Nathalie Armbruster (vorne) startet in diesem Winter voll durch. Foto: Eibner-Pressefoto/Roger Buerke

Die Nordische Kombiniererin Nathalie Armbruster aus Freudenstadt ist bei der Weltmeisterschaft in Planica deutsche Medaillen-Hoffnung. Sie selbst spürt vor ihrer WM-Premiere jedoch keinen Druck – und erklärt unter anderem, warum sie den Kniebis dem Skiinternat in Furtwangen vorzieht.

Statt eines ursprünglich geplanten Skiurlaubes im Montafon geht in diesen Tagen die Reise von Susanne und Hans Armbruster in Richtung Villach. Von dort werden beiden Kniebiser zu den Wettkämpfen der Nordischen Ski-Weltmeisterschaft nach Planica fahren und gemeinsam mit Langlauftrainer Tino Uhlig und seiner Familie ihre Tochter Nathalie Armbruster bei ihrer WM-Premiere mental unterstützen und anfeuern. Kurz vor ihrer Abreise in Richtung Slowenien blickt die 17-Jährige auf ihre bisherige Karriere zurück und beschreibt ihre Gefühle vor dem Start am Freitag.

Von Null auf 100, von der unbekannten Kombiniererin zur WM-Medaillenkandidatin, – so könnte man Deine Karriere in den vergangenen zwölf Monaten beschreiben. Wie hast Du selbst diese rasante Entwicklung wahrgenommen?

Ich bin von dieser Entwicklung tatsächlich sehr überrascht. Ich konnte in den Corona-Jahren meine Leistungen oft nicht unter Beweis stellen, weil zum einen sehr wenige Wettkämpfe stattfanden, ich zum anderen auch manches Mal nicht mitgenommen wurde. Eine Woche vor der Junioren-WM in Zakopane im Vorjahr stand damals immer noch nicht fest, ob ich tatsächlich mitfahren darf. Dass ich dann als Jüngste aus insgesamt fünf Jahrgängen im Einzel gleich Platz drei belegen konnte, war ein Traum. Erst am Abend vor dem Mixed-Team fiel die Entscheidung zu meinem Start und umso größer war die Freude, gemeinsam mit Jenny Nowak, Tristan Sommerfeld und Simon Mach Juniorenweltmeister zu werden. Ich habe mich schließlich sehr gefreut, als ich im Frühjahr 2022 mit gerade einmal 16 Jahren in die Nationalmannschaft aufgenommen wurde. Mein Ziel war es, mich bei den Weltcups zu etablieren und vielleicht einmal unter die Top Ten zu schaffen. Dass ich dann gleich beim ersten Weltcup 2022/23 inLillehammer Geschichte schreiben und als erste deutsche Nordische Kombiniererin auf das Podium laufen würde, damit hätte ich niemals gerechnet.

Die Anfänge Deiner sportlichen Karriere liegen wohl bei einem ersten Kinderwettkampf auf dem Kniebis, bei dem Klaus Faißt auf Dich aufmerksam wurde. War Dir schnell klar, dass Du in der Kombination weitermachen willst?

Ich kam ja aus dem Langlauf und habe meine ersten Wettkämpfe tatsächlich im Speziallanglauf absolviert. Zusammen mit dem SV-SZ Kniebis haben wir dann bei einem Spaßwettkampf des SV Baiersbronn auf dem Ruhestein teilgenommen und es stimmt, dort ist Klaus Faißt auf mich aufmerksam geworden. Nach dem Wechsel in seine Trainingsgruppe hatte ich von Anfang an sehr viel Spaß bei seinem sehr anspruchsvollen, aber immer auch sehr abwechslungsreichen Training. Dennoch dachte ich tatsächlich drei Jahre später beim Bundesfinale von Jugend trainiert für Olympia immer noch, dass ich irgendwann später doch lieber mal zum Biathlon wechseln will. 2017 war dann aber ein so tolles Jahr für mich und Anfang 2018 war ich mir sicher, in der Nordischen Kombination weitermachen zu wollen. Mit Klaus Faißt hatte ich einfach auch den idealen Trainer vor Ort, der bis heute ein wichtiger Ansprechpartner für mich ist.

Was ist an dieser Sportart so reizvoll?

