Stuttgart - Mathias Richling hat den von der Landesregierung und von Lotto ausgelobten Kleinkunst-Ehrenpreis Baden-Württemberg bekommen – in Abwesenheit. Wir sprachen mit ihm über Gefahren des Kabaretts, über sieben Leben und sein erstes Amtsjahr als Kretschmann-Darsteller.

Herr Richling, bei der Kleinkunst-Ehrung vor einem Jahr gab’s einen Eklat, als Georg Schramm über CDU-Politiker herzog. Hat man Ihnen für den Tag der Verleihung einen Auftritt in Hannover besorgt, damit’s friedlicher wird?
Ehrlicherweise hätte ich den Preis unter Mappus gar nicht angenommen. Das ist eine Frage der Haltung! Jetzt haben wir ja eine andere Regierung. Gern wäre ich selbst in den Europapark gekommen. Aber ich muss meinen Berufspflichten bei meiner Tour im Norden nachkommen, so wie dies jeder Lehrer oder Hausmeister tun müsste. Wäre ich selbst zur Feier gekommen, hätte sich keiner der Anwesenden sicher fühlen können. Aber sie hätten es erst zwei Tage später gemerkt.

Wie gefährlich ist das Kabarett heute noch?
Nun ja, für uns Kabarettisten ist es gewiss nicht gefährlich. Wir werden ja bei Unliebsamkeit nicht mit Tod oder Folter bedroht wie zu Diktatur-Zeiten. Für die kritisierten Politiker ist es nur auf lange Sicht gefährlich, weil manchmal Kabarett als kleines, sehr kleines Rädchen mit vielen anderen zu einem neuen Bewusstsein führen kann, wie wir in Stuttgart ja seit längerem beobachten.

Der Ministerpräsident wird Ihnen am 24. Mai den Ehrenpreis persönlich überreichen. Wie zufrieden sind Sie mit Ihrem ersten Amtsjahr als bester Kretschmann-Darsteller?
Oh, vielen Dank. Zufrieden bin ich nie, aber ich meine manchmal, Herr Kretschmann spricht bereits meine Texte. Im Ernst: Bei allen Widrigkeiten um Stuttgart 21 etwa oder die Polizeireform kann man ruhig zugeben, dass es beim neuen Ministerpräsidenten nach einjähriger Amtszeit keinen eklatanten Wechsel seiner Persönlichkeit gegeben hat wie wir dies bisher von vielen anderen Politikern gewohnt waren.

Sie sind ein Kretschmann-Fan ?
Ich bin nie Fan von irgendeinem Politiker. Gleichwohl kann man den einen mehr achten als den anderen. Im Kabarett gilt das Grundgesetz: Mir sind alle gleich. Man sieht aber, dass wir Kabarettisten nicht alles schlechtreden. Der Wähler erkennt am Beispiel Kretschmann, dass das Volk die Wahrheit nicht nur verträgt, sondern dass man mit der Wahrheit Wahlen gewinnen kann.

"Das ist doch kein Preis fürs Lebenswerk"

Stichwort Wahlen – im Herbst wählt Stuttgart den OB. Wen wählen Sie?
Hab’ mich noch nicht damit beschäftigt. Hat denn schon der Wahlkampf begonnen?

Kandidat Sebastian Turner legt bereits jetzt großes Tempo vor. Am Freitag war er in der Talkshow „3 nach 9“.
Die Frage ist, ob es sinnvoll ist, wenn man so früh schon volles Tempo vorlegt. Man sieht dies am Beispiel Steinbrück in der SPD. Altkanzler Schmidt hat ihn schon früh als Kanzlerkandidaten empfohlen. Wie es aussieht, war das für ihn eher kontraproduktiv.

Zurück zu Ihrem Preis: Ist der Ausdruck Kleinkunst noch zeitgemäß für das, was Sie tun?
Ich habe selbst nie von Kleinkunst gesprochen. Aber die Kleinkunst, die schon lange in großen Sälen zu Hause ist, ist zu einer Marke geworden wie Lotto oder Daimler.

Oder wie die Marke Richling. Wie sentimental macht so ein Ehrenpreis fürs Lebenswerk?
Wie bitte? Was heißt da Lebenswerk? Das hätten Sie mir vorher sagen müssen. Das ist doch kein Preis fürs Lebenswerk. Ich bin mit dem Werk ja noch lange nicht fertig.

Aber es klingt danach.
Einen Preis fürs Lebenswerk hätte ich gar nicht angenommen. Ich dachte immer, ich hätte sieben Leben, und das erste ist gerade erst mal halb rum.

Was raten Sie den jungen Preisträgern Jeroch & Schröder, Volksdampf und Frank Sauer, die im Europapark Rust geehrt wurden?
Kabarett ist eine Kunstform, in der man sich ausgesprochen unterschiedlich entwickeln und ausdrücken kann. Da soll man das verwirklichen, was die eigene Gedankenwelt ausmacht und nicht auf andere schauen. Nicht kopieren, sondern Original sein.