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Im Schnitt nur rund 150 Bußgeldverfahren pro Jahr – Abfallwirtschaft für Einsatz von Aufpassern.

Stuttgart - Thomas Heß ist weder ein Erbsenzähler noch ein Pfennigfuchser. Doch eins macht den Leiter der Abfallwirtschaft Stuttgart (AWS) fuchsig: die Rechnung für 332 Tonnen wilden Müll, die der städtische Eigenbetrieb der Stadt letztes Jahr aus der Innenstadt abgefahren hat. „Das hat exakt 102.557 Euro gekostet“, stellt er fest, „ein Geld, das man doch wesentlich sinnvoller einsetzen könnte.“ In den 332 Tonnen sind achtlos weggeworfene Pappbecher und Pizzaschachteln noch gar nicht mit eingerechnet, sondern nur die Ablagerungen in großem Stil: Heß schätzt, dass es sich dabei um etwa 700 bis 1000 Einzelfälle handelt.

Eingeleitet hat die beim städtischen Amt für Umweltschutz angesiedelte Behörde für Abfallrecht im vergangenen Jahr jedoch nur 150 Verfahren. „Die Zahl ist seit etwa zehn Jahren die gleiche“, stellt eine Mitarbeiterin der Behörde fest und weist darauf hin, dass sich die 150 Verfahren nicht nur auf widerrechtlich entsorgten Müll beziehen, sondern unter anderem auch auf die Weigerung mancher Geschäfte, Pfanddosen zurückzunehmen. „Wir führen keine Statistik über die einzelnen Vergehen und über die Höhe der Bußgelder“, sagt sie. Aus ihrer Erfahrung weiß sie aber, dass die meisten verhängten Bußgelder weit unter 100 Euro liegen. „Dazu kommen dann aber noch Verwaltungs- und Müllentsorgungsgebühren für die Sünder.“

Alle liegen gebliebenen Fälle sollen noch aufgearbeitet werden

Ihre Abteilung ist derzeit mit 1,5 Mitarbeitern besetzt. In diesem Jahr wurden noch so gut wie keine Verfahren eingeleitet, „weil Mitarbeiter die Stelle gewechselt haben und es eine Wiederbesetzungssperre gab“, berichtet die Mitarbeiterin. Da die Verjährungsfrist drei Jahre beträgt, sollen alle liegen gebliebenen Fälle noch aufgearbeitet werden.

Nur etwa 15 Prozent aller Fälle von illegal entsorgtem Müll werden angezeigt. „Die Anzeigen ergeben nur Sinn, wenn die Übeltäter auf frischer Tat ertappt werden“, sagt Heß. Doch die Chance, jemanden in flagranti zu erwischen, ist gering. Denn zum einen können die 58 Mitarbeiter des städtischen Vollzugsdiensts nicht flächendeckend Jagd auf Müllsünder machen. Zum anderen gilt zum Beispiel ein Briefkuvert mit Adresse in einer illegal abgelegten Mülltüte nicht als Beweis. „Da haben die möglichen Täter sofort Ausreden parat“, sagt Hans-Jörg Longin vom zuständigen Amt für öffentliche Ordnung. Ihm bleibt nur, die Abfallwirtschaft zu informieren, die dann den Müll auf eigene Rechnung abholt.

„Es ist einfach schrecklich, wie sich die Einstellung der Bürger in Sachen Müll verändert hat“, klagt AWS-Chef Heß. Er selbst wurde schon angepöbelt, als er Jugendliche aufgefordert hat, achtlos Weggeworfenes wieder einzusammeln und korrekt zu entsorgen. Dennoch ist er überzeugt, dass sich eine Bewusstseinsänderung in Sachen Müll erreichen ließe, wenn die Bürger Müllsünder systematisch ansprechen und auf ihr Fehlverhalten aufmerksam machen würden. Über eigene Müllsheriffs verfügt sein Betrieb nicht. Heß hätte aber nichts dagegen, Aufpasser einzusetzen.