Vor 25 Jahren fiel die Mauer und Deutschland wurde wiedervereinigt. Für Hechinger Jugendliche ist das Geschichte. Foto: dpa

Für Jugendliche ist der Tag der Deutschen Einheit wenig präsent. Gemeinsamkeiten überwiegen.

Hechingen - Diesen Samstag feiert die Bundesrepublik Deutschland 25 Jahre Deutsche Einheit. Viel wird darüber berichtet – dabei wird fast immer wieder die Frage gestellt: "Besteht noch die Mauer in den Köpfen?".

"Nö." – kann da, für manchen überraschend, die Antwort lauten. Jedenfalls, wenn Jugendliche in Hechingen gefragt werden. Wir haben das gemacht und uns erkundigt: Wie ist das Stimmungsbild derer, die die Wiedervereinigung nur aus Erzählungen und Geschichtsbüchern kennen? Was sagen die Hechinger Jugendlichen zu dem Feiertag der Bundesrepublik? Hat er überhaupt in ihrer Wahrnehmung eine Relevanz? Ein Report von den Hechinger Schulhöfen.

Maria, 15 Jahre alt, ist gerade auf dem Heimweg von der Alice-Salomon-Schule. Ihre Augen werden groß, sie wirkt verwundert auf die Frage, was sie mit der Deutschen Einheit verbindet und ob es noch Unterschiede zwischen West und Ost gibt. "Ossi" ist ihr noch ein Begriff – allerdings ohne negativen Beigeschmack. "Für mich sind das einfach Leute, die aus dem Osten kommen oder dort wohnen. Schlechtes verbinde ich damit nicht", sagt sie.

Auch Oliver (16) sieht das so: "Wir haben den Mauerfall in der Schule behandelt, aber ich habe mir nie Gedanken darüber gemacht, ob die Mentalität in Ostdeutschland gegenüber der unseren anders ist."

Es gibt auch Schüler, die wissen gar nicht, dass es in Deutschland mal eine Mauer gab, die das Land teilte. "Sorry, Erdkunde ist nicht so mein Ding", antwortet eine Jugendliche, die ihren Namen nicht nennen will. Sie wirkt genervt von der Frage. Seit fünf Minuten ist der Unterricht vorbei, und schon wieder will jemand was von ihr wissen.

Die beiden Abiturienten Adam und Markus schlendern über den Obertorplatz, die Bäckertüte in der Hand. Ihr Mittagessen. "Irgendwie ist der Begriff Ossi auch als Schimpfwort bekannt", meinen sie nachdenklich, aber was für Vorurteile das direkt sind, keine Ahnung". Es gebe so ein Klischee, sie wissen davon nur vom Hörensagen. Beide könnten sich vorstellen, später auch in ostdeutschen Städten zu studieren. Sie haben sogar einen gemeinsamen Bekannten, der von dort stammt. Und entspricht er diesen "Klischeevorstellungen vom Hörensagen"? Die beiden lachen und meinen fast einstimmig: "Nö. Ganz und gar nicht!"

Tamara, 19 Jahre alt, Gymnasiastin auf dem Heimweg, erzählt, dass das Thema fast gar nicht in der Familie besprochen wird. "Das liegt wahrscheinlich daran, dass wir keine Verwandtschaft im Osten haben und somit keinen direkten Bezug. Für mich ist die Bezeichnung ›Ossi‹ nicht neutral, durch Filme und Bücher wird oft ein negatives Bild vermittelt."

FKK-Strandbesuch im Schullandheim

Mit ihrem Mitbewohner, der aus Dresden stammt, hat sie erst kürzlich über die Deutsche Einheit gesprochen. "Für ihn gab es ganz klare Unterschiede in der Mentalität", sagt sie. Beim Schullandheimausflug seiner Klasse sei es ganz normal gewesen einen FKK-Strand zu besuchen. Auch eine Bekannte, die im Osten geboren sei, habe erzählt, dass das Körperverständnis dort ungezwungener gewesen sei.

Von Freunden weiß sie, dass Leipzig und Dresden attraktive Studentenstädte sind, sie selbst hat schon Jena und Weimar besucht. "Total schöne Städte! Gerade in Jena, kann ich mir gut vorstellen zu wohnen. Wir waren auch mal im Urlaub an der Mecklenburgischen Seenplatte. Mega schön dort!"

Der Tag der Deutschen Einheit: offensichtlich lässt er die Hechinger Jugend kalt. Man muss schon nachhaken. Auffällig ist, dass die Jugendlichen entweder Voreingenommenheiten gar nicht kennen, oder diese für überholt halten. Zum Ende des Gesprächs ist Tamara noch wichtig anzumerken: "Aber eins finde ich wirklich interessant: Dass so eine schwerwiegende Umwälzung im Großen und Ganzen durch friedlichen Protest zustande kam. Also, ohne dass viel Gewalt stattgefunden hat, wie man hätte meinen können. Das finde ich echt beeindruckend."

Auch wenn das Geschichtswissen unterschiedlich ausgeprägt ist, sind sich alle Befragten einig: es überwiegen Gemeinsamkeiten von Ost- und Westdeutschland. So viel Unvoreingenommenheit, vielleicht könnte sich die ältere Generation da ein Beispiel nehmen.