Das ehemalige Gasthaus Waldhorn beherbergt jetzt eine Wohngruppe mit jungen Flüchtlingen. Archiv-Foto: Holbein Foto: Schwarzwälder-Bote

Flüchtlinge: Im "Waldhorn" in Meßstetten wohnen zehn Jugendliche im Alter von 13 bis 17 Jahren

Sie stammen aus Afghanistan, Syrien und Gambia: die zehn minderjährigen Flüchtlinge, die ohne erwachsene Begleitung nach Deutschland gekommen sind und jetzt im "Waldhorn" wohnen. Dort werden sie vorbereitet auf ein selbstständiges Leben.

Meßstetten. Es duftet aus der Küche. Zwiebelkuchen gibt es an diesem Tag zum Abendessen: ohne Speck, denn von den zehn Flüchtlingen im Alter von 13 bis 17 Jahren, die ohne erwachsene Begleitung Zuflucht in Deutschland gesucht und diese im "Waldhorn" gefunden haben, sind neun Moslems. Der zehnte minderjährige Flüchtling in der Wohngruppe ist Christ – "alles tolle Jungs", wie Isabelle Engler sagt, die Bereichsleiterin im Diasporahaus Bietenhausen ist, unter dessen Ägide das "Waldhorn" läuft.

Alle zehn Jugendlichen gehen in die Schule, sind damit in einen festen Tagesablauf eingebunden, stehen morgens auf, machen ihr Zimmer, waschen sich, ziehen sich an und frühstücken dann gemeinsam. Auch das Mittagessen wird gemeinsam eingenommen. Am Wochenende kochen die Pädagogen zusammen mit den Bewohnern. Zweimal in der Woche bieten die "Waldhorn"-Mitarbeiter zusätzlich zur Schule Lerneinheiten in Deutsch an.

Die festen Angebote bilden das Gerüst des Tagesablaufs: So kochen und backen sie gemeinsam– "die Jungs sind super zu haben dafür", sagt Engler –, haben das Kulturfest für die Mitarbeiter vorbereitet mit verschiedenen Gerichten aus ihren Heimatländern, treiben Sport, klettern im Rahmen der Erlebnispädagogik in der Kletterhalle, machen Vertrauensübungen und sind kreativ – beispielsweise haben sie auf einer Landkarte, die sie im Treppenhaus aufgemalt haben, ihren jeweiligen Fluchtweg eingezeichnet.

Zudem sind die Aufgaben im Haus verteilt: den Eingangsbereich fegen, die Toiletten putzen, den Abfall einsammeln. Diese "Ämter" wechseln wöchentlich.

In ihrer Freizeit fahren die Jugendlichen zum Beispiel Rad. Ab 18 Uhr findet für alle gemeinsam das Abendessen statt. Danach gibt es weitere Angebote, und die Jungen besuchen verschiedene Vereine, gehen zum Fußball oder ins Boxtraining. Nachtruhe ist spätestens um 21.45 Uhr.

Friedliche Atmosphäre schafft Vertrauen bei den jungen Menschen

"Ich wünsche mir, dass die Jugendlichen so lange im ›Waldhorn‹ wohnen, bis sie so weit selbstständig und in der Ausbildung sind, dass sie ihr eigenes Leben führen können", sagt Engler. Definitiv sind sie bis zum 18. Lebensjahr dort untergebracht, in einer Atmosphäre, in der sie ihre Probleme äußern dürfen, etwa über ihre Angst sprechen, was mit ihren Familienangehörigen ist, die im Heimatland, wo Krieg herrscht, zurückgeblieben sind. "Die Jungs haben alle ihr Päckchen zu tragen. Das erlaubt den Kindern oftmals nicht, hier glücklich zu sein und anzukommen, weil es der Familie schlecht geht. Das liegt wie ein grauer Schleier über ihrem Dasein." Die Jugendlichen müssen ausharren und können nichts dagegen tun. "Die Geschichte, welche die Kinder mitbringen, ist allgegenwärtig, und das macht die Betreuer ein Stück weit machtlos."

