Lydia Schüle ist im Alter von 90 Jahren verstorben. Foto: Andreas Kussmann-Hochhalter

Die evangelische Kirche in Oberndorf trauert um Lydia Schüle, die sich nicht nur in der Kirche, sondern auch politisch stark engagierte. In einem Nachruf nimmt die Gemeinde Abschied.

„Wir sind so in die Kirche hineingewachsen, dass wir uns nicht vorstellen können, einmal aufzuhören.“ So beschrieb sich das Ehepaar Schüle vor zwanzig Jahren bei ihrem Übergang in den Ruhestand. Und das gilt mehr noch für Lydia Schüle, die ihren Mann Eberhard um fast zwölf Jahre überlebt hat und nun am 12. März mit 90 Jahren verstorben ist.

Charakteristisch ist das „Wir“: Sie waren beide tief und in vielfältiger Weise in das Gemeindeleben der evangelischen Kirche in Oberdorf eingewoben, mehr oder weniger für ein halbes Jahrhundert – eng als Ehepaar und als Team.

Für die gemeinsame Sache

Lydia Schüle war nicht bloß „die Frau, die hinter ihrem Mann stand.“ Sie schuf und gestaltete ihre eigenen Aufgabenbereiche. Sie und ihr Ehepartner standen ebenbürtig nebeneinander und gelegentlich auch gegeneinander. Mit ihrer Meinung hielt sie selten hinterm Berg. Jedoch ging es letztlich darum, der gemeinsamen Sache zu dienen. „Wir haben immer versucht, der Kirchengemeinde positiv-kritisch gegenüberzustehen.“

Über vierzig Jahre lang wirkte Eberhard Schüle als hauptamtlicher Diakon in Oberndorfs Evangelischer Kirchengemeinde, danach noch ehrenamtlich. Und Lydia Schüle war noch weitere zwanzig Jahre sehr präsent, bis kurz vor ihren Tod.

Senioren- und Jugendarbeit aufgebaut

Im Frühjahr 1962 war das Ehepaar an den Neckar gekommen. Oberndorfs damaliger Pfarrer Helmut Mayer hatte das junge Ehepaar hergeholt. In Neuenstadt am Kocher, wo sie am 18. Februar 1934 geboren wurde, hatten sich Lydia und Eberhard kennengelernt.

Beide, um die 30 Jahre jung und voller Elan, entwickelten eine rege Entwicklungsarbeit im Gemeindeleben. Hauptberuflich verantwortlich war Eberhard Schüle mit seinen Multiqualifikationen: als Diakon, als Religionslehrer, als Kirchenmusiker mit Orgelverpflichtung und Leiter der Kirchenchöre und des Posaunenchors sowie in zahlreichen Ehrenämtern.

Aber neben ihm stand sehr aktiv seine Frau, die ab Mitte der 1960er Jahre die Senioren- und auch die Jugendarbeit in der Kirche aufbaute. Nicht nur im Kirchenchor unter Leitung ihres Gatten war sie eine starke Stütze, sondern auch im Posaunenchor unterstützte sie ihren Mann: „Ich hab’ Posaune gelernt, weil du gerade ein Tenorhorn gebraucht hast.“

Das für sie wichtigste Amt

Keineswegs „bloß nebenher“ war sie als Mutter von vier Kindern stark in die häusliche Familie eingebunden. 1972 wurde sie erstmals in den Kirchengemeinderat gewählt und blieb 35 Jahre im Gremium bis 2007. Das für sie wichtigste Amt war der Mesnerdienst, den sie von 1979 bis 2004 an der Stadtkirche, im Dietrich-Bonhoeffer-Haus und im Gemeindezentrum auf dem Lindenhof ausübte. Als Mesnerin und im Rahmen der Seniorenarbeit nahm sie ehrenamtliche Aufgaben auf Ebene von Kirchenbezirk und Landeskirche wahr.

Am 29. Februar 2004, als beide schon ihr 70. Lebensjahr erreicht hatten, nahmen Lydia und Eberhard Schüle offiziell ihren Abschied aus dem kirchlichen Dienst. Engagiert blieben sie gleichwohl weiterhin. Acht Jahre Gemeinsamkeit durften sie noch erleben, bis Eberhard Schüle am 18. Juli 2012 starb.

Der Horizont des Ehepaars war stets weit über das Kirchturmdenken hinausgegangen. Aus der Verantwortung der Kirchen für die Gesellschaft als Ganzes nahmen sie auch die Verantwortung für den Frieden in ihren Blick und das Erinnern an die dunkle Last aus der deutschen Geschichte. Politisch positionierten sich beide in der SPD, Lydia Schüle ab 2004. Bereits in den 1970er Jahren hatte sie am „Schweigen für den Frieden“ teilgenommen. Damals gehörte dazu Mut, namentlich in Oberndorf. Und bis zum Herbst 2023 war sie regelmäßig beim „Ökumenischen Friedensgebet“ dabei.

Um Erinnerung bemüht

Mitte der 1980er Jahre waren Lydia und Eberhard Schüle Gründungsmitglieder der „Initiative Gedenkstätte Eckerwald“, die sich um die Erinnerung an die KZ-Außenkommandos am Albtrauf östlich von Rottweil bemüht. Als Anfang der 1990er Jahre in Oberndorf der Zwangsarbeitereinsatz in der Rüstungsindustrie zum Thema wurde, engagierte sich Lydia Schüle und betreute Zeitzeuginnen aus der Sowjetunion. Sie hielt Kontakt zu den Frauen bis in die letzten Jahre. Nach Errichtung des Mahnmals „Buch der Erinnerung“ 2007 war sie aktiv in der Oberndorfer „Initiative 27. Januar“.

Ab Sommer 2023 schränkten körperliche Beschwerden Lydia Schüles Beweglichkeit mehr und mehr ein. Aber mit bewundernswerter mentaler Stärke überwand sie diese Grenzen, und bald war sie mit ihrem elektrischen Rollstuhl wieder fast allgegenwärtig. Auch eine sehr schwere Operation überstand sie und war fest entschlossen, in ihr Haus auf dem Lindenhof zurückzukehren. Am 12. März, überraschend für viele, verschied sie im Kreis ihrer Familie, mit der Gewissheit, in Gott geborgen zu sein.