Volker Kauder muss seinen Posten nach 13 Jahren räumen. Foto: Kappeler

Fraktionsvorsitzender nach 13 Jahren gestürzt. Ralph Brinkhaus übernimmt CDU-Vorsitz.

Kreis Rottweil - Den Parteifreunden im Südwesten der Republik kommt es wohl gerade so vor, als würde man einen Buchstaben aus dem Parteikürzel der CDU herausbrechen. Womit die wenigsten in der Union im Wahlkreis Rottweil-Tuttlingen gerechnet haben, ist  eingetreten: Volker Kauder ist als Fraktionschef abgewählt worden. 

Auf ihn waren die Christdemokraten in den Kreisen Rottweil und Tuttlingen so stolz: Volker Kauder, einer der Ihren, war als engster Vertrauter der Kanzlerin einer der mächtigsten Männer in Deutschland. Seit 2005, als er erstmals zum Fraktionschef gewählt wurde, war er die rechte Hand Angela Merkels. So lange wie keiner vor ihm hat er das Amt des Fraktionsvorsitzenden innegehabt. 

Trotz seines anstrengenden Jobs in Berlin war er, so oft es ging, in seinem Wahlkreis unterwegs. Heute hier, morgen dort. Heute Berlin, morgen Sulz, Schramberg, Rottweil oder Oberndorf. Manches Mal, wenn es hart auf hart kam in der Politik, absolvierte er dieses Reiseprogramm fast an einem Tag. 

Heimatverbundenheit und Leutseligkeit waren  in Berlin nicht gefragt

Egal, wie kräftezehrend und hysterisch es auf der politischen Bühne in der Bundeshauptstadt zugeht, einen festen Platz im  Terminkalender des Bundespolitikers   nimmt seit Jahren die Fastnacht ein. Sei es   die »Da-Bach-na-Fahrt« in Schramberg, seien es die historischen Narrensprünge in Rottweil und Oberndorf. Kauder  ist dabei.  Der heimatverbundene Politiker ist dafür bekannt, auf der Tribüne vor dem Alten Rathaus in Oberndorf  nach den Würstchen der Schantle zu schnappen, für die der CDUler jedes Mal ein gefundenes Fressen ist. Er ist einer zum Anfassen, der nach dem Sprung in der Kantine des Schwarzwälder Boten ein Glas Sekt trinkt, für Fotos   posiert und einen Witz reißt, der auch mal gar nichts mit Politik zu tun haben kann. 

Leutseligkeit und Heimatverbundenheit waren indes am Dienstag in Berlin nicht gefragt. Hier ging es eher darum, offene Rechnungen zu begleichen. Die Fraktion sägte Kauder ab, wollte aber die Kanzlerin treffen.
 Die Bestürzung  zu Hause ist groß.  »Ich bin über das Ergebnis der Wahl überrascht und bedauere persönlich sehr, dass Volker Kauder nicht die nötigen Mehrheiten zu einer erneuten Wiederwahl erhalten hat.« Das sagt der langjährige Weggefährte Stefan Teufel aus Zimmern ob Rottweil. »Kauder hat sich lange Jahre in seinem Amt als Vorsitzender  verdient gemacht und sich gleichzeitig für die Belange unseres Wahlkreises hervorragend eingesetzt«, meint  Teufel, der stellvertretender Fraktionsvorsitzender im baden-württembergischen Landtag ist. Es sei nicht selbstverständlich, solch eine Spitzenposition zu belegen. »Es wird gewiss eine lange Zeit dauern, bis wieder ein Bundestagsabgeordneter aus unserem Wahlkreis solch ein Amt begleitet«, bedauert er.

»Ich habe es so nicht erwartet«, sagt Tobias Bronner, CDU-Stadtverbandsvorsitzender in Sulz am Neckar. Er und andere CDU-Mitglieder waren davon ausgegangen, dass Kauder Fraktionsvorsitzender bleibe und sind nun geschockt.   Kauder habe in Sulz auch viel Präsenz gezeigt. Besonders geschätzt haben die Parteifreunde in Sulz, dass sie mit ihm bei  Winterwanderung oder  Sommertour persönlichen Kontakt hatten

Rainer Hezel aus Bösingen, Vorsitzender der CDU-Fraktion im Rottweiler Kreistag, zeigt sich ebenfalls sehr überrascht über die Abwahl Kauders. Er kennt Kauder als sehr engagierten Menschen, der Deutschland nach vorne gebracht habe. Und: Er habe die Fraktion in schwierigen Zeiten gut zusammengehalten. 
Für den Wahlkreis sei die Abwahl ein herber Verlust. »Wir hatten direkten Einfluss.« Rainer Hezel spricht Kauders jährliche Sommertouren durch alle Gemeinden seines Wahlkreises und diverse Wahlveranstaltungen an. Auch persönlich tut es Hezel, der Kauder gut kennt,  sehr leid. Sein Rat: Er solle die Abwahl nicht zu sehr persönlich nehmen. »Ich bin mir sicher, dass er für unseren Wahlkreis weiterhin engagiert arbeitet.« 

Clemens Maurer, Chef der CDU-Fraktion des Schramberger Gemeinderats, hat damit auch nicht gerechnet. »Dies ist eindeutig ein Denkzettel Richtung Angela Merkel und Horst Seehofer.« Auswirkungen auf die geplante Talstadtumfahrung, für die sich Kauder seit Jahren starkgemacht hat, sieht Maurer nicht. Der Ball liege beim Land. Maurer rechnet damit, dass sich Kauder auch weiterhin für die Umfahrung einsetze, »so wie er es immer gemacht hat«. 
Eines  kommt in den Gesprächen  zum Ausdruck. Kauder hat ein wichtiges Amt verloren. Doch  in der Region zählen sie weiterhin auf ihn.