Stil- und geschmackssicher, musikalisch wie visuell: Der Mannheimer Trompeter Thomas Siffling (Mitte) mit Schlagzeuger Markus Faller (links) und Bassist Jens Loh. Foto: promo

„Ich möchte Berührungsängste abbauen, Leute wieder zum Jazz hinführen“, sagt der Trompeter, Bandleader und Label-Chef Thomas Siffling – und lässt den Worten Taten folgen, nicht nur mit seinem Trio. Er kommt am Freitag mit seinem Trio-Album „Personal Relations“ in den Jazzclub Bix.

Stuttgart - Thomas Siffling bläst nicht einfach ins Horn. Er formt Töne wie Skulpturen, reiht sie auf wie Perlenketten, formuliert Themen und Motive. Der Mannheimer Trompeter und Flügelhornist, Landesjazzpreisträger 2005, hat eine lyrische Gabe.

„Ich habe früh damit angefangen, meine eigene Sprache zu suchen auf Trompete und Flügelhorn“, sagt Siffling. „So wie Miles Davis, Chet Baker und Kenny Wheeler eine hatten. Ich habe mich schon mit den Großen beschäftigt, aber vor allem mit Sachen, die mich nicht in meinem Sound, meiner Melodieführung beeinflusst haben. Ich wollte nicht klingen wie einer von ihnen, sondern wie ich selbst. So habe ich zu diesem lyrischen, melodiebezogenen Stil gefunden.“

Den spielt er mit seinem Trio aus, und die Alben sind aus einem Guss: Melodien, die nachhallen, getragen von coolen, urbanen Grooves, eingebettet in ein durchdachtes visuelles Konzept. „Das habe ich gelernt, als ich vor 13 Jahren mit dem Plattenlabel Jazznarts angefangen habe“, sagt Siffling. „Da habe ich die andere Seite des Business kennengelernt. Wenn man Platten verkaufen möchte, muss man Aufmerksamkeit generieren. Dafür reicht gute Musik allein leider nicht aus – ein gutes Artwork ist für die Vermarktung von Alben genauso wichtig, ob uns das als Musiker gefällt oder nicht.“ Till Brönner und Nils Wülker nennt er als nennt er positive Beispiele, Joo Kraus, der mit Tab Two ein großes Publikum erreicht hat, und den Norweger Nils Petter Molvaer.

„Das war die Idee des Fotografen, das ist sein Bett“

Der aktuelle Tonträger von Sifflings Trio heißt „Personal Relations“. Auf dem Cover sitzt er mit Bassist Jens Loh und Drummer Markus Faller in einem kuschligen Kingsize-Bett. „Das war die Idee des Fotografen, das ist sein Bett“, sagt der Trompeter. Und erklärt: „Der Albumtitel bezieht sich darauf, dass das Trio nun seit zehn Jahren existiert, und da entsteht eine spezielle Beziehung, gerade im fragilen Trio-Kontext. Wir haben viel miteinander erlebt.“

Auch das Spielverständnis entwickelt sich in so einer langen Zeit fast zwangsläufig. Locker swingend wecken die drei in „Anticipation“ Aufmerksamkeit, ehe in „Bustling“ ein pulsierender Rhythmus die Hörer aufwühlt und aus einem tiefen Hallraum ein Trompetenklagen erklingt, das Siffling im Mittelteil mit einem orientalisch angehauchten Thema kontert. In „Just a Little Song“ zelebriert die Band ein luftiges, schwebendes Latin-Feeling. Und in „Wutbuerger“ vollzieht sich gar eine fundamentale Wandlung: Zuerst stellt das Trio verhalten eine dunkle Ahnung in den Raum, dann schaltet die Rhythmusgruppe in Dampfwalzenmodus und der Trompetenstrahl wird zum wilden Energiefluss, auf dem die Töne tanzen. „Das Stück hatte vorher viele Arbeitstitel“, sagt Siffling. „Dann kam wahrscheinlich im Fernsehen etwas zur leidigen Stuttgart-21-Diskussion, zu der ich mich von hier aus gar nicht weiter äußern möchte. Ich wollte ganz allgemein aufgreifen, wie Normalbürgern etwas zu viel wird. Das muss dann raus, und danach glätten sich die Wogen wieder.“

Musiker aus Mannheim spielen einen Sound, der nach Weltmetropole klingt – auch das spiegelt sich visuell auf dem atmosphärischen Innencover-Motiv der CD: Die drei stehen am Hafen, schauen auf den Rhein, auf Industrieromantik unter lichtdurchflutetem Wolkenhimmel. „Ich fühle mich wohl in Mannheim, das ist für die Größe eine pulsierende Stadt“, sagt Siffling. „Die Urbanität kommt aber vor allem durch unsere Konzertreisen, die uns in viele sehr unterschiedliche Städte führen.“

„Ich werfe nicht nur Platten auf den Markt, ich arbeite intensiv mit den Künstlern“

Auf seinem Plattenlabel Jazznarts gibt Siffling jungen Talenten eine Chance. Der Mannheimer Pianist Daniel Prandl hat 2012 das bemerkenswerte Album „Fables & Fiction veröffentlicht“, Anfang 2013 der Stuttgarter Ausnahmesaxofonist und aktuelle Landesjazzpreisträger Sandi Kuhn „The Ambiguity of Light“. „Ich werfe nicht nur Platten auf den Markt, ich arbeite intensiv mit den Künstlern“, sagt Siffling. „Mit Sandi habe ich lange über die Besetzung geredet und irgendwann war uns klar, dass die Kombination mit Gitarre, Vibrafon und Gesang gut funktionieren würde. Daniel ist sehr belesen und so schreibt er auch Musik, das sind lyrische Geschichten, und das sollte in der Anmutung des Albums sichtbar werden.“

Siffling motiviert die Musiker, an sich und ihren Karrieren zu arbeiten, sich zu entwickeln, das beste aus ihren Talenten zu machen. „Jammern bringt nichts, man muss es selbst in die Hand nehmen“, sagt er. „Jazzmusiker sind auch Unternehmer. Sie selbst sind ihre Geschäftsidee, in die sie investieren, für die sie Geldgeber suchen. Das müssen sie lernen. Es gibt kein besseres Investment als in sich selbst, aber das ist in den Köpfen vieler Musiker nicht drin.“

Mit dem Selbstbild vom armen, verkannten Künstler, der sich zugute hält, keine Kompromisse einzugehen, kann Siffling nichts anfangen – für ihn ist das ein Denken von gestern. „Vom puristischen Jazz kann niemand mehr leben“, sagt er. „Die Genres verschmelzen, genau wie Hochkultur und Unterhaltung. Das lässt sich nicht mehr voneinander trennen. Heute geht es nur noch um gute oder schlechte Musik.“

Am heutigen Donnerstag stellt das Thomas Siffling Trio sein aktuelles Album „Personal Relations“ im Stuttgarter Jazzclub Bix vor, Beginn ist um 20.30 Uhr. Karten und Informationen zum Konzert im Netz unter: www.bix-stuttgart.de