Zwei völlig unterschiedliche Disziplinen werden in der Summe zu einer sehr anspruchsvollen Sportart. Um beide Disziplinen zu beherrschen, müssen viele Faktoren übereinstimmen. Wir Athleten müssen vielseitig ausgebildet sein. Neben der Ausdauer sind Schnellkraft, Beweglichkeit und Koordination gefragt. Deshalb ist unser Training auch immer superabwechslungsreich und vielfältig. Reizvoll – auch für den Zuschauer – ist, dass sich die Ergebnisse nach dem Springen nach dem Kombinationslauf nochmal vollkommen verändern können.

Wie sieht Dein Trainingsumfang aus und wo trainierst du in erster Linie?

Ich trainiere in der Regel mindestens fünfmal in der Woche. Neben Kraft, Schnellkraft und Mobilität in der Halle gehören Skiroller- und Langlaufeinheiten und natürlich Sprungeinheiten zu den Trainingsinhalten. Skiroller und Langlauf kann ich auf dem Kniebis trainieren. Schnellkraft und Kraft in Klosterreichenbach in der dortigen Sporthalle oder in Baiersbronn im Bergergrund im Kraftraum. Zum Springen habe ich leider weite Anfahrtswege und die Trainingslage ist eher schwierig. In den letzten Wochen bin ich tatsächlich wochenlang nur bei den Weltcups gesprungen. Sofern die Möglichkeit bestand, auch mal bei einem Lehrgang des A-Kaders mit meinem Bundestrainer Florian Aichinger und dessen Co-Trainer Matthias Olvermann. Die Adlerschanze in Hinterzarten war lange Zeit aufgrund der Baumängel nicht springbar. Zu den deutschen Meisterschaften im Herbst 2022 konnte ich dort endlich einmal trainieren. Schonach ist leider auch nur im Winter springbar und meist auch nur kurz vor und kurz nach dem Weltcup.

Im Freudenstädter Kepler-Gymnasium genießt Du erklärtermaßen große Unterstützung für Deine sportlichen Aktivitäten. War dennoch ein Wechsel beispielsweise ins Skiinternat Furtwangen wegen der vielleicht besseren Trainingsbedingungen eine Option?

Hier ist meine Antwort ein klares Nein. Das Skiinternat war von Anfang an für mich keine Option. Ich bin ein Familienmensch. Ich liebe mein Zuhause, meine Tiere, meine Freunde, unser Haus, den Kniebis, Freudenstadt. Die Trainingsbedingungen hier zu Hause sind für mich momentan nahezu optimal. Mit Jonathan Siegel im Skisprung und Tino Uhlig im Langlauf habe ich zwei richtig gute und kompetente Trainer an meiner Seite. Bessere Trainingsbedingungen zum Langlaufen als auf dem Kniebis gibt es nicht. Ich muss hier nur durch die Hecke und bin schon auf der Loipe. Das Internat ist sicherlich für viele eine Option, die Schule und Sport zu Hause nicht miteinander vereinbaren können und von ihrer Schule auch nicht so unterstützt werden. Ich habe mit dem Kepler-Gymnasium die für mich perfekte Schule an meiner Seite. Meine Lehrer unterstützen mich, meine Freundinnen versorgen mich mit dem Unterrichtsmaterial. Meine Eltern sind die Besten, die man sich wünschen kann. Warum sollte ich an diesem für mich perfekten System etwas ändern? Dass es bis jetzt gut funktioniert, zeigen die Ergebnisse.

Wie gehst Du mit der Tatsache um, dass du bei der WM bereits als eine der größten Medaillenhoffnungen gehandelt wirst?

Ich bin im Januar 17 Jahre alt geworden. Ich habe in dieser Saison schon mehr erreicht als ich mir je erträumt habe. Ich stand bei zehn Weltcups achtmal auf dem Podium und habe zwei vierte Plätze. Von der Junioren-WM habe ich zweimal Silber mit nach Hause gebracht. Natürlich wünscht man sich da, auch bei der WM seine Leistungen abrufen zu können. Aber wir sind alles Menschen, keine Maschinen. Alle diese Weltklasseathletinnen hoffen einen Podiumsplatz zu ergattern und viele sind für ihr Land die Medaillenhoffnung. Ich nehme mir ganz fest vor, mich davon nicht unter Druck setzen zu lassen.

Wie groß ist die Vorfreude vor allem den Mixed-Wettbewerb der Kombinierer, der erstmals bei der WM auf dem Programm steht?

