Einen Tag nach Meldungen über seine Festnahme taucht Gaddafi-Sohn Seif al Islam in Tripolis auf.

Tripolis - Einen Tag nach Meldungen über seine Festnahme ist der Gaddafi-Sohn Seif al Islam überraschend in einem Hotel in Tripolis aufgetaucht. Er erschien am frühen Dienstagmorgen im Rixos-Hotel in der Hauptstadt, in dem sich etwa 30 ausländische Journalisten aufhalten, darunter Reporter der Nachrichtenagentur AP. Der Sohn von Machthaber Muammar al Gaddafi lud die Journalisten zu einer Fahrt durch die Stadt in seinem Konvoi ein.

Der Konvoi aus gepanzerten Geländewagen fuhr durch Straßen voller bewaffneter Gaddafi-Gefolgsleute und durch das Viertel Bu Slim, das als Hochburg der Regimetreuen gilt. Vor Gaddafis Gebäudekomplex Bab al Asisija warteten mindestens 100 Männer auf Waffen, die an Freiwillige zur Verteidigung des Regimes verteilt wurden. Seif al Islam äußerte sich zuversichtlich, die Aufständischen noch zu besiegen.

Am Montag hatten die Aufständischen erklärt, Seif als Islam sei ebenso wie ein weiterer Gaddafi-Sohn, Al Saadi, am Vortag festgenommen worden. Der Internationale Strafgerichtshof (ICC) hatte die Festnahme Seif al Islams bestätigt, der wie sein Vater wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt ist. Ein dritter Sohn, Mohammed, stand nach Angaben der Opposition unter Hausarrest, konnte aber entkommen. Der Aufenthaltsort Muammar al Gaddafis ist weiter unbekannt.

Rebellensprecher sieht weiter Gefahr

Weder Seif al Islam noch der Nationale Übergangsrat in Bengasi äußerten sich dazu, wie es zu der Meldung über die Festnahme gekommen war. Beobachter hielten es für möglich, dass Seif al Islam, der einst als wahrscheinlichster Nachfolger seines Vaters gehandelt wurde, den Rebellen entkommen konnte.

Rebellensprecher Mohammed Abdel Rahman sagte in Tripolis, solange Muammar al Gaddafi nicht gefasst sei, bestehe Gefahr. Seine Gefolgsleute seien in den Außenbezirken stationiert und könnten „in einer halben Stunde mitten in der Stadt sein“.

Zum zweiten Mal Scud-Rakete abgefeuert

Ein US-Regierungsbeamter erklärte, nach Einschätzung des Weißen Hauses stünden 90 Prozent von Tripolis unter der Kontrolle der Rebellen. Die Regierungstruppen herrschten noch über die Städte Sirte und Sebha. Nach US-Angaben feuerten die libyschen Streitkräfte am Montagabend erneut eine Scud-Rakete ab. Wo das Geschoss landete und ob es Verletzte gab, war nicht bekannt. Die Kurzstreckenrakete wurde demnach aus der Nähe von Sirte, der Heimatstadt Gaddafis, abgefeuert. Die libyschen Regierungstruppen hatten am 15. August erstmals seit Beginn des Konflikts eine Scud-Rakete abgefeuert. Verletzt wurde niemand.

Der französische Außenminister Alain Juppé hofft unterdessen auf ein zügiges Ende des NATO-Lufteinsatzes über Libyen. Frankreich und Großbritannien seien für 75 bis 80 Prozent der Einsätze in den vergangenen Monaten verantwortlich gewesen, sagte Juppé am Dienstag im Rundfunksender Europe-1. Frankreich habe „einige Ausbilder“ zu den Rebellen entsandt und Waffen geliefert, erklärte Juppé.