Ist Weinbau in Steillagen noch Liebhaberei oder schon Selbstausbeutung? Foto: Leif Piechowski

Der Erhalt der Steillagen ist eine Aufgabe der gesamten Gesellschaft, meint unser Autor Frank Rothfuß. Es ist höchste Zeit, ein Konzept zu beschließen und umzusetzen - bevor die Trauben wildem Buschwerk weichen müssen.

Stuttgart - Dieser Ruf ist mächtig: Zurück zur Natur! Wer ansonsten im Büro sitzt, der findet es reizvoll, Herr eines Weinbergs zu sein und sich dort auszutoben.

Zwei Paare aus Stuttgart ließen sich locken, kauften einen Wengert im Gewann Furt in Mühlhausen. Romantisch über dem Neckar gelegen, mit Häusle, Mauern und Stäffele. Mit Enthusiasmus stürzten sie sich in die Arbeit. Nach einer Weile gab das erste Paar auf, das zweite ließ für 30 000 Euro die Mauern reparieren. Als die weiterbröckelten, mehr Geld nötig gewesen wäre, zogen auch sie sich zurück. Nun liegt der Weinberg brach. Wie so viele andere.

Das ist angesichts des Aufwands und der Kosten kein Wunder. Und man kann sich fragen: Ist Weinbau in Steillagen noch Liebhaberei oder schon Selbstausbeutung? Egal, wie man es nennt: Geld verdient man nicht damit.

Vielfach decken die Erlöse gerade so die Kosten. Müssen dann aber die Trockenmauern saniert werden, geht die Rechnung nicht mehr auf. Dann ist man nicht mehr nur ehrenamtlicher Landschaftspfleger, sondern legt noch drauf. Die Folge? Neckaraufwärts versteppen viele Weinberge, da wächst Gestrüpp die Hänge hinauf, verändert sich das Landschaftsbild.

Auch Junge lieben die Steillagen

In Stuttgart stemmen sich noch Weingärtner gegen den Trend, schleppen Steine und 50 Kilo schwere Butten über die Stäffele. Und es finden sich auch Junge, die die Steillagen lieben, weil dort tolle Weine wachsen. Doch sie müssen eben auch rechnen und Geld verdienen, sollen ihre Betriebe überleben. So ist das Konzept, das mehr als 50 Weingärtner gemeinsam entwickelt haben, auch ein Hilferuf. Es muss sich etwas tun, und zwar schnell!

Der Gemeinderat hat richtigerweise 600 000 Euro pro Jahr für den Erhalt der Mauerterrassen zur Verfügung gestellt . Denn der Erhalt der Kulturlandschaft ist eine Aufgabe der gesamten Gesellschaft – gerade in einer Stadt, die einst stolz damit warb, die Stadt zwischen Wald und Reben zu sein. Doch mit dem Geld allein ist es nicht getan.

Was wird nun konkret angepackt? Da fühlen sich die Wengerter allein gelassen, klagen, dass sie seit Monaten keine Informationen der Behörden bekommen hätten, wie es denn nun weitergeht. Deshalb haben sie nun ihr eigenes Konzept entwickelt. Ob dieses umsetzbar ist, darüber lässt sich streiten, schließlich muss man prüfen, ob die Finanzierung einer Bauhütte einher geht mit den Vorschriften der Europäischen Union.

Weinbauern fühlen sich im Stich gelassen

Es ist aber schon erstaunlich, dass bei der Vorstellung des Konzepts zwar Stadträte der FDP, der Freien Wähler und der CDU da waren, SPD, Grüne und SÖS/ Linke aber durch Abwesenheit glänzten. Gerade sie müssten doch jubilieren, wenn Bürger sich beteiligen wollen und sich kümmern.

Da muss man sich nicht wundern, wenn der Verdruss bei den Weinbauern groß ist. Die Verwaltung schweigt, und die Mehrheit des Gemeinderats erweckt den Eindruck, man kämpfe zwar um jeden Baum, die Pfleger von 75 Hektar Steillagen sind des Interesses aber nicht wert. Nun will man sich zusammenraufen und sich am Dienstag zu einem runden Tisch zusammensetzen.

Es ist höchste Zeit, ein Konzept zu beschließen und umzusetzen. Sonst heißt es bald für Stuttgarts Weinberge: Zurück zur Natur – statt Trauben wachsen dann aber Büsche.

f.rothfuss@stn.zgs.de