Im Heilstollen in Neubulach herrscht eine Lufttemperatur von sechs bis acht Grad Celsius bei annähernd 100-prozentiger relativer Luftfeuchtigkeit Foto: Jan Walter

Für eine wissenschaftliche Studie wird die Wirkung der Heilstollentherapie bei Long-Covid oder anderen chronischen Atemwegserkrankungen in acht Heilstollen Deutschlands untersucht. Auch Neubulach ist dabei – doch es werden noch Teilnehmer gesucht.

Asthma, Long-Covid, Lungenerkrankungen – Betroffene leiden ungemein. Deshalb ergründen Gießener Doktoranden jetzt die Wirkung der Heilstollentherapie bei chronischen Atemwegserkrankungen. Und für die Studie stehen auch Untersuchungen im Neubulacher Heilstollen an, wie die Stadt mitteilt.

Zahlen über Betroffene Im Jahr 2015 waren 5,8 Prozent der Bevölkerung an der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) und 6,2 Prozent an Asthma erkrankt. Bei Long-Covid lag die Erkrankungsrate weltweit 2020 und 2021 zwischen 6,2 und 15 Prozent. Bei 3,7 Prozent waren die Atemwege betroffen.

Bei allen drei Krankheiten klagen Patienten über Atemnot schon bei geringer Anstrengung, über einen tiefen erschöpfenden Husten und über das Empfinden, nicht genug Luft zu bekommen, wie die Stadt in der Pressemitteilung schreibt.

Eine besondere Luft Die Luft in vielen natürlichen Höhlen und in stillgelegten Bergwerken ist sehr wohltuend, wenn die Atemwege erkrankt sind. Dort herrschen Temperaturen zwischen fünf und zwölf Grad Celsius, eine sehr hohe Luftfeuchtigkeit und eine nahezu staubfreie Luft. Wird diese reine, feuchtkalte Luft eingeatmet, erwärmt sie sich in allerkürzester Zeit auf 37 Grad Celsius und kann dann wesentlich mehr Wasser binden. Die Schleimhäute der Atemwege schwellen ab und geben ihre Feuchtigkeit in die Ausatemluft ab.

Dadurch werden die kleinen und großen Bronchien freier, die Lungenbläschen werden entlastet und die Patienten können wieder besser durchatmen.

Mehr als 200 Patienten untersuchen

Bereits 2006 wurde dieser heilende Effekt bei asthmakranken Kindern im Rahmen einer Doktorarbeit der Universität Ulm nachgewiesen. Deshalb kann in anerkannten Kurorten die Heilstollentherapie auch von einem Kurarzt verschrieben werden.

Ab April dieses Jahres werden Nina Schwedler, Madelaine Eicke und Gerrit-René von Komorowski – alle Doktoranden an der Universität Gießen – in acht deutschen und einem österreichischen Heilstollen mehr als 200 Patienten untersuchen, die wegen Asthma, COPD oder Long-Covid drei Wochen an einer Heilstollentherapie teilnehmen. Betreut werden sie von Natascha Sommer, Oberärztin in der Medizinischen Klinik II der Universität Gießen und Joachim Schwarz, dem Präsidenten des Deutschen Heilstollenverbandes.

Die Studie ist ein Projekt des Deutschen Heilstollenverbandes. Nebenbei: Neubulach gehört sogar zu den Gründungsmitgliedern des Deutschen Heilstollenverbandes und ist seither Mitglied im Verband, der 1990 gegründet wurde. Die drei Doktoranden haben die Studie vorbereitet und kommen auch vor Beginn der Studie, währenddessen und danach nach Neubulach, um die Patienten zu untersuchen und zu befragen.

Wissenschaftliche Beweise Verschiedene Funktionstests für die Lunge und krankheitsbezogene Fragebögen sollen die Effekte der natürlichen Therapie sichtbar machen. Doch wie kann die heilende Wirkung überhaupt erklärt werden? Ist es nur die kühle extrem saubere Luft, die außergewöhnliche Ruhe oder auch das leicht erhöhte Kohlendioxid? Dieser Frage geht Verena Goldfuß nach, die fünfte im Team der Doktoranden. In drei Einrichtungen werden neben den Lungenfunktionstests und Fragebögen zusätzlich eine Blutgasanalyse durchgeführt und der CO2-Gehalt der Ausatemluft gemessen.

Heilmittel mit nahezu keinen Nebenwirkungen

Durch diese aufwendigen Arbeiten soll wissenschaftlich belegt werden, dass die Heilstollentherapie ein wirksames natürliches Heilmittel mit nahezu keinen Nebenwirkungen ist. Bei einem solchen Nachweis wären die Voraussetzungen dafür gegeben, dass diese Therapie auch vom Gemeinsamen Bundesausschuss anerkannt und in die Heil- und Hilfsmittel-Richtlinien aufgenommen würde. Das würde dann Hausärzten ermöglichen, die Therapie zu verschreiben und die Krankenkassen könnten die Behandlungen erstatten.

Teilnehmer gesucht Wie kann man sich an der Studie beteiligen? Auch der Heilstollen Neubulach wird sich an der Studie beteiligen, dafür werden 20 bis 24 freiwillige Probanden gesucht. Alle Teilnehmer werden zu Beginn der Studie untersucht. Danach nimmt die Hälfte der Teilnehmer an einer dreiwöchigen Heilstollentherapie in der Zeit vom 20. Mai bis zum 8. Juni mit fünf bis sechs Einfahrten pro Woche teil. Die zweite Gruppe stellt die Kontrollgruppe dar, nimmt auch an allen Untersuchungen teil, aber zunächst ohne Aufenthalt unter Tage. Nach drei Wochen sowie nach weiteren drei Monaten finden nochmals Untersuchungen statt.

Die Personen der Kontrollgruppe können dann ab Mitte September an einer dreiwöchigen Liegekur teilnehmen. Die Teilnehmer der beiden Gruppen werden ausgelost. Die Teilnahme an der Studie ist kostenlos. Patienten mit COPD, Asthma oder Long-Covid, die an dieser Studie teilnehmen möchten, können sich bis zum 12. April bei Simone Huber und Anja Lohr unter Telefon 07053/96 95 10 oder per E-Mail an huber@neubulach.de anmelden.