Der Kreis Calw wird mit Pforzheim und Karlsruhe zu einem gemeinsamen Polizeipräsidium verschmolzen. Sitz des Präsidiums ist Karlsruhe. Foto: Staatsministerium

Kreis Calw soll durch Polizeireform mit Karlsruhe und Pforzheim verschmolzen werden.

Kreis Calw - Die bisherige Polizeidirektion Calw wird aufgelöst und der Kreis Calw zusammen mit Karlsruhe und Pforzheim zum künftig größten Polizeipräsidium im Land verschmolzen. Das ist ein Ergebnis der gestern veröffentlichten Polizeireform. Kritiker fürchten, dass der ländliche Raum am Ende nur ein kleines, vernachlässigtes Anhängsel des Mammutkonstrukts sein wird.

Auch wenn gestern nach Bekanntgabe der neuen Zuschnitte der Polizeipräsidien Unmut und Befürchtungen dominierten, gab es eine Art Erleichterung - zumindest bei den direkt Betroffenen: "Wir sind froh, dass jetzt eine Entscheidung gefallen ist", sagte Joachim Kurz, Chef der Polizeidirektion Calw. Das Warten und alle möglichen Spekulationen hätten die Mitarbeiter verunsichert und sich letztlich auch auf die Produktivität niedergeschlagen.

Die Reaktionen der einzelnen Mitarbeiter selbst seien freilich unterschiedlich, je nachdem, woher sie kommen. Die im Nordkreis wohnenden Mitarbeiter betrachteten die neue Struktur etwas gelassener als jene im Südkreis, denen weite Wege oder Umzüge bevorstehen. Von 60 Beamten ist die Rede, die aus dem Kreis Calw abgezogen werden sollen. Rund 230 Mitarbeiter zählt die Polizeidirektion Calw derzeit.

"Wir bauen auf sozial verträgliche Lösungen"

"Wir bauen darauf, dass es sozial verträgliche Lösungen gibt und Härtefälle berücksichtigt werden", sagte Kurz. Zur inhaltlichen Ausgestaltung könne man jetzt noch nicht viel sagen. Man hoffe aber, dass die Versprechungen des Landes und des Innenministers eintreffen.

Während sich Kurz als Polizeichef hier natürlich zurückhaltender äußert, bedient sich der CDU-Landtagsabgeordnete Thomas Blenke, der innenpolitischer Sprecher seiner Fraktion ist, deutlicherer Worte: "Ich hätte nicht gedacht, dass die grün-rote Landesregierung so unverfroren den ländlichen Raum am ausgestreckten Arm verhungern lässt." Aus Blenkes Sicht ist es "schlimmer gekommen als erwartet". Er hatte vermutet, dass Calw mit Böblingen und Pforzheim eine Einheit bilden könnte.

Die Polizeidirektion Calw werde nur noch ein kleines Anhängsel und damit kaum wahrnehmbar sein. Das Versprechen von Innenminister Gall, dass die Bevölkerung vor Ort nicht betroffen sei, sieht Blenke mehr als kritisch. Das lasse sich daran erkennen, dass etwa für Nagold nachts die Kriminalpolizei in Karlsruhe zuständig sein werde. Das sei eine unzumutbare Entfernung.

Blenke will zumindest einen Teil der Polizeistruktur im Kreis Calw erhalten und fordert, den Standort der Verkehrspolizei hier anzusiedeln. Räumlichkeiten gebe es sowohl in Calw wie in Bad Wildbad. Das sei aufgrund der langen Verkehrsadern und der hohen Anzahl der Unfalltoten schlüssig. Eine Entscheidung über diese Standorte hatte Gall gestern noch nicht bekannt gegeben.
Total enttäuscht vom Ergebnis der Polizeistrukturreform für den Kreis Calw ist Landrat Helmut Riegger. "Pforzheim oder Böblingen als Sitz des für uns zuständigen Präsidiums, das hätte ich ja noch akzeptieren können", sagte er gestern im Gespräch mit unserer Zeitung. "Aber Karlsruhe?" Wenn von dort jemand nach Altensteig oder Nagold fahren müsse, dann seien erst einmal mehr als 100 Kilometer zurückzulegen. Mit seinem Verständnis von Sicherheit könne er das nicht vereinbaren. Das sei ein schwerer Schlag für den ländlichen Raum und ein verheerendes Signal vom Innenminister. So könne er sich des Eindrucks nicht erwehren, dass für die Landesregierung in den Nichtballungsräumen Menschen zweiter Klasse leben.

Als Innenminister Reinhold Gall unlängst im Landratsamt zu diesem Thema gesprochen habe, hätte er, so der Landrat weiter, vor Mammutbehörden gewarnt. Und jetzt bekomme man in Karlsruhe das größte von allen neuen Polizeipräsidien. Wenn wenigstens eine wie auch immer geartete Direktion in den Kreis käme, könne man das vielleicht noch hinnehmen. Ihn ärgere auch besonders, dass er nicht gehört worden sei, als er davor gewarnt habe, dass 60 Polizeibedienstete aus dem Kreis Calw abgezogen werden und gerade einmal vier an die Basis zurück kämen.
Als "ungeheuerlich" bezeichnete es Riegger, dass er von unserer Zeitung erfahren hat, wie der aktuelle Stand in Sachen Polizeireform ist: "Diese Informationspolitik des Innenministers kann ich nicht nachvollziehen."

Man habe nichts gegen Reformen, wenn diese Verbesserungen bringen, sagte gestern der Kreisvorsitzende des Gemeindetages, Wildbergs Bürgermeister Ulrich Bünger. Doch die Zweifel überwiegen, auch weil es keine Bestandsgarantie für Reviere und Posten gebe (sie bleiben zunächst unangetastet). "Wir haben jetzt schon die geringste Polizeidichte. Das ist ein Baustein zur Schwächung des ländlichen Raumes." Bünger hofft, dass zumindest ein Teil der Leitungsstruktur in den Kreis Calw zu ziehen ist. Dass bedürfe der Anstrengung aller im Kreistag - auch der SPD.