Mit der Gäubahn nach Stuttgart – nach aktuellem Stand bleibt Nagold die umstiegsfreie Anbindung verwehrt. Foto: Archiv

Nagolds Schienenanbindung vorerst vom Tisch. Interim Plus-Konzept scheitert am Widerstand von Bahn und Region Stuttgart. Mit Kommentar.

Nagold - Dass die Deutsche Bahn das Konzept Interim Plus ablehnt, wie Verkehrsminister Winfried Hermann dieser Tage verlauten ließ, klingt wenig spektakulär. Dabei steckt in dieser ministeriellen Presseerklärung Brisanz. Nagold kann seine Träume von einer umstiegsfreien Schienenanbindung nach Stuttgart begraben – zumindest vorerst.

Seit mehr als 100 Jahren zerbrechen sich Fachleute darüber den Kopf, wie Nagold besser an das Schiennetz im Gäu und damit Richtung Stuttgart angedockt werden kann. Ein Streckenneubau über den Wolfsberg nach Herrenberg, zuletzt untersucht vor 25 Jahren, war und ist unbezahlbar. Und auch der Traum von der S-Bahnanbindung – sprich der Verlängerung der S 1 von Kirchheim bis nach Nagold – scheiterte bislang an den hohen Kosten, zumal der Landkreis, der diese Investitionen schultern müsste, mit der Reaktivierung der Hesse-Bahn finanziell ohnedies schon an seine Grenzen stößt.

Im Nagolder Rathaus blieb man gleichwohl nicht untätig. Man beauftragte den gebürtigen Nagolder Uli Grosse, Verkehrsplaner von Beruf, ein Konzept zu entwickeln, dessen Kernziel lautete: eine durchgehende stündliche und umsteigefreie Verbindung von Nagold nach Stuttgart auf ihre Machbarkeit hin zu überprüfen. Zudem holte man sich die Kommunen Eutingen, Sulz, Oberndorf, Rottenburg und die betroffenen Landratsämter mit ins Boot. Die Interessensgemeinschaft (IG) Interim Plus war damit geboren.

Und Verkehrsplaner Grosse lieferte. Seine geniale Idee: eine Dreifach-Flügelung in Eutingen. Elektrifizierte Wagen könnten, so seine Vision, sowohl von Nagold, Freudenstadt und von Horb hier an den Regionalexpress angekoppelt werden, der dann umstiegsfrei und mit wenigen Haltepunkten innerhalb von einer Stunde Fahrzeit in Stuttgarts Stadtmitte fährt. Voraussetzung wäre für die Nagolder Anbindung eine Elektrifizierung der Strecke von Nagold bis Eutingen gewesen. Kostenpunkt laut OB Jürgen Großmann: runde acht Millionen Euro.

Dass die Bahn dieses Konzept vor wenigen Monaten überprüfte und fahrtechnisch auch als realisierbar einstufte, machte Hoffnung – bis zu einem Treffen mit Verkehrsminister Winfried Hermann und Vertretern des Interessenverbandes Gäu-Neckar-Bodensee-Bahn sowie von der IG Interim Plus. Hermanns Botschaft: Das Interim Plus-Konzept sei zwar "interessant", scheitere aber an der Ablehnung der DB Fernverkehr. Die Bahn fürchtet nämlich nicht ohne Grund, dass mancher Zugreisende von ihrem auf der Gäubahn verkehrenden Intercity auf den Regionalexpress umsteigen könnte, der auf Rechnung des Landes fährt.

Widerstand kam auch von anderer Seite. Nagolds Stadtoberhaupt Großmann machte keinen Hehl daraus, wie "frustrierend und bedauerlich" er die Haltung der Region Stuttgart in dieser Frage fand, die sich "nicht besonders kooperativ gezeigt hat, um die Ränder der Region fahrtechnisch mit der Metropolregion zu verknüpfen." Auf der Gäubahn geht’s mit dem verkehrenden Intercity, der S-Bahn und dem Regionalexpress zeitlich eh schon eng zu. Mit einem stündlich verkehrenden "Metropolexpress", wie der verbesserte Regionalexpress hätte lauten sollen, fürchtete man in Stuttgart um die Taktgenauigkeit der S-Bahn.

Kontra kam auch aus dem Süden: Vor allem Horb schmeckte das Konzept nicht, weil dann die Nagoldtalbahn von Pforzheim kommend in Nagold geendet hätte. Die Nachbarstadt am Neckar hätte damit ihre Direktanbindung ans Nagoldtal verloren. Letztlich fehlte damit auch die politische Einigkeit in der Region. Großmann: "Es gibt dazu keinen politischen Konsens im Süden." Damit war das Interim-Konzept von vornherein gescheitert.

Und doch gibt es für Nagolds OB neben dem weinenden auch ein lachendes Auge: Es sei nämlich der Beweis erbracht, dass die umstiegsfreie Verbindung nach Stuttgart machbar sei.

Trotz des Neins der Bahn will sich die IG Interim Plus in einer Arbeitsgruppe weiter mit Taktstabilität und Zeitverbesserung beschäftigen. Bis zur Inbetriebnahme von Stuttgart 21 will das Land erklärtermaßen über ein Anschlusskonzept nachdenken und auch Ansatzpunkte von Interim Plus aufgreifen. Bis 2025 sollen die Fahrpläne stehen. OB Großmann trotzig: "Wir bleiben am Drücker. Und zehn Jahre sind schnell vorbei".

Kommentar: Paradox

Von Roland Buckenmaier

Eine Schienenanbindung, die den Nagolder umsteigefrei binnen einer Stunde an den Stuttgarter Hauptbahnhof bringt, würde acht Millionen Euro kosten. Das Konzept dazu heißt Interim Plus. Die Reaktivierung der Hesse-Bahn, die den Calwer in derselben Zeit in das Stuttgarter Herz trägt, kostet – wir wissen es – ein Mehrfaches, runde 60 Millionen Euro. So paradox es klingt: Die teure Calwer Anbindung wird gebaut, der billigere Nagolder Anschluss, der genauso viel Sinn machen würde, nicht. Wundert das? Wir kennen’s von der Hesse-Bahn: Auch bei Interim Plus stellte sich die Region Stuttgart quer. Dass auch die schwerfällige Bahn sich querlegte – geschenkt! Dass diese Eifersüchteleien in der Region aber nicht aufhören und sich Nachbarstädte und -kreise gegenseitig bei wichtigen Projekten torpedieren, das ist das eigentlich Traurige an der Sache.