Derweil gab es bisher keine Probleme mit den Nachbarn und den anderen Meßstettern. Im Gegenteil: "Das ›Waldhorn‹ ist akzeptiert und viele Partner wollen kooperieren." Verunsichern lassen sich die Mitarbeiter zudem nicht von Meldungen über Anschläge wie in Würzburg und Übergriffen wie in Bautzen. "Wir thematisieren das und greifen die Ängste auf, aber wir sehen das Gute in den Kindern. Wir besprechen das auch mit den Jugendlichen; für die sind solche Ereignisse schlimmer, weil das auf sie zurückfällt, die Furcht vor Flüchtlingen dadurch wächst", betont Bereichsleiterin Engler.

"Es ist gut hier, ich kann zur Schule gehen und zum Fußballtraining, das ist ok, sagt der 15-jährige Zahir-Ali aus Afghanistan. Dem pflichtet der 17-jährige Yaya aus Gambia bei. Er möchte in Deutschland bleiben und hier arbeiten: "Ich möchte eine gute Zukunft haben."

Der gemeinsame Wunsch nach einer Zukunft in Deutschland

Das wünscht sich auch der 16-jährige Ismail aus Afghanistan: "Es läuft gut in Deutschland." Was auch sein 17-jähriger Landsmann Mohammad bestätigt: "Alles ist sehr gut hier. Ich liebe Deutschland." Allen gemeinsam ist der Wunsch, die eigene Zukunft zu gestalten. Sie sind gekommen, um zu bleiben. Und sie haben einiges zu geben: "Wir Betreuer sind dankbar für die Arbeit mit den Jugendlichen. Das gibt uns viele neue Erfahrungen und wir bekommen andere Werte mit", betont die Bereichsleiterin.

Währendessen lassen sich die minderjährigen Flüchtlinge den Zwiebelkuchen schmecken: "Die Umstellung auf das Leben in Deutschland ist nicht so groß", sagt Ismail.

(hol). Die Wohngruppe im "Waldhorn" für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge besteht seit dem 2. Mai. Inzwischen leben dort zehn Jugendliche. Gestartet ist das Diasporahaus mit sechs Jugendlichen. Von den jungen Männern stammt einer aus Gambia, fünf kommen aus Afghanistan und vier aus Syrien. Sie sind mit Zwischenstation in der Landeserstaufnahmestelle für Flüchtlinge in Meßstetten, wo sie zunächst gelandet sind, über das Jugendamt des Zollernalbkreises, das die Jugendlichen in Obhut genommen hat, ins Haus "Waldhorn" aufgenommen worden und bilden dort eine feste Gruppe. Mit diesen zehn jungen Menschen ist die Wohngruppe komplett belegt. Dort sind die Kinder untergebracht, die noch viel Betreuung, feste Strukturen und Anleitung brauchen. Im "Waldhorn" sind die Jugendlichen an 365 Tagen im Jahr rund um die Uhr betreut von einem zehnköpfigen Team bestehend aus Erziehern, Sozialpädagogen, Auszubildenden, Duale-Hochschul-Studierenden, Freiwillig-Soziales-Jahr-Leistenden und einer Hauswirtschaftskraft. Über Nacht ist ein Mitarbeiter im Haus anwesend.

Im "Waldhorn" leben nur Jungen. Sie dürfen sich frei bewegen. "Sie sollen so erzogen sein, dass sie in Deutschland auf eigenen Beinen stehen und ein autonomes Leben führen können", erläutert Isabelle Engler vom Diasporahaus Bietenhausen. Deshalb nehmen sie auch die Angebote der Stadt Meßstetten wahr, besuchen den Jugendraum und sind bei der Sportnacht dabei. "Sie sollen integriert werden, mitmachen und den Schritt nach außen wagen." Mittlerweile haben sie Freunde, zu denen sie gehen, spielen Fußball und lernen die Feste wie Weihnachten kennen.

"Diese Kinder brauchen Hilfe und Schutz, und das bekommen sie im ›Waldhorn‹." Engler wünscht sich deshalb für ihre Schützlinge, dass jeder ein Aufenthaltsrecht erhält und es schafft, selbstverantwortlich in Deutschland Fuß zu fassen. "Sie haben es verdient, da zu bleiben."