Die Schüler der Klasse 6 im AMG in Rottweil sind fleißig am Unterricht beteiligt. Foto: Schmidt

Durch mehr Stunden in der Schule geht Freizeit verloren. Im Fach Deutsch fehlt Reife für tiefgreifende Erörterungen.

Kreis Rottweil - Das Land hält vorerst am Turbo-Abitur (G8) fest. Ein klares Ja oder Nein gibt es nicht. Auch nicht in Rottweil, wo es gleich drei allgemeinbildende Gymnasien gibt. Deren Schulleiter beziehen Stellung zu den Vor- und Nachteilen.

Baden-Württemberg will sich nicht wie Niedersachsen vom achtjährigen Gymnasium trennen. In 44 Schulen kann das Abitur auch erst nach neun Jahren absolviert werden, aber das ist ein Modelversuch, alle anderen Schüler werden schon nach acht Jahren geprüft. Allerdings steht das Turboabitur 2016 wieder zur Diskussion. Zehn Jahre sind seit dem Turbobeginn vergangenen. Die Leistungen im Leibniz-Gymnasium sind seither gleich geblieben. Schulleiter Wolfgang Mack berichtet sogar von leistungsorientierteren Schülern. Ob dies im Zusammenhang mit dem G8 stehe, könne aber nur spekuliert werden.

Allerdings sieht Mack auch die pädagogische Seite. Eingeführt wurde das G8 nicht auf Wunsch der Schulen, sondern aus politischen Gründen. Insbesondere argumentierte die Landesregierung damals, den Schülern den Einstieg in das Berufsleben oder Studium früher ermöglichen zu wollen. Das LG war sogar schon einen Schritt weiter. Ab 1997 bot es parallel zum G9 das schnelle Abitur an. Die Erfahrungen damit waren durchweg positiv, erinnert sich Mack. Allerdings nutzten nur diejenigen Schüler das Turboabitur, die entweder leicht lernten oder besonders fleißig waren, sagt der Schulleiter.

Zwar sei der Probelauf nur bedingt mit dem jetzigen achtjährigen Gymnasium zu vergleichen, weil die Schüler damals den selben Stoff bewältigen mussten wie die G9er. Aber für den verkürzten Weg müssen die Schüler nun mehr Stunden in der Schule verbringen, wodurch Freizeit verloren gehe.

Für den Droste-Hülshoff-Schulleiter Paul Bauer wäre die Wahlmöglichkeit zwischen G8 und G9 keine Verbesserung. Im Gegenteil könnten kleinere Schulen diese Herausforderung nicht stemmen. Vor zehn Jahren fand Bauer die Entscheidung für das achtjährige Gymnasium falsch. Doch die Schule stellte sich ihren Hausaufgaben, durchforschte den Bildungsplan, straffte den Stoff und sieht sich inzwischen gut aufgestellt.

Dennoch beobachtet der Schulleiter den verkürzten Bildungsweg kritisch. In den unteren Klassen fehle es an sozialpädagogisch begleitenden Kräften, in der Mittelstufe würde den Schülern durch vermehrten Unterricht viel Freizeit genommen, und die Oberstufenschüler seien noch zu jung für die geforderten Aufgaben.

Politisch gesehen, gibt es für Edeltraud Voß-Soballa, Schulleiterin des Albertus-Magnus-Gymnasiums (AMG), kein Zurück. Auch spricht Voß-Soballa den Schülern die Leistungsfähigkeit nicht ab. Am AMG wurde im vergangenen Jahr mit einem Notendurchschnitt von 2,1 ein »hervorragendes Ergebnis« im Abiturjahrgang erzielt, »besser sogar als in früheren Jahren«. Dennoch findet es die Schulleiterin wünschenswert, den Kindern ein Jahr mehr Zeit zu geben. Ein »durchdringendes Wissen« zu vermitteln, sei durch das Jahr weniger nicht mehr im gleichen Maße möglich. Gerade in den Fächern Mathematik fehle die Zeit, um die Themen eingehend zu durchleuchten, und im Fach Deutsch schlicht und ergreifend die Reife für tiefgreifende Erörterungen.