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Maria-Regine Kaufmann ist seit Mai als Hausärztin im Medizinischen Versorgungszentrum in Horb tätig. Mit Kommentar

Horb - "Frau Dr. Kaufmann? Die finden Sie im zweiten Stock", sagt die Dame an der Info des Horber Krankenhauses. Treppenhaus hinauf. Oben angekommen. Im Wartebereich sitzt niemand. Auch am Empfang nicht. Und links um die Ecke wartet eine Frau am leeren Schreibtisch. Maria-Regine Kaufmann, Hausärztin des Medizinischen Versorgungszentrums am Krankenhaus in Horb.

Die Begrüßung ist herzlich. sie hat natürlich auch gleich Zeit. Es ist ja niemand anderes da. "Meine Arzthelferin hat leider frei heute", erzählt die Medizinerin. So sitzt sie an diesem Tag ganz allein in der Praxis.

Praxis? Das ist schon fast zu viel gesagt. Spartanisch sieht es aus. Keine Bücher. Der Schreibtisch wie leer gefegt. Zwei Liegen stehen im Raum. Ein EKG-Gerät. Das ist alles, was man auf den ersten Blick so sieht. "Das ist hier auch nur ein Provisorium. Im MVZ unten müsste erst eine Praxis ausgebaut werden", erzählt Kaufmann.

Und wie sieht so der Tagesablauf von Maria-Regine Kaufmann auf? Viele Patienten habe sie nicht, erzählt sie ehrlich. "In den Ferien, als einige Ärzte im Urlaub waren, war etwas mehr los." Und dann sagt sie ohne Umschweife. "Es muss schon besser werden, sonst sehe ich selbst irgendwann schwarz." So richtig bekannt geworden sei es noch nicht, dass sie als Hausärztin im MVZ arbeite.

Dabei gibt es einiges, mit dem sie punkten kann: Da sind zum Beispiel die extralangen Öffnungszeiten am Montag und Mittwoch bis 20 Uhr. "Das ist vor allem für Arbeitnehmer praktisch." Auch seien Patienten gerne willkommen, die in der Stadt sind und sonst einen anderen Hausarzt haben. Am Montag und am Mittwoch ist Kaufmann dafür am Vormittag nicht da, weil in dieser Zeit die psychiatrische Sprechstunde stattfindet. Als Spezialgebiete hat die Ärztin Naturheilkunde und Betriebsmedizin zu bieten.

Gibt es so wenig freie Patienten in Horb? Woran liegt es, dass so wenig los ist bei der neuen Hausärztin? Auch Kai Sonntag, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg, ist verwundert, als wir ihm von diesem Fall berichten. "Wir haben ja in Horb eigentlich eine totale Unterversorgung. Da können wir nur froh sein, wenn eine neue Ärztin in der Stadt ist." Natürlich könne es am Anfang schwierig sein in dieser Konstellation. Denn meistens sei es so, dass ein Arzt entweder die Praxis eines anderen übernimmt oder zusätzlich in einer bestehenden Praxis einsteigt. "Natürlich ist es wichtig, die Werbetrommel zu rühren. Und das ist auch bei aller gesetzlichen Einschränkung für Ärzte bezüglich Werbung möglich", so Sonntag.

Maria-Regina Kaufmann setzt auf den Faktor Zeit. "Es dauert schon so seine drei Jahre, bis man sich einen Patientenstamm aufgebaut hat." So seien auch ihre bisherigen Erfahrungen gewesen. Die Medizinerin ist bereits seit 20 Jahren niedergelassene Ärztin, war zuvor in Haigerloch und Bisingen tätig. Allerdings kennt sie auch schon Horb, denn in ihrer Ausbildungszeit war sie schon am Horber Krankenhaus im Einsatz. Und noch einen Grund führt Kaufmann an, warum es (noch) nicht laufen könnte: "Viele denken vielleicht, dass das nur ein kurzfristiges Angebot ist, das nach einer gewissen Zeit wieder beendet wird. Aber ich bin bereit für ein langfristiges Engagement."

Für die Hausärztin ist das MVZ-Modell eigentlich eine gute Sache. "Als Arzt geht man kein finanzielles Risiko ein." Und die Zusammenarbeit mit den anderen Ärzten im Haus sei gewinnbringend. "Ich habe ja eine Portalfunktion, kann die Patienten an meine Kollegen hier vor Ort überweisen."

