Die massenhaft gefälschten Plaketten sorgen bei Autofahrern weiter für Ärger. Einige der 8500 Betroffenen wollen die vom Land geforderte Nachuntersuchung nicht beim Tüv, sondern bei der Konkurrenz machen lassen. Foto: dpa

Vom Plakettenschwindel betroffener Autofahrer will notfalls gegen die Anordnung klagen – Mängel an vielen Fahrzeugen.

Stuttgart - 8500 Fahrzeughalter haben in den vergangenen Tagen unliebsame Post von den Landratsämtern bekommen. Darin wird ihnen mitgeteilt, dass sie Opfer des im März verhafteten 58-Jährigen geworden sind, der im Auftrag der Karlsruher Gesellschaft für technische Sicherheitsprüfungen (GTS) im Großraum Stuttgart Hauptuntersuchungen vorgenommen hat. Dabei hat er die Fahrzeuge allerdings gar nicht oder nur kurz gesehen – und Plaketten im Akkord vergeben. Die anfallenden Gebühren strich er ein. Die Opfer müssen nun zu einer Nachuntersuchung.

Die Wahl der Prüfgesellschaft haben sie dabei allerdings nicht. In den Briefen wird der Tüv Süd als einzige Anlaufstelle genannt. Das schmeckt vielen geprellten Autofahrern nicht. „Warum darf man nicht etwa zur Dekra? Meiner Meinung nach zocken die Landratsämter und der Tüv die Fahrzeughalter ab und wollen möglichst viel Geld machen“, sagt ein Betroffener. Er war inzwischen bei der Nachuntersuchung und hat dort wegen Mängeln erheblichen Ärger bekommen.

Peter Z. (Name geändert) will es nicht beim Ärgern belassen. Er hat beide Autos, die bei ihm betroffen sind, inzwischen bei einer anderen Prüforganisation unter die Lupe nehmen lassen. Die Zulassungsstelle in Stuttgart habe ihm mittlerweile signalisiert, dass sie dies akzeptieren werde, sagt er. „Würde sie dennoch Einspruch erheben, würde ich mich nicht scheuen, den Klageweg zu beschreiten“, bekräftigt er.

„Der überwiegende Teil der Fahrzeuge hat erhebliche Mängel“

Damit geht Peter Z. auf klaren Konfrontationskurs zum Land. Im Verkehrsministerium bekräftigt man, das Verweisen an den Tüv sei korrekt. In jedem Bundesland gibt es nur eine Prüforganisation, die als offiziell beauftragte Technische Prüfstelle für den Kraftfahrzeugverkehr vorgesehen ist. Deshalb müsse man die Autofahrer dorthin verweisen, sagt Sprecher Edgar Neumann: „Bei dieser Festlegung haben wir insbesondere auch dem Umstand Rechnung getragen, dass nach unseren Erkenntnissen der betroffene Prüfingenieur auch Änderungsabnahmen durchgeführt hat, für die er keine Befugnis hatte und die nur die amtlich anerkannten Sachverständigen der Technischen Prüfstelle machen dürfen.“

Beim Tüv ist mittlerweile die Welle der betrogenen Autofahrer angerollt. Knapp die Hälfte der 8500 Fahrzeuge seien inzwischen untersucht worden, sagt Christian Erichsen, Leiter der Stuttgarter Niederlassung – und hat unschöne Nachrichten: „Der überwiegende Teil der Fahrzeuge hat erhebliche Mängel.“ Die meisten Autofahrer würden in den Service-Centern Filderstadt und Esslingen vorstellig.

Bisher keine Einigung darüber, wer betrogenen Fahrern Kosten für Nachprüfung erstattet

Auf das Land könnte allerdings noch weiteres Ungemach zukommen. Bisher gibt es keine Einigung darüber, wer den betrogenen Autofahrern die Kosten für die Nachprüfung erstattet. Das Verkehrsministerium hat die Zulassungsstellen angewiesen, Betroffene zur GTS zu schicken. Ob von dort Geld zu erwarten ist, steht nicht fest. Der ADAC vertritt deswegen die Auffassung, das Land müsse einspringen, weil es die Berechtigung für die Prüfunternehmen vergibt und damit Verantwortung trägt.

Diese Meinung wird von einem Gerichtsurteil gestützt. Das Oberlandesgericht in Hamm hat im Dezember 2010 einem Mann Schadenersatz vom Land Nordrhein-Westfalen zugesprochen. Er hatte ein Auto gekauft, bei dessen vorhergegangener Hauptuntersuchung ein Tüv-Gutachter schwere Amtspflichtverletzungen begangen hatte. Der Prüfer habe hoheitlich gehandelt, heißt es in der Urteilsbegründung, deshalb treffe die Haftung für die begangene Pflichtverletzung nicht ihn selbst oder seinen Arbeitgeber, sondern das Land, „das ihm die amtliche Anerkennung erteilt hat“. Autofahrer, die bei der GTS in Karlsruhe keinen Erfolg haben, könnten deshalb versuchen, sich am Land Baden-Württemberg schadlos zu halten und die 53,50 Euro für die Nachuntersuchung dort einzutreiben. Insgesamt geht es dabei um eine Summe von knapp einer halben Million Euro.