Die Vorfreude ist generell riesig und ich hoffe, dass ich neben unseren eigenen Wettkämpfen noch viel mehr erleben darf. Das Mixed-Team ist ein ganz besonderes Format. Der Druck bei einem Teamwettkampf ist grundsätzlich ein anderer. Man möchte auf keinen Fall versagen und am Ende schuld sein, wenn es nicht läuft. Obwohl es dann doch so ist, dass man zusammen verliert und zusammen gewinnt. Es ist einfach schön, diese Gefühle dann teilen zu können.

Einen Schock in Kombinierer-Kreisen und sicherlich vor allem bei den betroffenen Athletinnen hat die Entscheidung des IOC ausgelöst, die Kombination der Frauen nicht in das Olympiaprogramm für 2026 aufzunehmen und die Sportart generell als olympische Disziplin in Frage zu stellen. Wie ist Deine Reaktion und welche Hoffnungen gibt es aus Deiner Sicht, die Entscheidung doch noch rückgängig zu machen?

Ich war traurig, wütend und wahnsinnig enttäuscht. Die Nordische Kombination der Damen hatte im Vorfeld alle Vorgaben erfüllt, um olympisch zu werden. Alle angeblichen Argumente, die zu dieser irrwitzigen Entscheidung angegeben wurden, waren an den Haaren herbeigezogen. Letztendlich ging es um Einschaltquoten und – wie leider so oft – um Geld. Ich hatte gehofft, zu der Generation zu gehören, bei der Gleichberechtigung kein Fremdwort mehr ist, aber ich wurde im Juli 2022 auf den Boden der Tatsachenzurückgeholt. Dass im 21. Jahrhundert Männer eine solche Entscheidung fällen, ist unfassbar. Für 2026 habe ich leider keine Hoffnung mehr. Für 2030 bleibt ein Funken Hoffnung, wobei ich für mich natürlich gar nicht weiß, ob ich da noch am Start bin.

Willst Du der Nordischen Kombination auch bei einem negativen Entscheid in der Zukunft auf jeden Fall treu bleiben? Oder gibt es im Hinterkopf andere sportliche Pläne, wie die Spezialisierung auf Langlauf oder Springen oder sogar ein Versuch beim Biathlon?

Nur Spezialspringerin oder nur Speziallangläuferin zu sein, wäre für mich keine Alternative - auch wenn die Entscheidung des IOC, die Nordische Kombination für die Damen 2026 nicht olympisch werden zu lassen, sicher dazu führen wird, dass einige sich nur für eine der beiden Sportarten entscheiden werden. Ich glaube, es wäre Unsinn, nun auf eine andere Sportart umzusatteln, nur weil diese olympisch ist. Am Ende musst Du zu Olympia auf den Punkt fit und gesund sein, um überhaupt daran teilnehmen zu können. Warum sollte ich jetzt drei Jahre lang eine Sportart ausüben, die mir nur halb so viel Spaß macht, nur um dann eventuell bei Olympia starten zu können? Oder eben auch nicht. Da reicht schon eine kleine Erkältung kurz vor dem Start und der Wechsel zur anderen Sportart war dann umsonst.

Ein direktes Ziel für die nahe Zukunft dürfte sein, die momentan überragende Norwegerin Gyda Westvold Hansen zu schlagen. Einige Male war es schon knapp. Wann wird es denn soweit sein?

Gyda ist eine wahnsinnig konstante, starke und übrigens auch sehr faire und bodenständige Athletin. Mein Ziel ist es momentan überhaupt nicht, sie zu schlagen. Ich bin momentan Zweite im Gesamtweltcup. Das ist doch total verrückt. In meiner ersten Wintersaison stand ich von insgesamt zwölf Einzelwettkämpfen zehnmal auf dem Podium und zusätzlich noch ein Mal beim Mixed-Team. Meine schlechtesten Ergebnisse waren zwei vierte Plätze. Ich kann mich immer nur wiederholen: Das ist mehr, als ich mir jemals erträumt hätte. Mein direktes Ziel ist es momentan nur, beim letzten Weltcup in Oslo Mitte März diesen zweiten Platz im Gesamtweltcup zu verteidigen. Dann wäre ich über die gesamte Wintersaison die zweitbeste Kombiniererin der Welt – das wäre der Wahnsinn! Und wenn ich am Ende Dritte in der Gesamtwertung wäre, wäre auch das einfach nur genial.