Am 9. Oktober ist die große Chance für Kaufmann. Dann findet im Horber Krankenhaus ein Tag der offenen Tür statt. Neben einer Führung durch Geriatrischen Rehabilitation wird auch das MVZ gezeigt. "In der Praxis für Allgemeinmedizin von Frau Dr. Kaufmannn werden Ihre Augen und Ohren auf ›Herz und Nieren‹ geprüft, heißt es unter anderem in der Einladung. Und vielleicht kommen mit mehr Öffentlichkeit auch ein bisschen mehr Patienten.

Der Tag der offenen Tür im Krankenhaus findet am Sonntag, 9. Oktober, von 12 bis 16 Uhr statt. Es gibt stündliche Hausführungen, Kurzvorträge, einen Infostand der AOK und der hiesigen Sanitätshäuser sowie der Sozialstation Horb. Für das leibliche Wohl ist gesorgt.

Kommentar: Ohne Werbetrommel keine Patienten

Von Florian Ganswind

Eine Hausärztin, die keine Patienten hat. Und Patienten, die gar nicht wissen, dass im Horber Krankenhaus eine Ärztin ist, die noch genügend Kapazitäten frei hat: In der heutigen Situation der notorischen medizinischen Unterversorgung landauf, landab muss man lange suchen, um einen vergleichbaren Fall zu finden. Das bestätigt auch die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg. Die Krankenhäuser Landkreis Freudenstadt gGmbH (KLF) muss sich zumindest ankreiden lassen, nicht genügend getan zu haben, um die Hausärztin Maria-Regine Kaufmann bekannter zu machen.

Im Mai dieses Jahres trat die Medizinerin im Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) ihren Dienst an. Diese Information hatten wir im Vorfeld nicht auf Initiative der KLF erhalten, sondern wurde uns zugetragen. Die Nachfrage ergab, dass diese Information richtig war. Die KLF ließ aber die Gelegenheit ungenutzt, unsere Zeitung zur Vorstellung der Ärztin zum Dienstbeginn einzuladen. Unsere aktuelle Geschichte heute, mehrere Monate nach dem Start der hausärztlichen Praxis, kam nur auf unsere eigene Initiative hin zustande. Korrekterweise muss man hinzufügen, dass im Oktober ein Tag der offenen Tür im Krankenhaus Horb stattfindet, zu der die Öffentlichkeit und auch die Presse eingeladen wird. Dort sollte auch Frau Kaufmann eine Rolle spielen. Doch bis dahin sind schon fünf Monate ins Land gegangen. Auch sonst hätte die KLF versuchen können, die Werbetrommel zu rühren, um auf die zusätzlichen Kapazitäten im MVZ aufmerksam zu machen. Doch es ist nur wenig geschehen.

So ist das aktuelle Szenario beinahe schon surreal. Normalerweise ist es für uns Redakteure immer schwer, einen Mediziner an den Hörer zu bekommen. "Der Herr Doktor ist gerade mitten in einer Untersuchung", ist dann zu hören. Bei dem großen Pensum, das abgespult werden muss, bleibt meistens keine Zeit für Zusatzgespräche.

Maria-Regine Kaufmann bekommt man dagegen direkt ans Telefon, wenn man in der Zentrale des Horber Krankenhauses nach ihr fragt. Auch die Vereinbarung eines Termins war erstaunlich: "Kommen sie einfach zwischen 10 und 12 Uhr. Ich habe da immer Zeit." Der Rückfrage, ob ein genauer Termin nicht besser sei, folgte die Nachfrage bei der Sprechstundenhilfe: "Gibt es da Termine?" Antwort: "Nein."

Dabei bringt die Ärztin einiges mit, was für Patienten interessant sein könnte. Sie ist beispielsweise spezialisiert im Bereich Naturheilverfahren, was absolut im Trend liegt. Weitere Zusatzqualifikation ist die Betriebsmedizin. Immerhin auf der KLF-Homepage ist beides mit einem Satz erwähnt.

Da fragt man sich: Warum ist das alles noch nicht bekannt? "Die Versprechungen bezüglich des Horber Krankenhauses sind bisher nicht eingehalten worden", sagt Wolfgang Kronenbitter, FW-Kreisrat und Mitglied des KLF-Aufsichtsrats.

Ist das Horber Krankenhaus doch nur das ungeliebte Kind, das von der KLF irgendwie notdürftig versorgt wird? Über das man dann meckern kann, weil es ja sowieso nur Miese macht? Die Menschen in Horb und Umgebung sind auf eine zumindest ausreichende medizinische Versorgung vor Ort angewiesen. Zumindest das MVZ sollte deshalb gehegt und gepflegt werden. Ansonsten ist eine hausärztliche Praxis ohne Patienten schneller wieder zu, als einem lieb ist.