte am Ende nicht als jemand dastehen, der falsche Informationen liefert und Spekulationen in die Welt setzt.“
Wer ist an der Suche beteiligt?
Inzwischen suchen 26 Länder nach der Boeing. In die Suche bezog Malaysia zusätzliche Experten ein. So wertet die US-Raumfahrtbehörde Nasa Bilder aus, die von Satelliten und der Internationalen Raumstation aufgenommen wurden. Objekte, die größer sind als 30 Meter, könnten darauf identifiziert werden, sagte ein Sprecher. Ein US-Flugzeug suche nun im südlichen Korridor des Indischen Ozeans nach Hinweisen, teilte das Pentagon mit. Ein Zerstörer sowie Hubschrauber und ein Überwachungsflugzeug hielten dort weiter nach Wrackteilen Ausschau. Erstaunlich sei, dass die Handys der Passagiere anscheinend nicht in die Ermittlungen einbezogen worden seien, so Schmidt-Eenbloom: „Man kann ja über Verwandte und Freunde die Nummer ermitteln und dann die Handys orten, was in der Regel sehr gut funktioniert. Aber das wurde bislang offenbar nicht gemacht.“ Falls die Maschine ins Meer gestürzt sei, sei dies freilich nicht möglich: „Aber einer der infrage kommenden Flugkorridore führt ja komplett über Land.“
Wie kann eine Maschine verschwinden?
Dass die Maschine möglicherweise stundenlang durch den Flugraum verschiedener Staaten flog, ohne dass Abfangjäger aufstiegen, um die Maschine zu überprüfen, sei nicht ungewöhnlich, meint Schmidt-Eenboom. „Mit deutschen Verhältnissen darf man das nicht vergleichen. Eine Überprüfung wäre in Mitteleuropa, wo der Luftraum ja wahnsinnig eng ist, gang und gäbe.“ Von einer flächendeckenden Überwachung des Luftraums über Malaysia könne keine Rede sein: „Erinnern Sie sich an die dritte Maschine bei den Anschlägen auf das World Trade Center. Damals tauchten ähnliche Fragen auf, weil man davon ausging, dass es auch dort eine vollständige Kontrolle des Luftraums gebe. Aber selbst in einem technisch hoch entwickelten Staat wie den USA ist dem nicht so, wie sich damals gezeigt hat.“