Es geht weiter: Birgit und Ulrich Hartmann wollen ihr Schuhgeschäft wieder eröffnen. Foto: Fritsch

Drei Wochen nach Feuer steht fest: Mit alteingesessenem Schuhhaus geht es weiter.

Nagold - Als Ulrich Hartmann am Morgen nach dem Brand sein Geschäftshaus in der Nagolder Bahnhofstraße betrat, drehte er im dritten der vier Stockwerke wieder um: "Jetzt ist die ganze Existenz kaputt", dachte er und konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten. Heute können er und seine Frau Birgit schon wieder nach vorne schauen.

Der 50-jährige Orthopädiemeister kann das Unglück, das sich vor drei Wochen ereignete, auf die Minute genau rekonstruieren. Seine Frau hatte an dem Tag darauf gedrängt, das Geschäft fünf vor halb vier zu verlassen, um rechtzeitig beim vereinbarten Elternsprechtermin zu sein. Als er die Orthopädiewerkstatt mit einer Mitarbeiterin verließ, war es 15.26 Uhr. Mit seiner Frau ging er kurz nach halb vier aus dem Haus.

Wenige Minuten später wunderte sich eine Mitarbeiterin unten im Laden über die Geräusche im ersten Stock – als ob ein Hammer zu Boden gefallen wäre. Sie stieg die Treppe hinauf und kehrte gleich wieder um, weil ihr Rauch und Flammen entgegenschlugen. Im Aufenthaltsraum im ersten Stock wollten die beiden im Geschäft verbliebenen Mitarbeiterinnen noch ihre Sachen holen, aber dichter Rauch hielt sie zurück.

Zurück bleibt eine rußgeschwärzte Trümmerlandschaft

Um 15.38 Uhr ging bei der Feuerwehrleitstelle der Alarm ein. Anderthalb Stunden kämpften die herbeigeeilten Feuerwehrleute gegen die Flammen, die in den in der Werkstatt gelagerten Gummisohlen und -platten reiche Nahrung gefunden hatten. Birgit Hartmann brachte abends noch das Geld in der Kasse in Sicherheit, das ganze Ausmaß des Brandes wurde den Geschäftsinhabern aber erst am nächsten Tag bewusst, als die letzten Wehrmänner nach der Brandwache das Haus verlassen hatten: Das vierstöckige Haus, das Anfang der 70er-Jahre bis auf den ersten Stock abgerissen und neu aufgebaut worden war, bot ein Bild der Verwüstung.

Die Werkstatt, wo das Feuer durch einen technischen Defekt – vermutlich an einer der Maschinen – ausgebrochen war, ist eine einzige rußgeschwärzte Trümmerlandschaft. Auch die anderen Stockwerke, wo noch bis Juni die Mutter des Inhabers lebte, sind unbewohnbar geworden. Eigentlich wollte das Ehepaar hier später einmal einziehen: "Wenn wir hier gelebt hätten", sagt Ehefrau Birgit, "hätten wir heute kein Dach über dem Kopf."

Ihr Glück im Unglück: Vor gar nicht allzulanger Zeit haben sie sich von Versicherungsleuten beraten lassen. "Bei mir brennt’s doch nicht", hatte der Orthopädiemeister, der den Betrieb in der vierten Generation führt, eigentlich argumentiert, ist heute aber froh, dass er in den neu ausgehandelten Versicherungspolicen ein paar Häkchen mehr gemacht hat, die ihm heute eine Ausfallversicherung garantieren. Sie bezahlt der siebenköpfigen Belegschaft der Hartmanns vorerst das Gehalt weiter, bis feststeht, wie’s weitergehen soll.

Der Schaden beläuft sich auf eine siebenstellige Summe. Noch untersuchen Fachleute die Brandruine, um herauszufinden, ob eine Kernsanierung möglich oder ein Abriss unumgänglich ist.

Langjährige Kunden machten den Hartmanns Mut: "Viel Kraft!" Den wohlmeinenden Satz hörten sie oft. "Das brauchst du auch", sagt Birgit Hartmann. Auch die siebenköpfige Belegschaft demonstrierte in diesen schwierigen Tagen ihren Gemeinschaftsgeist: "Wir halten zusammen", heißt die App, mit der sie seit dem Unglück untereinander kommunizieren. Und die ganze Stadt nahm Anteil und zeigte sich solidarisch. Kollegen und Kunden boten ihre Hilfe an. Die Schuhlieferungen bringen sie seither bei einer Nachbarin unter, Orthopädiekollegen boten Ulrich Hartmann ihre Maschinen zur Mitbenutzung an.

"Das war uns ganz wichtig, dass die nicht auf der Straße stehen"

Die anfängliche Fassungslosigkeit bei den Hartmanns weicht langsam wieder vorsichtigem Optimismus. "Es wird weitergehen" – das ist ihre Kernbotschaft. Auch für die fünf Mitarbeiter: "Das war uns ganz wichtig, dass die nicht auf der Straße stehen."

Die 8000 Paar Schuhe, die noch in der Brandruine lagern, sind nicht mehr zu retten. Der Brandgeruch und der Ruß – "das kriegt man nicht mehr raus". Eine Entsorgungsfirma wird sie in den nächsten Tagen abholen.

Bis das Haus in der Bahnhofstraße saniert oder aber neu aufgebaut sein wird, wird weit mehr als ein Jahr ins Land gehen. Bis dahin brauchen die Hartmanns ein Ausweichdomizil für ihr Schuhhaus. Mit einem Objekt in der Innenstadt sind sie in aussichtsreichen Verhandlungen. Schon in sechs, acht Wochen wollen die Hartmanns mit ihrem Team hier ihren Laden mit Orthopädiewerkstatt als Interimslösung eröffnen.

Birgit Hartmann hatte in den vergangenen Wochen viele schlaflose Nächte hinter sich, ihr Mann Ulrich "eine richtige Leere im Kopf". Aber jetzt ist bei den beiden die Zuversicht zurückgekehrt. "Wir lassen den Kopf nicht hängen", sagt Birgit Hartmann trotz alledem, "wir schauen nach vorn."