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Heimatort macht den Olympiasieger sprachlos. Tränen der Rührung. Stadt schenkt Ehrenbürger eine Sonderbriefmarke.

Horb-Altheim - Fünf Spanferkel, 800 Gäste und ein so nervenstarker und kontrollierter Olympiasieger, der plötzlich auf der Bühne weint: Der städtische Empfang für Michael Jung am Samstagabend war ergreifend.

Los geht es mit knapp 25 Minuten Verspätung. Die Bänke oben vor der Hütte und auch unten an der Wassertretanlage sind schon gut gefüllt. Dann rollt endlich das BMW-Cabrio ein: Vorne der Chauffeur, OB Peter Rosenberger, und Joachim Jung, hinten sitzen Brigitte Jung, ihr Sohn Michael und Lebensgefährtin Faye Füllgraebe. Sie ist auch der Grund für die Verspätung. Michael Jung hat seiner Liebsten sein Liebstes anvertraut: Sie durfte das Siegerpferd Sam auf dem Flug von Rio nach Deutschland begleiten. Und das hat länger gedauert als geplant. Aber klar, bei diesem besonderen Moment möchte er seine Freundin unbedingt dabei haben.

Altheims Ortsvorsteher Andreas Bronner umarmt seinen ehemaligen Schüler Michael ganz herzlich, dann durchschreiten alle das Spalier der Reitermädels.

Klar, dass das gesamte Publikum aufsteht und die Familie Jung mit Standing Ovations begrüßt. Dann startet Horbs Oberbürgermeister Peter Rosenberger mit der offiziellen Begrüßung: "Wir fühlen uns alle als Gewinner. Weil das keine Ein-Mann-Leistung war, sondern eine Team-Leistung. Unsere Tageszeitung hat für den heutigen Tag sogar eine Extra-Ausgabe gemacht." Dann hält er das Schwabo-Extrablatt hoch. Rosenberger weiter: "Wer so nervenstark ist und schafft, das nervöse Tier zu bändigen, zeigt, wie man auf die Sekunde da sein kann. Deshalb sind Sie ein Vorbild für alle Kinder, die Ihnen hier gratulieren wollten."

Dann verrät das Stadtoberhaupt noch, dass er nervös war, als er als Fahrer für das Einlauf-Cabrio bestimmt wurde. Rosenberger: "Bei ahg merkte ich dann, dass das Auto Schaltgetriebe hat. Ich dachte: Oh Gott. Hoffentlich kriege ich das hin. Nicht, dass der Olympiasieger und seine Familie hinten runter fallen, weil es so ruckelt."

Dann wurde er wieder ernst. Rosenberger lobt die Bescheidenheit des inzwischen dreifachen Goldmedaillen-Gewinners: "Sie sind kein junger Mann mit Flausen, sondern Sie sind mit den Menschen. Deshalb darf sich heute nicht nur der Olympia-Sieger ins Goldene Buch der Stadt eintragen, sondern alle, die hier sind. Das soll zeigen, dass wir alle zusammen gefeiert haben."

Doch was bekommt der Ausnahmereiter aus Altheim geschenkt? Rosenberger holt eine mit der Deutschland-Fahne eingepackte Pappe hervor, reißt sie auf. Darauf zu sehen: eine Briefmarke mit Michael Jung und Sam. Der OB: "Wir werden für Sie eine Briefmarke bei der Deutschen Post auflegen lassen. Die werden wir als Stadt benutzen und auch Ihnen, liebe Familie Jung, zur Verfügung stellen."

Beim letzten Empfang wollte die Stadt den Jungs ein Stück Wald schenken. Das Regierungspräsidium hatte das untersagt, weil eine Kommune ihren Besitz nicht verschenken dürfe. Doch mit der Briefmarke sei alles klar, versichert Rosenberger: "Man bestellt eine gewisse Auflage bei der Deutschen Post. Das funktioniert dann. Wir werden gemeinsam mit den Jungs den Wert festlegen und auch überlegen, ob wir noch einen Wohlfahrts-Aufschlag machen." Klar, dass das Horber Stadtoberhaupt hofft, dass man mit den Jung-Briefmarken bei weiteren Olympia- oder Weltmeisterschaftssiegen des Altheimers irgendwann eine ganze Serie bekommen könnte. Rosenberger: "Das wäre dann so eine Art ›Blaue Mauritius" von Horb."

Andreas Bronner: "Die neuere Geschichte für Altheim schreibst Du, lieber Michi."

Dann geht Altheims Ortsvorsteher Bronner auf die Bühne. Er ist auch der ehemalige Lehrer von Jung. Er drückt seinem "Gold-Michi" nicht nur eine Riesen-Flasche Festbier in die Hand, sondern betont seine Bedeutung für Altheim: "Wir hatten Kelten, Römer und Alemannen hier. Die neuere Geschichte für Altheim schreibst Du, lieber Michi. Du wirst in die Altheimer Geschichtsbücher eingehen. Du musst im Sattel geboren sein. Aber dazu kann Deine Mutter was sagen." Alle lachen. Fred Schweizer, Präsident vom Sportkreis Freudenstadt, lobt den "tollen Erfolg". Und Gerhard Ziegler, Präsident vom Pferdesportverband Baden-Württemberg, "fehlen langsam die Worte. Michael, Du bist weltweit der Reiter, der in seiner Disziplin den Reitsport prägt."

Michael Jung: "Ich habe mittlerweile einen richtigen Kloß im Hals. Ich bin wirklich von tiefstem Herzen gerührt."

Jede Menge Lob, gespannte Blicke aus dem Publikum und Siegesmelodien der Musikkapelle Altheim. Da wird dem Ausnahmereiter offenbar ganz weich ums Herz. Michael Jung geht ans Mikro. Er sagt: "Ich habe mittlerweile einen richtigen Kloß im Hals. Ich bin wirklich von tiefstem Herzen gerührt." Er räuspert sich. Lächelt verlegen. Atmet tief durch. Man merkt, dass er gegen die Tränen ankämpft. Er versucht sie wegzulächeln. Doch die Tränen sind stärker. "Bravo"-Rufe. Er schnieft kurz. Dann sagt er ergriffen: "Ich finde es Klasse, wie ihr das alles macht. Ich bin wirklich stolz." Dann reibt er sich noch mal die Augen. Das Publikum klatscht: "Vielen Dank, dass ihr alle da seid. Das bedeutet mir sehr viel." Mit tränenerstickter Stimme sagt er noch: "Schönen Abend uns allen."

Applaus und Ergriffenheit. Genau deshalb sind die Altheimer und auch die anderen Horber so stolz auf Michael Jung. Weil er ohne Nerven reitet, die schwierigsten Situationen im Parcours meistert. Und in Altheim zeigt, dass er – jenseits vom Sport – ein ganz normaler Mensch ist.

Gut, dass Hansy Vogt dann mit seiner Bauchrednerpuppe die Stimmung umdreht. Erst ein paar Gags, die treffen. Und spätestens dann, als der Entertainer den Song "Jung hat die Kraft, dass er es schafft" anstimmt, sieht man, wie sich Michael Jung die letzten Tränen aus den Augen gewischt hat und fröhlich mitsingt.