Die Diskussionsrunde im Loßburger Kinzighaus (von links): Doris Gantenbein, Bruno Gantenbein, Moderator Sebastian Heinzel, Ruth und Gregor Schenk und Thomas Gisonni, Schulleiter der Gemeinschaftsschule Loßburg Foto: Adrian Foto: Schwarzwälder-Bote

Der Dokumentarfilm "Alphabet – Angst oder Liebe" wirft einen kritischen Blick auf Bildungssystem

Von Gabriele Adrian

Loßburg. Zu einem nicht alltäglichen und thematisch alternativen Filmabend hatte Stefan Heinzel von den Filmwelten Schömberg interessierte Eltern, Lehrer und Gäste ins Kinzighaus eingeladen, um den österreichischen Dokumentarfilm "Alphabet – Angst oder Liebe" anzuschauen und gemeinsam zu diskutieren.

In dem fast zweistündigen eher handlungsarmen Dokumentarfilm von Erwin Wagenhofer geht es um die Bildung der Kinder, die nach Ansicht des Autors dringend hinterfragt werden muss.

Kaum Raum fürein individuellgestaltetes Leben

Bildungsexperten kommen zu Wort, so auch ein Professor aus Peking, der sich besorgt zeigt über die hohen Leistungsanforderungen in Chinas Schulsystem, in dem der Konkurrenzdruck stetig steige, nirgends sei die Suizidrate bei Schülern so groß wie dort.

André Stern, ein französischer Maler, wird gezeigt, der seit 60 Jahren Kinder zum freien Spiel in sein Atelier einlädt und "anerzogene Kunst und Abstraktion" ablehnt. Eine Hamburger Gymnasiastin beklagt sich in einem offenen Brief darüber, dass das Schulsystem kaum Raum biete für ein eigenes, individuell gestaltetes Leben außerhalb der Schule.

Fazit war die Schlussfolgerung, das Schulsystem, geprägt durch Konkurrenz, Leistungsdruck und Gehorsam erzeuge Angst, das "Konzept der Liebe" komme sträflich zu kurz.

Eingeladen zur anschließenden Podiumsdiskussion hatte Sebastian Heinzel das Schweizer Elternpaar Bruno und Doris Gantenbein mit ihren Kindern Sara, Olivia und Nalin, die alle drei nicht zur Schule gehen, sondern von den Eltern individuell unterrichtet werden, "freiwillig und wann immer sie Lust haben", war zu hören. Das Elternpaar vertritt das Konzept "Unschooling", das besagt, dass Eltern und andere Bezugspersonen die Kinder in ihrem natürlichen Wohn- und Umfeld "begleiten". Auch die Freudenstädter Eltern Ruth und Gregor Schenk, die Kinder im Alter von sieben und fünf Jahren und dazu ein Baby haben, wollten ihre Kinder eigentlich nicht in eine der hiesigen Grundschulen schicken, sondern setzen sich für den "Uracher Plan" ein, der beinhaltet, dass Kinder an vier Wochentagen zu Hause betreut werden können und einmal in der Woche Unterricht an einer Privatschule erhalten. "Dezentrales Lernen" ist hier angesagt.

Mit von der Partie in der Runde, die von Sebastian Heinzel moderiert wurde, war auch Thomas Gisonni, Schulleiter der Gemeinschaftsschule Loßburg. Er war bei dem propagierten Thema in der Außenseiterrolle und vertrat das Credo, dass man sich in einem modernen Schulsystem wie an einer Gesamtschule durchaus auf die Fähigkeiten und Begabungen der Schüler konzentriere. Es gebe beispielsweise keine Noten, um den Konkurrenzdruck unter den Schülern einzudämmen, gleichzeitig fänden stets regelmäßige Coaching-Gespräche mit den Schülern in Einzelsitzungen statt. "Es gibt viele Schulen, die sich auf den Weg machen, nach ganz anderen Konzepten zu arbeiten", versicherte der Schulleiter.

"Die Gesellschaftsoll auf die Kinder hören"

Mit großem Applaus wurde die Überzeugung von Doris Gantenbein bedacht, die zusammenfassend betonte: "Die Gesellschaft soll auf die Kinder hören und nicht umgekehrt!"

Zu einem klaren und konkreten Ergebnis kam man nach langer Diskussion nicht, erreicht wurde jedoch zweifellos, dass viele Teilnehmer äußerst nachdenklich und mit neuen Perspektiven ausgestattet das Kinzighaus verließen.

Musikalisch stimmungsvoll umrahmt wurde die Veranstaltung durch intuitive Gesänge, Volkslieder, Jodler und mexikanische Liedbeiträge der Sängerin Silvia Kirchherr, die von ihrem "Vagabundenleben" durch die Welt berichteten.