Streiks legen auch den Bahnbetrieb lahm. Foto: DPA

Die Tarifeinheit wird mit einem Gesetz aus dem Bundesarbeitsministerium wieder hergestellt. Es kommentiert Markus Grabitz

Berlin - Deutschland ist für Unternehmer attraktiv. Der Markt ist groß, die Infrastruktur immer noch vergleichsweise gut, die Politik berechenbar. Und es gibt ein hohes Maß an sozialem Frieden. Verteilungskämpfe zwischen Arbeitgebern und der Belegschaft gibt es. Sie finden aber überwiegend nicht in den Unternehmen statt. Sie werden von den Tarifparteien am Verhandlungstisch ausgetragen. Das heißt: Diejenigen, die wissen, ob und wie viel Geld in der Branche zu verteilen ist, setzen sich zusammen und reden, bis ein neuer Tarifvertrag steht, der die Bezahlung und die Arbeitszeit regelt.

Mit dem Erfolgsmodell Tarifautonomie ist das Land gut gefahren. Die Gewerkschaften erkennen, wann in einer Branche die strukturellen oder konjunkturellen Probleme so groß sind, dass sie sich bei der Forderung zurückhalten sollten. Als 2008/2009 weltweit die Finanz- und Wirtschaftskrise ausbrach, haben Gewerkschaften und Arbeitgeber im Schulterschluss mit der Politik Kurzarbeiterregelungen verabredet. So wurde dafür gesorgt, dass im heftigen Abschwung kaum Jobs verloren gingen. Auch das ist ein Verdienst der Tarifparteien.

Doch das Erfolgsmodell Tarifautonomie hat Risse bekommen. Immer häufiger wurden Konflikte im Betrieb ausgetragen. Die Streiks bei der Bahn sind nur der prominenteste Fall. Fluglotsen, Betriebsfeuerwehrleute, Krankenhausärzte sind ähnlich vorgegangen. Das Muster war immer wieder gleich: Zahlenmäßig kleine Berufsgruppen, die an Schlüsselstellen im Unternehmen saßen, haben Betriebe lahm gelegt. Die Justiz hat ihr Treiben nicht mehr unterbunden, seitdem das Bundesarbeitsgericht ein folgenschweres Urteil gefällt hat. Der Spruch der Richter bedeutete, dass für eine Berufsgruppe in einem Unternehmen zwei Tarifverträge gelten können. Damit war die Tarifeinheit, die 50 Jahre in der Republik galt und viel zum sozialen Frieden beigetragen hat, aufgehoben. Mit dem Gesetz zur Tarifeinheit, das gestern vom Kabinett beschlossen wurde, soll dieses Fehl-Urteil nun korrigiert werden. Der große Vorzug des Gesetzes ist, dass es gar nicht so viel regelt. Es stellt nur klar, dass in einem Unternehmen, in dem Gewerkschaften um die Vertretung einer Berufsgruppe rangeln, die Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern zum Zuge kommt.

Klar ist: Es wird eine heilsame Wirkung auf die Tariflandschaft haben. Es wird dazu führen, dass konkurrierende Gewerkschaften zusammen arbeiten müssen. Sie müssen sich absprechen, Linie vereinbaren und dann gemeinsam in die Tarifverhandlungen ziehen.

Ob das Gesetz am Ende hilft, die Lokomotivführergewerkschaft beim nächsten Mal in die Schranken zu weisen, ist fraglich. In vielen Betrieben des Konzerns kann niemand sagen, welche Gewerkschaft zahlenmäßig stärker ist und damit die Oberhand behielte. Niemand weiß daher, ob das Gesetz die aktuelle Auseinandersetzung, die zwei konkurrierende Gewerkschaften bei der Bahn auf dem Rücken der Kunden austragen, verhindert hätte. Für so gut wie alle anderen Branchen und Betriebe aber lässt sich sagen: Das Gesetz schafft Klarheit. Quälend lange Streiks, bei denen es nur am Rande um den Lohn geht, faktisch aber zwei Gewerkschaften um die Macht buhlen, werden damit unwahrscheinlicher. Das Gesetz wird den sozialen Frieden stärken und damit dazu beitragen, dass Deutschland als Standort für Unternehmen attraktiv bleibt.