Sitzungspause im Landgericht: Die Verteidiger der vier Angeklagten beraten sich. Foto: Ungureanu

Im Prozess gegen zwei Iraker und zwei Syrer sagt Ermittler aus. Eklat bei Essensausgabe.

Hechingen/Meßstetten - "Syrer und Iraker sind eins!", "Wer nicht mitmacht, hat keine Ehre!", "Das sind Hurensöhne!" – Der Ton ist bei den Handy-Videos von der Massenschlägerei in der Lea Meßstetten schlecht, die Rufe auch für die Dolmetscher schwer zu verstehen.

Am Dienstag wurden die Video-Beweismittel auszugsweise vor der Großen Strafkammer des Hechinger Landgerichts gezeigt. Der leitende Ermittler und weitere Beamte der Balinger Polizei, der Kripo Rottweil und der Bereitschaftspolizei versuchten, Licht ins Dunkel zu bringen.

Von den vier Angeklagten, zwei Syrer und zwei Iraker im Alter von 15 bis 39 Jahren, denen schweren Landfriedensbruch, gefährliche Körperverletzung und Sachbeschädigung vorgeworfen wird, haben nur drei Teilgeständnisse abgelegt. Der Vierte beharrt darauf, nicht dabeigewesen zu sein.

Der leitende Ermittler, ein 55-jähriger Polizeihauptkommissar aus Balingen, holte weit aus: Die Lea sei ursprünglich für 500 bis 800 Flüchtlinge ausgelegt gewesen, an jenem 13. November 2015 seien dort 3051 Menschen untergebracht gewesen: "Dadurch ist Konfliktpotenzial gegeben."

Bei der Essensausgabe habe sich eine Schlange von etwa 1000 Menschen gebildet, davon 80 Prozent Syrer, 15 Prozent Iraker, der Rest Sonstige. Etwa 30 bis 40 Security-Leute seien im Einsatz gewesen – einige von ihnen mit Migrationshintergrund, einige auch des Arabischen mächtig.

Zum Eklat sei es gekommen, als ein syrisches Ehepaar – die Frau sei schwanger gewesen – die Kantine mit zu vielen Lebensmitteln verlassen wollte. Ein Security-Mann habe sie aufgefordert, einen Teil zurückzugeben. Daraufhin sei der Ehemann wütend geworden und habe einen Security-Mann mit einem Brötchen beworfen. Der wiederum versuchte den Mann festzuhalten, die Frau rief auf Arabisch um Hilfe, es kam zu einem Gerangel, die Frau stürzte, und der Ansturm auf die Security-Leute begann.

50 bis 60 Flüchtlinge hätten sich an der Massenschlägerei beteiligt, 200 weitere "standen herum", schätzt der Beamte. Ziel der Attacke sei ein großer Portugiese gewesen, ein, wie der Zeuge sagte, Bodybuilder und Personenschützer, der versucht habe, das Ehepaar aus der Kantine hinauszubringen. Pfefferspray wurde eingesetzt, es gab Ohnmächtige und Verletzte. Klammer auf: Pfefferspray sei verboten, kommentierte der Vorsitzende Richter. Besagter Security-Mann sei angezeigt worden. Klammer zu.

Zwölf Leute wurden im Sanitärbereich behandelt. Steine flogen, Scheiben gingen zu Bruch. Verletzt wurde auch eine Mitarbeiterin der European Homecare (EHC), die am Info-Punkt Dienst machte.

Die Polizei rückte an. Zuletzt waren 62 Streifenfahrzeuge und 150 bis 160 Beamte vor Ort, zudem ein Polizeihubschrauber, der das Lea-Gelände ausleuchtete, sowie Einsatzgruppen vom Präsidium, Polizisten aus Sigmaringen und Rottweil, Hundeführer aus Konstanz, eine Einsatzgruppe der Bereitschaftspolizei Böblingen.

Einer der jetzt Angeklagten wurde von allen als Rädelsführer bezeichnet. "Er hatte ein gewichtiges Wort, er konnte auf die Flüchtlinge einwirken", sagte der Zeuge. Aber hat er sie aufgestachelt? Hat er versucht, sie zu beruhigen? War er quasi ein Vermittler? Die Frage konnte nicht eindeutig beantwortet werden.

Manche Zeugen wollen gesehen haben, wie der Mann Steine warf und die Menge mobilisierte, andere, wie er ein Absperrgitter hob und gegen die Polizei schleuderte. Vor Gericht beteuerte er, dass er die Menge nur ermahnt habe, nichts zu zerstören.

Im Lauf der Ermittlungen habe sich herauskristallisiert, dass die Tumulte eine Vorgeschichte hatten: Am Tag davor hätten zwei angetrunkene Iraker versucht, sich an der Schlange vor dem Kiosk vorbeizudrängen. Die Männer hätten randaliert, der portugiesische Security-Mann habe sie fixiert. Dabei habe es auch eine Auseinandersetzung mit dem vermeintlichen Rädelsführer der späteren Massenrandale gegeben. Mit ein Grund für die Eskalation? Möglich.

Die Verhandlung wird am Freitag, 10. Juni, um 9 Uhr fortgesetzt. Eventuell gibt es nach Anhörung der Jugendgerichtshelferin bereits Plädoyers. Der Vorsitzende Richter Breucker hält es für möglich, dass das Urteil am 15. Juni verkündet werden kann.